Rezension von Vegetationsbrandbekämpfung aus der Reihe Technik – Taktik – Einsatz

Buchcover Vegetationsbrandbekämpfung

Zwischen 2019 und 2020 fiel in Australien eine Fläche von 126.000 km² einer beispiellosen Serie von Buschfeuern zum Opfer. Das entspricht annähernd einem Drittel der Fläche Deutschlands! Die um die Welt flackernden Fernsehbilder schockten die Weltbevölkerung und offenbarten das Ausmaß der bevorstehenden Veränderungen des Weltklimas. Andererseits betonten deutsche „Offizielle“, dass dieses Ausmaß in unseren Breitengraden ausgeschlossen sei – oder im Sinne des Soziologen Ulrich Beck formuliert: Die direkte Erfahrbarkeit fehlt und damit entsteht kein Handlungsdruck. Die Extreme des Jahres 2021 ändern möglicherweise etwas.

Die Extreme nehmen zu

Dennoch ist festzustellen, dass die Sommer in Deutschland heißer und trockener werden und im Winter nicht mehr ausreichend Niederschlag zur Grundwasserbildung fällt. Damit steigt zwangsläufig das Risiko von Wald- und Vegetationsbränden. Dies schlägt sich in der Zunahme von Wald- und Vegetationsbränden nieder.[i] Am sichtbarsten – und im Sinne Becks erfahrbarsten – war dies durch den Waldbrand bei Fichtenwalde (BB) im Jahr 2018.[ii]

Hierzulande sind wir nicht von den gigantischen Feuersbrünsten Nordamerikas oder Australiens betroffen, jedoch stellen Brände in der Vegetation die (Freiwillige) Feuerwehr vor Herausforderungen, die durch Fortbildung und Übung zwingend zu vermitteln und im Rahmen der Einsatzplanung zu beachten sind. Und mit der Zunahme dieser Einsätze ist aufgrund der klimatischen Veränderungen zu rechnen – auch in der weniger warmen Jahreszeit, den einige von uns unter dem Namen Winter kennen.[iii]

Lange Vorrede und nun zur Publikation von Dr. Ulrich Cimolino, Jan Südmersen und Thomas Zawadke, die sich fachlich und beruflich seit Jahren intensiv mit dem Themenkomplex der Vegetationsbrandbekämpfung auseinandersetzen.

Föderalismus als Bremsklotz

Die Ausgangslage im föderal organisierten Deutschland, wie sie die Autoren skizzieren, ist nicht nur uneinheitlich, es fehlt auf allen politischen und organisatorischen Ebenen ein Erfahrungsschatz, daraus resultiert das Fehlen einer bundeseinheitlichen Taktik, Ausbildung und Ausrüstung sowie das Erfassen und vor allem das breite Diskutieren von aktuellen Vegetationsbrandereignissen. Allerdings betonen die Autoren, dass je zentraler einer Hilfsorganisation organisiert ist, desto besser ist das Thema in Grundzügen abgedeckt, wie sie am Beispiel des THW oder der Bundespolizei zu Beginn des Buchs darlegen. Immerhin gibt es eine aktualisierte Fachempfehlung „Vegetationsbrand“, deren Inhalte den Feuerwehren, deren Trägern und übergeordneten Behörden zur Kenntnisnahme vorliegen.

Sich der Unterschiede bewusst sein

Ein Vegetationsbrand benötigt eine eigene Taktik und verlangt das Berücksichtigen spezifischer Gefährdungen. Die Vorgehensweise aus der Gebäudebrandbekämpfung ist ungeeignet. Obwohl eine einheitliche taktische und organisatorische Grundstruktur einzuhalten ist, unterscheiden sich die örtlichen Verhältnisse. Zu nennen sind unterschiedliche Böden und Waldarten, Topografie und Geologie, die während der Einsatzvorbereitung und dem Einsatz durch Hinzuziehen von Fachpersonal zu berücksichtigen sind.

