Mit Wenigen einfachen Schritten zu mehr Sicherheit. Gedanken zum Thema Basis-Hygiene im Bevölkerungsschutz von Florian Besch.

Infektionsschutzhandschuhe und Mundschutz

Heute, im September 2020, ist Hygiene bedingt durch Sars-CoV-2 bzw. COVID-19 gefühlt ein Dauerthema. Aber was ist Hygiene? Und wie schafft man im Bevölkerungsschutz mit wenig Aufwand viel Nutzen? Darüber will ich mir heute zusammen mit Euch Gedanken machen.

Was ist Hygiene?

Fangen wir mit der Frage an, was „Hygiene“ überhaupt ist? Das Wort Hygiene kommt aus dem griechischen und bedeutet „der Gesundheit dienende Kunst“. Die WHO, die Weltgesundheitsbehörde, definiert Hygiene als „Gesamtheit aller Bestrebungen und Maßnahmen zur Verhütung von Krankheiten und Gesundheitsschäden“. Soweit wikipediert, so gut.

Daraus lässt sich erkennen, dass Hygiene ein riesiges Themengebiet ist und es ist klar, dass die Schnittmengen mit dem Bevölkerungsschutz genau so riesig sind.

Schutz vor Infektionen

Also kümmern wir uns heute weder um die Gefahren durch Schadstoffe bei Bränden (wie es sich das Team von Feuerkrebs[1] zur Aufgabe gemacht hat)[2], noch um die seelische Hygiene (im Sinne einer PTBS). Wir wollen uns mit dem Basisinfektionsschutz auseinandersetzen, dem, was uns jeden Tag krank machen kann.

Basiswissen Infektionen

Normalerweise würde ich an dieser Stelle etwas von Arten von Erregern und Übertragungswegen erzählen, bei meiner Recherche habe ich jedoch die wunderbare Seite von infektionsschutz.de[3] gefunden; und besser und ausführlicher kann ich es nicht erklären – und auch kein so schönes Bonusmaterial produzieren.

Nachdem alle wieder hier sind und wir jetzt wissen das Infektionen durch Viren, Bakterien, Sporen mittels Tröpfchen- oder Schmierinfektionen über die Eintrittspforten Nasen/Mund/Augenschleimhaut, Blutbahn, Atemwege, Wunden oder dem Magen-Darm-Trakt übertragen werden, können wir uns überlegen, wie man im Bevölkerungsschutz gegensteuern kann.

Fachwissen Hygiene, der Status Quo

Aber welches Fachwissen kann man als „gegeben“ voraussetzen? Welches Wissen wird den Helfern vermittelt, insbesondere bei Feuerwehr und THW? Die Sanitätsorganisationen lasse ich hier mal außen vor. Und, gibt es irgendwo Spielregeln, die die Hygienemaßnahmen formulieren?

Fangen wir mal mit der Feuerwehr an. Die FwDV 2 „Ausbildung der Freiwilligen Feuerwehr“ kennt weder unter „2.1. Truppmann-Ausbildung“ noch „2.2. Truppführer-Ausbildung“ eine eigene Unterrichtseinheit „Hygiene“. Ja, es gibt die „Gefahren der Einsatzstelle“ und da gibt es die „Erkrankung“. Die muss sich die Zeit aber mit den anderen Gefahren teilen.

Interessant wird es im TM 2. Dort findet sich die Unterrichtseinheit „Besondere Gefahren im Zivilschutz, Kampfmittel“. Und dort wird als Lernziel auch „Grundsätze der Hygiene bei Einsätzen wiedergeben und danach handeln können“ ausgegeben.

Sagen wir es so: Besser hätte man es nicht verstecken können, aber na ja.

Kurzer Blick zum THW: in dem „neuen“ Lernabschnitt 2 „Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz“ wird das Thema „Grundhygiene“ behandelt. Leider habe ich keinen öffentlich zugänglichen Link dazu gefunden.

Die Technischen Regeln für Biologische Arbeitsstoffe

Nun zu den Spielregeln. Die sind in der TRBA 250 „Biologische Arbeitsstoffe im Gesundheitswesen und in der Wohlfahrtspflege“[4] niedergeschrieben. Weil jetzt garantiert jemand fragt: „Gilt das auch für die Feuerwehr?“, werfen wir einen Blick in den Text.

Absatz 1.1.
Diese TRBA findet Anwendung auf Tätigkeiten mit biologischen Arbeitsstoffen in Bereichen des Gesundheitswesens und der Wohlfahrtspflege, in denen Menschen medizinisch untersucht, behandelt oder gepflegt werden.

Da steht zwar jetzt nichts explizit von Feuerwehr, aber hey, wir haben mit kranken und verletzten Menschen zu tun. Nicht überzeugt? Schauen wir weiter, denn die TRBA 250 führt das weiter aus.

