Eine Kolumne von Stefan Cimander

Dunkelheit. Nacht. Ruhe. Schlaf. Plötzlich erwacht eine kleine, unscheinbare Lärmmaschine zum Leben, reist den freiwilligen Angehörigen der Feuerwehr aus seinen seligen Träumen. Ab jetzt läuft alles automatisch: Shirt und Hose an, Schuhe überziehen, der Griff ans Schlüsselbrett, Tür auf, Tür zu und ab in Richtung Feuerwehrhaus. Zu Fuß sprinten, auf dem Fahrrad rollen oder mit dem Auto fahren, das bevorzugte Fortbewegungsmittel richtet sich oftmals nach einem Kriterium: der Entfernung des Wohnortes zum Feuerwehrhaus.

Den Wohnort aussuchen, können sich die Wenigsten. Heutzutage nimmt der Wohnungssuchende insbesondere in den Städten mit dem vorlieb, das bezahlbar ist und halbwegs in die eigenen Vorstellungen passt. Die Nähe zur Feuerwehr stellt für so manchen ein nicht unwichtiges Kriterium dar. Freiwillige Angehörige der Feuerwehr sind meist bestrebt, möglichst nah an ihrem Feuerwehrhaus zu wohnen. Wer näher am Magazin wohnt, besitzt eine größere Chance, das erstrebte Fahrzeug oder den bevorzugten Platz auf dem Fahrzeug zu erreichen.

In meinen über 20 aktiven Jahren reduzierte ich die Entfernung um mehr als zwei Drittel, von zu Beginn 1.000 Metern als Rookie über 700 bis auf 450 und aktuell 300 Meter (jetzt als Oldie). Eigentlich sind das, verglichen mit anderen Feuerwehrangehörigen keine Entfernungen. Wenn ich lese, dass manche Wehren einen Einzugsradius von mehreren Kilometern hat, bekommt man schnell eine Vorstellung über die Theorie und Praxis von Hilfsfristen.

Alarm, jemand benötigt Hilfe, da gilt es, schnell am Feuerwehrhaus zu sein. Die Betonung liegt auf möglichst schnell. Und hier spielt es keine Rolle, ob der FA(SB) nah (wenige Meter) oder (einige Kilometer) entfernt wohnt. Führe ich die oben begonnene Aufzählung fort, fehlt eines: Gas geben, der Blick geht geradeaus! Zu Fuß, mit dem Rad oder dem Auto, plötzlich befindet sich der Feuerwehrangehörige in einem gefährlichen Tunnel, der ihn links und rechts und dahinter kaum mehr etwas wahrnehmen lässt. Das Interessante ist, dass dieses Verhalten auch dann eintritt, wenn Feuerwehrleute besonders nah, wie sehr fern wohnen, also wenn die Wahrscheinlichkeit einen Platz zu bekommen sehr hoch, wie sehr gering ist.

Eine andere interessante Beobachtung ist, dass Feuerwehrleute dazu neigen, ihrem Feuerwehrhaus hinterherzuziehen. Gründe für einen neuen Feuerwehrstandort gibt es zuhauf. Andere suchen gezielt im Umfeld der Feuerwehr nach Wohnungen. Bevor ich die Vorzüge der Sesshaftigkeit entdeckte, erhielt ich ein Jobangebot in einer größeren mittelbadischen Stadt, in der die freiwillige Feuerwehr in der Zentralstadt keine große Rolle spielt. Ich suchte deshalb gezielt in der Nähe der einzigen größeren Wehr nach einem Zimmer, weil ich kein Bock hatte, mit einem TSF auf dem Dorf zu arbeiten! Klingt komisch, ein junger Feuerwehrangehöriger tickt eben so. Es kam zwar anders, die Entfernung war allerdings immer noch eine Herausforderung.

Der Grund fürs Hinterherziehen, wie Rasen ist derselbe: Der Feuerwehrangehörige will stets der erste sein, denn den Letzten beißen die Hunde und dieser darf die Tore schließen und den anderen beim Ausrücken winken. Warum ist das so?

Nach über zwei Jahrzehnten in diesem Verein, versuche ich meine jugendliche Begeisterung mit nur mäßigem Erfolg nachzuvollziehen. Das Alter macht weiser und so einiges betrachtet der gestandene Floriansjünger unter einem anderen Blickwinkel. Vor 20 Jahren war ich ungebunden, ging mehr Kompromisse ein und hatte keine anderen Hobbys. Dazu kommt der Hunger, sich gegenüber anderen beweisen zu müssen, es „den Alten“ zu zeigen. Der Kick spielte ebenso eine Rolle, wie mit Fanfaren Wegrecht einzufordern. Und hier passt ein Satz, den uns der stellvertretende Amtsleiter bei der Übergabe unsere Grundlehrgangsurkunde gesagt hat und dem ich auch mit der beginnenden Altersweisheit immer noch voll zustimme: Zur (freiwilligen) Feuerwehr geht man wegen der Einsätze. Jeder, der etwas anderes behauptet, sollte seinen eigenen Feuerwehrwerdegang oder Feuerwehrentfernungsgang Revue passieren lassen. Und immer gilt: Hirn einschalten und sich im Straßenverkehr den Umständen entsprechend verhalten.