Rezension von Einsatz bei Extremwetterereignissen

„(D)er respektvolle Umgang mit Naturereignissen sollte … für jeden, im Speziellen aber für die Einsatzkraft, in eigenem Interesse selbstverständlich sein.“[i]Buchcover Einsatz bei Extremwetterereignissen

2018 und 2016 waren zwei Jahre, in denen extremes Wetter in weiten Teilen des Sommers herrschte. Während 2018 der Wärme kaum Niederschlag gegenübersteht und Löschflugzeuge das Sommerloch füllen, blieb 2016 vor allem durch die Bilder des Unwetters aus Braunsbach (BW) im Gedächtnis.[ii] Die Extreme werden zur Normalität und stellen erhöhte Anforderungen an die Einsatzvorbereitung der Feuerwehr. Extremwetterereignisse erfordern das angepasste Planen in Bezug auf Personal und das Koordinieren der knappen Einsatzressourcen. Das Buch „Einsatz bei Extremwetterereignissen“ aus der Reihe „Technik – Taktik – Einsatz“ versucht Einsatzplanern und Führungskräften ein gemeinsames Verständnis der Problemstellungen zu geben. Das Buch erklärt Extremwetterereignisse und deren mögliche Auswirkungen mit dem Fokus auf Einsatzplanung und -durchführung in der Gefahrenabwehr.

„Die Kenntnis über mögliche Entwicklungen der Wetterlage ermöglichen eine proaktive Planung“[iii]

Neben der Definition von Extremwetterlagen bieten die Autoren einen kurzen Ausblick darüber, wie Wettervorhersagen entstehen und auf welcher Grundlage der DWD Unwetterwarnungen erstellt. In diesem Kontext weisen sie auf die für die Feuerwehren interessanten Modellkarten hin. Die präzise Definition von Wetterbegriffen und anderen Phänomenen extremen Wetters, sowie deren Abgrenzung voneinander, sind für das Verständnis hilfreich. Für Sturm, Gewitter, Stark- und Dauerregen, Starkschneefall und Kälteanomalie sowie Hitze und Trockenheit legen die Autoren die Gefahren und Besonderheiten für die Gefahrenabwehr und Einsatzplanung dar. Basierend hierauf erstellen die Autoren eine Übersicht über Meta-Einsatzgrundsätze.

„Die vermeintlich ständige Versorgungssicherheit ist daher ein gefährlicher Irrglaube“[iv]

Die Autoren stellen Geräte zur Abwehr wetterbedingter Gefahren vor, angefangen von statischen über mobile Systeme zum Hochwasserschutz, verschiedener Pumpentypen, Stromerzeuger über den Transport von Trinkwasser, Bootstypen bis hin zu Konzepten für die Ausstattung. Die Autoren diskutieren Vor- und Nachteile, Einsatzgrenzen Besonderheiten, stellen verschiedene Geräte gegenüber und führen Berechnungen durch, aus denen sich Ressourcenbedarfe ergeben. Dieses Kapitel enthält eine Reihe von interessanten Informationen, aus denen sich der Bedarf zum Kooperieren und Abstimmen mit anderen Hilfsorganisationen resultiert. Die Autoren geben konkrete Empfehlungen zur Beschaffung von Geräten, betonen aber, dass Fachwissen einer Elektrofachkraft oder anderer Fachleute nicht ersetzbar sind.

„Ab einem bestimmten Grad der Auslastung des Hilfeleistungssystems müssen Entscheidungen durch eine Autorität im Hintergrund gefällt werden“[v]

Ressourcen alleine entscheiden nicht über den Einsatzerfolg. Ein sicherer Einsatzerfolg hängt an der Einsatzorganisation. In einer kurzen Übersicht stellen die Autoren wichtige Hinweise und Informationen zu vielen Aspekten zusammen. Die Themen Versorgung und Logistik, überörtliche Unterstützung und der Einsatz ungebundener Helfer sowie Sicherstellen der Einsatzbereitschaft zeigen, was zu beachten, zu bedenken und zu planen ist. Die Hinweise beziehen sich sowohl auf das Verhältnis der Organisation nach außen, wie nach innen. Das Wetter kann die Hilfsorganisation zum Betroffenen machen.