Absatz 1.3.
Die in Nummer 1.1 genannten Tätigkeiten können z. B. in folgenden Arbeitsbereichen und Einrichtungen stattfinden:
Rettungsdienste, Krankentransport und sanitätsdienstliche Versorgung,

Also, alle Unklarheiten geregelt. Für uns gilt die TRBA 250. Wer anderer Meinung ist, darf mir gerne seine Gefährdungsbeurteilung mit den zugrunde gelegten anerkannten Regeln der Technik schicken.

Latex-Handschuhe und Hygieneboard reichen nicht

Gut, eigentlich hätten wir ausreichend Grundlagen in der Fläche. Und eigentlich, wird der aufmerksame Leser jetzt anmerken, machen wir auch jetzt schon voll viel für die Hygiene. Auf dem neuen LF gibt es das Designer-Hygienebord, beim Verkehrsunfall tragen wir immer Aids-Handschuhe und Hände desinfizieren wir uns ständig, als ob es kein Morgen mehr gäbe.

Reicht das? Bringt viel immer viel? Und ist gut gemeint nicht die hässliche Schwester von gut gemacht?

Händewaschen als absolute Basis

Fangen wir mit dem absoluten Basic an: Händewaschen. Klingt jetzt doof, aber es gibt fast keine Maßnahme in der Hygiene, mit der man mehr Gewinn mit extrem wenig Einsatz bekommt.

Alleine mit Wasser und Seife lassen sich fast alle Erreger abtöten und praktischerweise lösen sich so auch Dreck und Schadstoffe.

Dabei braucht es keine Hightech-Designer-Hygiene Bord mit Spezialseife aus der Lebensmittelindustrie. Discounter Seife für 0,79€/500 ml reicht vollkommen aus. Wasser hat man entweder im Tank oder kann man problemlos am nächsten Hydranten beziehen. Die Blindkupplung mit eingebautem Wasserhahn ist dabei schon die Luxusvariante.

Hände waschen, aber richtig!

Kann man beim Händewaschen was falsch machen? Sagen wir es so: Man kann vieles nicht richtig machen. Wichtig ist es, genug Seife zu verwenden und die Hände lange genug zu waschen. Mindestens 30 Sekunden, also zweimal „Happy Birthday“ singen oder die erste Strophe von „Willst du einen Schneemann bauen?“. Gründlich abspülen, fertig.

Bleibt noch die Frage, wann wir uns die Hände waschen. Sagen wir es so: Wenn man es schafft, dass sich jeder, egal wie dreckig die Hände sind, noch an der Einsatzstelle – vorm Abrücken, nach dem Umziehen und ggf. vor verlassen der Unterkunft die Hände wäscht, haben wir viel gewonnen.

Händedesinfektion, aber richtig

Nächster Schritt ist die Händedesinfektion. Mit einer alkoholischen Lösung werden die Keime auf den Händen abgetötet. Cool. Endlich richtig sauber. Hier gibt es zwei ganz wichtige Faktoren: genug Desinfektionsmittel und eine ausreichend lange Einwirkzeit. Was man ganz deutlich sagen muss: Die drei Tropfen Händedesinfektionsmittel, die es gerade so schaffen, einmal die ganze Hand einen kurzen Moment zu benetzen, sind genau so effektiv wie kein Desinfektionsmittel. Damit kann ich mein Gewissen beruhigen, aber nicht wirklich eine Keimverschleppung unterbinden. Kann man also auch sein lassen.

Für die richtige Desinfektion gibt es 2 wichtige Zahlen. 5 ml Präparat – 30 Sekunden Einwirkzeit! Dabei ist es wichtig, die Hände komplett zu desinfizieren. Und 30 Sekunden waren wie lange? Richtig. Zwei Mal „Happy Birthday“ singen oder die erste Strophe von „Willst du einen Schneemann bauen“.

Wie man richtig desinfiziert, zeigt dieses Video:

Hautpflege nicht vernachlässigen

Die Haut findet das regelmäßige Waschen und Desinfizieren gar nicht gut. Sie wird trocken und rissig und somit entstehen neue Eintrittspforten. Also sollte man eine geeignete Hautpflege anbieten.

Einsatzkleidung nicht vergessen

Hände sind erledigt. Was bleibt als nächster großer Posten? Richtig, die Einsatzkleidung. TRBA 250 sagt unter 4.2.7 Schutzkleidung

(3) Wird bei Tätigkeiten, bei denen nach Gefährdungsbeurteilung keine Schutzkleidung zu tragen ist, dennoch die Arbeitskleidung kontaminiert, ist sie zu wechseln und vom Arbeitgeber wie Schutzkleidung zu desinfizieren und zu reinigen.