Mit konstruktiver Kritik und Vorschlägen zur Lösung/Organisation derselben sparen die Autoren nicht. Gleichwohl konstatieren sie, dass die Bundesländer noch immer viele Hausaufgaben in Bezug auf Grundstrukturen des Bevölkerungsschutzes nicht ausreichend umgesetzt haben: Einsatzvorbereitung, Führung und Kommunikation sowie Logistik sind gleichbleibend mangelhaft. In Kombination mit fehlender Ausbildung und Erfahrung verlangt es nicht viel Fantasie für eine Eskalation.

Mit Vorbereitung zum Erfolg

Mehr als die Hälfte des Buches macht das Beschreiben von Taktik und Ausrüstung aus. Neben dem Darstellen der Arten und Eigenschaften der Vegetationsbrände und der zu ergreifenden Taktik, erklären die Autoren den Sinn und Zweck bestimmter PSA und von Handwerkzeugen. Anforderungen an Fahrzeuge und an die Fahrzeug- und Einheitenführer kommen zur Sprache. Cimolino/Südmersen/Zawadke unterscheiden, welche Maßnahmen im Vorfeld, im Rahmen der Einsatzplanung zu erledigen und wie ein Vegetationsbrandeinsatz (taktisch) zu organisieren sind. Wiederholt weisen sie daraufhin, die Dynamik nicht zu unterschätzen und Nachlöscharbeiten nicht zu vernachlässigen. In dem Kontext verweisen die Experten auf die Sicherheitsgrundsätze und die taktische Waldbrandprognose. Hervorzuheben ist das Kapitel mit der Übersicht über Luftfahrzeugtypen und deren spezifischem Einsatzwert – Wissen, dass in der Eile des Gefechts wichtig ist.

Die Zielgruppe

Prinzipiell ist das Fachbuch für jeden Feuerwehr- und Forstamtsangehörenden geeignet. Die Umsetzung des Wissens im kleinen Kreis gestaltet sich dagegen kompliziert, da es für die praktische Umsetzung übergeordneter Konzepte bedarf. Die Frage nach der eigentlichen Zielgruppe ist einfach zu beantworten: ganz oben! So lange sich Bund, Länder und die Kreise und Kommunen nicht einigen, so lange gibt es wenige Inseln (die Konzepte haben) und viel Meer (wo jeder vor sich hin wurschtelt). Wie die Autoren des Buchs bedauern, hat sich seit der Waldbrandkatastrophe 1975 nicht viel geändert und angesichts der politischen Lethargie scheint es so, als bliebe es vorerst dabei.

Fazit: Lesen und bitte umsetzen

„Technik ersetzt keine Taktik und auch keine strategische bzw. taktische Einsatzplanung“ (S. 163).

Buchcover Vegetationsbrandbekämpfung

Grundsätzlich problematisieren die Autoren das Thema Vegetationsbrand und diskutieren zahlreiche Aspekte, die in der Einsatzplanung und -vorbereitung beachtet, in der Ausbildung vermittelt und im Einsatz taktisch zu beachten sind. Die Publikation ersetzt nicht übergeordnete Konzepte und bietet eine Gedankenstütze und Ausgangslage für die tiefergehende Betrachtung. Trotzdem gelingt es den Autoren, einen guten Überblick über diese Art der Einsatzlage und den Umgang mit ihr zu geben. Eindringlich fordern sie, Erfahrungen zu dokumentieren und darüber fachlich zu diskutieren, Führungsstrukturen aufzubauen und Grundwissen zu vermitteln sowie einen länderübergreifenden und interdisziplinären Wissenstransfer von Ergebnissen der Forschung zu errichten.

Bibliografische Daten

Cimolino, Ulrich; Südmersen, Jan; Zawadke, Thomas: Vegetationsbrandbekämpfung. Reihe: Technik – Taktik – Einsatz. Landsberg: ecomed Sicherheit 2020. 216 S.; Softcover; 17,0 x 24,0 cm; ISBN 978-3-609-77508-1; EUR 39.99

Externe Links:

Verwandte Links im Feuerwehr Weblog:


[i] https://www.umweltbundesamt.de/daten/land-forstwirtschaft/waldbraende#waldbrande-in-deutschland

[ii] https://www.sueddeutsche.de/panorama/waldbrand-fichtenwalde-1.4071801

[iii] https://www.sueddeutsche.de/bayern/bayrischzell-seit-tagen-brennt-der-bergwald-1.1185403