„Nicht immer rechtfertigt eine Alarmierung auch ein unverzügliches Ausrücken“[vi]

Wetterphänomene sind dynamisch und dem Sichern von Rückzugswegen, der Lagebeurteilung sowie dem Abschätzen von Einsatzgrenzen kommt erhöhte Relevanz zu. Die Autoren heben hervor, dass zur Einsatzvorbereitung das Stärken der Selbsthilfe der Bevölkerung gehört. In einer Übersicht legen die Autoren generelle Einsatztaktiken und –grenzen dar: für Hochwasser, Abgänge von Muren, Arbeiten an und auf Gewässern, wetterbedingten Gefahren durch Sturm, Eisstau, Verkehrsstörungen durch Schnee oder Eis, Lawinenereignisse, Räumen von Dächern, Schneebruch, Einschränkungen in der Versorgung mit Trink- und Löschwasser sowie dem Bekämpfen von Vegetationsbränden dar. Verbunden ist das mit der Forderung nach genauen Einsatzplänen für Gebäude und Infrastruktur, die vorab verschiedene Ereignisse in Betracht ziehen.

Wir leben in einer Ruhephase zwischen größeren Katastrophen[vii]

„Das, was wir als Normalität empfinden, ist in Wahrheit abnormal: Unsere hochtechnisierte Gesellschaft sieht keinen Ausnahmezustand mehr vor. Dieser ist der Risikogesellschaft aber immanent. So sind Naturkatastrophen die Regel, nicht die Ausnahme.“[viii]

Kann sich eine moderne Gesellschaft auf alles vorbereiten? Wo liegen die Grenzen dessen, was im Vorfeld planbar ist? Die Autoren geben viele hilfreiche Tipps und Hinweise, beim Lesen wird deutlich, dass die Einsatzvorbereitung im Grunde auf eine Totalerfassung aller Gegebenheiten am Ort hinausläuft. Ob eine Verwaltung das zu leisten im Stande ist? Vorbereitet sein tut Not, alles lässt sich nicht erfassen oder vorhersehen, siehe den Fall Braunsbach.[ix]

Zu lesen ist das Buch „Einsatz bei Extremwetterereignissen“ eher auf einer Metaebene, aus der sich Hinweise und generelle Taktiken ableiten lassen. Die Kapitel geben Denkanstöße für das Erstellen von Gefährdungsanalysen und das Ausarbeiten von örtlich angepassten Einsatztaktiken.

Die Autoren legen den Schwerpunkt der Ausführungen auf die Sommerunwetter (Sturm, Wasser) der vergangenen Jahre. Dies zeigt sich bspw. am stark schwankenden Umfang der Kapitel, die von ausführlich (Sturm, Kettensäge) bis übersichtlich (Waldbrand) reichen. Alle Wetterphänomene sind in einer Publikation nicht in vollem Umfang abbildbar. Die Autoren listen für Winter- und Sommergefahren wertvolle Stichpunkte auf.

Trockenheit und Wärmebelastung stellen aktuelle Themen dar, im Buch sind diese nicht tiefer dargestellt. Jedoch existiert eine Reihe weiterer Fachbücher über das Thema.[x] In dem Kontext war die Aussage über Glasscherben als Zündquelle irritierend[xi], dies ist durch die Forschung relativiert.[xii]

Bibliografische Daten

Matthias Ott, Peter Hofmann, Nils Böger: Einsatz bei Extremwetterereignissen. Aus der Reihe: Technik – Taktik – Einsatz. Landsberg am Lech: ecomed Sicherheit 2018. 208 Seiten; Softcover; ISBN 978-3-609-77503-6; 17,0 x 24,0 cm, 34,99.-

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Endnoten

[i] S. 156

[ii] Analyse des Ereignisses: Die Sturzflut in Braunsbach, Mai 2016. Eine Bestandsaufnahme und Ereignisbeschreibung. Taskforce im Rahmen des DFG-Graduiertenkollegs Natural Hazards and Risks in a Changing World an der Universität Potsdam  http://www.geo.uni-potsdam.de/tl_files/news/TaskForceBraunsbach.pdf

Video des Ereignisses auf YouTube https://www.youtube.com/watch?v=LI1cqMnMq50

[iii] S. 16

[iv] S. 68

[v] S. 91

[vi] S. 121

[vii] Zitat in Anlehnung an den Klima- und Science-Thriller „Der Schwarm“ von Frank Schätzing.

[viii] Stefan Cimander: Warnung als Problem. In: Feuerwehr Weblog vom 30.10.2006

[ix] Vgl. Stefan Cimander: Die Sache mit dem Restrisiko. In: Feuerwehr Weblog vom 01.08.2017

[xi] S. 193

[xii] Vgl. Detlef Maushake: Der Mythos lebt….oder das „Geheimnis“ der Glasscherbe bei Waldbränden! In: PV safety vom 28.06.2017.