Somit entfällt eine Reinigung von mit Krankheitserregern kontaminierter Schutzkleidung zu Hause. Und waschen alleine reicht nicht. Die Kleidung ist auch zu desinfizieren, vorzugsweise mit einem Waschmittel aus der VAV Liste.

Hygiene ist kein Alltagsproblem

Damit stellen sich aber auch weitere Fragen. Mit welchem Waschmittel darf ich überhaupt meine Schutzausrüstung waschen? Muss ich anschließend wieder imprägnieren? Und wie schaffe ich die kontaminierte Bekleidung in die Unterkunft, ohne den ganzen Dreck großzügig zu verteilen? Wasche ich am Ende selbst oder macht das ein Dienstleister für mich? Wir sehen, spätestens hier fängt Hygiene an, nicht mehr ein „Alltagsproblem“ zu werden, das man gerade mal so nebenher erledigt.

Vermeidung von Kontamination

Noch besser als Kleidung reinigen zu müssen, ist es, eine Kontamination zu vermeiden. Dazu gibt es flüssigkeitsdichte (Einweg-)Anzüge und Kittel. Was da genau ausreicht, hängt vom Keim ab.
Kittel haben den großen Vorteil, dass man sie schnell über die bereits angelegte Schutzausrüstung ziehen kann. Anzüge können dafür auch bei anderen Einsätzen als Schutz vor Verschmutzung oder als leichte CSA verwendet werden.

Infektionsschutzhandschuhe, aber richtig

Nächste Baustelle, die bereits erwähnten Infektionsschutzhandschuhe. Diese müssen griffbereit in mehreren (!) Größen vorgehalten werden. Wenn man keine passenden Handschuhe zur Verfügung stellt, kann man es eigentlich auch lassen. Statt Latexhandschuhe sollten welche aus Nitril beschafft werden, um allergische Reaktionen auszuschließen.

In diesem Video seht ihr, wie man Handschuhe richtig auszieht:

Praxistipp
Bei Einsätzen, bei denen mit viel Blut zu rechnen ist, sollten immer zwei Paar Handschuhe übereinander getragen werden.

Augen schützen

Ebenfalls ein wichtiger Bestandteil im Infektionsschutz sind Schutzbrillen, um eine Infektion über die Augenschleimhaut zu verhindern. Ebenfalls kann es durch Körperflüssigkeiten zu Reizungen der Augen kommen. Aus Sicht des Infektionsschutzes wäre unbedingt zu fordern, eine Schutzbrille zur persönlichen Schutzausrüstung gemäß §14 (1) DGUV-V „Feuerwehr“ aufzunehmen.

Jetzt gibt es wieder Einwände: aber wir haben doch ein Visier am Helm! Ja, schön. Aber ein Visier ist keine Schutzbrille. Schutzbrillen dichten wesentlich besser ab und haben den großen Vorteil, dass man nicht zwingend immer einen Helm tragen muss, um eine Wirkung zu erreichen.

Atemwege schützen

Hände und Augen als Eintrittspforten haben wir geschützt, jetzt haben wir noch die Atemwege als Eintrittspforte. Und spätestens mit SARS-CoV-2 sollte jedem bewusst sein, wie schnell man sich alleine über die Atemwege infizieren kann.

Hier schlägt die Stunde der FFP Masken. Die gibt es als FFP1, FFP2 und FFP3. Den Unterschied zwischen den einzelnen Typen hat die Firma UVEX[5] sehr übersichtlich aufbereitet.

Aber welche Maske muss bei welchem Erreger getragen werden? Die gute Nachricht: Eigentlich reicht bei den meisten Erregern einfach nur eine FFP 2 Maske. Es gibt nur einige wenige Krankheiten, die zwingend den Einsatz von FFP3 erforderlich machen.

In der Konsequenz muss man also FFP 2 und FFP 3 Masken vorhalten. Was in der Praxis bedeutet, dass ich zwei Mal Geld ausgeben muss, doppelten Platz im Lager brauche und im Zweifel immer Gefahr laufe, dass die falschen Masken getragen werden. Einfachste Lösung: nur noch FFP 3 Masken vorhalten.

Zum An- und Ablegen von Maske, Anzug und Kittel habe ich euch auch Videos rausgesucht:

SER Hygiene

Eigentlich kann ich an dieser Stelle noch einen Gang höher schalten. Wie entsorgt man den Müll? Wen rufe ich an, wenn ich nachts um drei wichtige Fragen zum Thema Hygiene habe? Und wann genau ziehe ich welche Maske und welchen Kittel an?

Fragen über Fragen. Und auch hier gilt die alte Regel: Alles Probleme, die ich an meinem Schreibtisch lösen kann, muss ich nicht nachts um drei Uhr lösen. Mein Rat an dieser Stelle: Schreibt euch eine Standard-Einsatz-Regel (SER) Hygiene.

Was man beispielsweise so regeln kann:

  • Gibt es taktische Besonderheiten in Bezug auf Hygiene?
    Welche Schutzausrüstung wird bei welchem Stichwort verwendet?
  • Wo wird welches Hygienematerial gelagert? Und wo finde ich Ersatz?
  • Wer ist mein Ansprechpartner, wenn Fragen rund um die Hygiene auftreten?
  • Gibt es irgendwelche Besonderheiten bei der Einsatzdokumentation?

Und auch hier wieder: Die SER hat keinen Nutzen, wenn sie in einem Ordner im Büro steht: Einlaminieren und aufs Fahrzeug damit!

Zum Schluss gibt es noch 2 Dinge, die ich ansprechen will.

Hygiene muss aktiv gelebt werden

Egal wie viel Material ihr kauft und wie toll eure SER auch sein mag: Das Ganze muss mit Leben gefüllt werden. Und eine jährliche theoretische Einweisung reicht da bei Weitem nicht. Baut es in Übungslagen ein. Das fängt an, dass bei der Übungslage „Verkehrsunfall mit eingeklemmter Person“ auch wirklich Handschuhe getragen werden und sich anschließend die Hände desinfiziert werden oder auch in der Übungsbesprechung mal eine „was wäre, wenn jetzt“ Diskussion einbaut.

Train as you fight!

Hygiene gibt es nicht für lau

Die andere Sache: Hygiene kostet Geld. Und Hygiene bedeutet auch mal, Dinge wegzuwerfen, weil das Verfalldatum überschritten ist. Da gibt es auch keinen Diskussionsspielraum „weil wir das ja nur ehrenamtlich machen. Das muss jedes Jahr ins Budget entsprechend eingeplant werden und es muss auch jemand regelmäßig den Bestand prüfen und bewirtschaften.

Praxistipp
Versucht euer Material über ein Krankenhaus, Arztpraxis, Altersheim, Rettungswache oder Ähnlichem zu beziehen. Die haben ganz andere Abnahmemengen und somit auch andere Preise.

Das Thema „Hygiene im Einsatzdienst“ hat viele verschiedene Baustellen. In dieser Abhandlung habe ich mich auf die absoluten Basics konzentriert, da gäbe es noch viel zu beachten.

Ziel: Schutz vor Infektionen

Und es gibt auch viele verschiedene Lösungsansätze, zugeschnitten auf die Situation vor Ort. Wichtig ist unterm Strich die Frage: „Schaffen wir es, unsere Einsatzkräfte vor Infektionen wirksam zu schützen?“. Kann die Frage uneingeschränkt mit Ja beantwortet werden, dann ist alles gut. Wenn nicht, sollte man dringend anfangen, sich Gedanken zu machen. Denn über eines muss sich jeder Einheitenführer im Klaren sein: Nur er alleine ist dafür verantwortlich, dass sein Personal wieder gesund nach Hause kommt.

Nicht alles muss neu erfunden werden

Eine weitere Weisheit, die ich nicht müde werde zu wiederholen: „Niemand muss das Rad komplett neu erfinden oder ist auf sich alleine gestellt“. Holt Euch Fachleute mit ins Boot, die da richtig Ahnung davon haben. Schaut euch bei den Einheiten in der Nähe an, was die so machen und wenn es euch gefällt: macht es ihnen nach. Haben Andere auch kein wirklich überzeugendes Konzept, dann setzt euch zusammen. Die Grundlagen sind immer dieselben.

Bleibt gesund!

Über den Autor

Florian Besch, war von 1997 bis 2012 in der Freiwilligen Feuerwehr und ist seit 2014 in einem Ortsverband des THW  aktiv. Von 2000 bis 2004 war er Soldat auf Zeit, von 2004 bis 2005 erfolgte die Ausbildung zum Rettungsassistenten, von 2017 bis 2018 erfolgte die Fortbildung zum Notfallsanitäter.


[1] externer Link: https://feuerkrebs.de

[2] Vgl. hierzu auch: Frank Eisenblätter: Schwarzweiß-Trennung ist kein Rassismus! In Feuerwehr Weblog vom 23.08.2019. Zuletzt aufgerufen am 17.09.2020. https://www.feuerwehr-weblog.org/2019/04/23/schwarzweiss-trennung-ist-kein-rassismus/

[3] externer Link: https://www.infektionsschutz.de/

[4] externer Link: https://www.baua.de/DE/Angebote/Rechtstexte-und-Technische-Regeln/Regelwerk/TRBA/TRBA-250.html

[5] https://www.uvex-safety.com/de/wissen/normen-und-richtlinien/atemschutzmasken/die-bedeutung-der-ffp-schutzklassen/