Rezension von Ralf Beyers Einsatz bei Starkregen uns Sturzfluten

Buchcover "Einsatz bei Starkregen und Sturzfluten" von Beyer.
„Einsatz bei Starkregen und Sturzfluten“. Bild: ecomed

Die Publikation „Einsatz bei Starkregen uns Sturzfluten“ aus der Reihe „Technik – Taktik – Einsatz“ will weder eine Schnell-Einsatz-Regel noch ein Ausbildungshandbuch sein. Ziel, so der Autor Ralf Beyer, ist eine Zusammenstellung von Praxis-, Erfahrungs- und empirischem Wissen fĂŒr die beiden im Buchtitel genannten Einsatzszenarien, die in entscheidenden Momenten den EinsatzkrĂ€ften GedankenstĂŒtzen bieten sollen.

„Es ist ein Ratschlag, eine UnterstĂŒtzung und Information, um zu helfen, richtige Lösungen zu finden“, denn manchmal genĂŒgt „nur ein einziger passender Hinweis, um SchĂ€den zu reduzieren und EinsatzablĂ€ufe zu optimieren“ (S. 9)

Der Autor als Multiplikator

Beyers Buch basiert auf mehreren THW-Ausbildungsunterlagen und greift die Resonanz auf seine VortrĂ€ge (und sein Buch „Starkregen und Sturzfluten“[1]) auf und arbeitet diese in die Publikation ein. GegenĂŒber „Starkregen und Sturzfluten“ ist die vorliegende Publikation abweichend strukturiert, erweitert und weist mit dem Kapitel „Technische Ausstattung“ ein neues Kapitel auf.

Als Zielgruppe nennt er FĂŒhrungskrĂ€fte – die sich vorab mit dem Thema auseinandersetzen mĂŒssen – der Feuerwehr, die zwar nicht explizit genannt, durch den Kontext des Buches als Zielorganisation erscheint.

Die roten FĂ€den

Im Kontext der Einsatzszenarien Starkregen und Sturzfluten ziehen sich drei rote FĂ€den durch das Buch: Gesunder Menschenverstand, ImprovisationsfĂ€higkeit und ĂŒber den Tellerrand der eigenen Organisation blicken.

Der gesunde Menschenverstand

Beyer betont, dass Theorie das eine Praxis und Geschick, das andere sind! Manchmal helfen HandbĂŒcher, Ausbildungen und die Lehrmeinung nicht weiter und der Helfende muss sich auf sein Erfahrungswissen und das richtige situative EinschĂ€tzen verlassen. Der GMV ist das Wichtigste im Einsatz und durch nichts zu ersetzen!

FĂ€higkeit zur Improvisation

Improvisation und Schnelligkeit sind fĂŒr ihn die SchlĂŒssel fĂŒr den Einsatzerfolg. Improvisation verlangt Wissen. „Improvisieren heißt .. sich ĂŒberlegt und konzentriert auf eine Situation richtig einzustellen, mit dem Ziel, diese zu beherrschen.“ (S. 126). Sprich, wer sich vorbereitet und Wissen aneignet, legt einen Grundstein fĂŒr das Handhaben derartiger Szenarien. Dass das kein Widerspruch ist – Theorie und Praxis – zeigt Beyer im Kontext. Das eine ist ohne das andere nicht möglich. Hierzu gehört das AufzĂ€hlen von Werkzeugen, die eine Einsatzkraft einsetzen kann, diese haben Vor-, aber auch Nachteile, setzen beim Einsatz demnach Wissen voraus.

Über den eigenen Tellerrand schauen

Die handelnde Hilfsorganisation sollte keine Scheu davor haben, rechtzeitig Spezialisten anzufordern, einzusetzen und damit seine Einsatzoptionen zu erweitern. Namentlich nennt er die Fachberater THW, die spĂ€testens dann hinzuzuziehen sind, wenn Bauwerke betroffen sind. Daneben bietet die DLRG spezifische Kompetenzen. Er schreibt, dass Planung „heißt Wissen ĂŒber Gefahren, Risiken, die eigenen Möglichkeiten“ (S. 54).

Zahlreiche GedankenstĂŒtzen

Beyer macht Hinweise zum Einsatz eines Sicherheitsassistenten, fordert auf, die Kommunikation nicht zu vernachlĂ€ssigen und spricht offensiv das Thema Social Media an. Zahlreiche Beispiele fĂŒr schnelle Improvisationen (gefĂŒllte B-SchlĂ€uche) oder den Einsatz anderer Werkzeuge zeigen, wie wichtig das Verbinden von Wissen und Improvisation sind. Er weist aber auch auf lebensgefĂ€hrliche Taktiken wie den Watthoseneinsatz hin.

Menschenrettung als Ausnahme

Besonders hervorzuheben ist, dass er die Menschenrettung als absolute Ausnahme in den beiden Einsatzsituation betrachtet. Dennoch gibt er Praxishinweise, obwohl es, wie er schreibt, schwierig bis unmöglich ist, hierfĂŒr einheitliche Regeln/Standards zu formulieren. In dem Kontext schreibt er: „SpontanitĂ€t und Zeitdruck erhöhen erheblich das Risiko einer Fehlentscheidung.“ (S. 123)

Didaktisch gut strukturiert

Wichtige Aussagen sind, wie bei allen BĂŒchern der Reihe, farblich hervorgehoben. Viele Grafiken erklĂ€ren verschiedene Sachverhalte, beispielsweise das schematische Darstellen von Einsatzszenarien mit Einsatzstellenorganisation. Tabellen und Formeln geben einen Überblick ĂŒber wirkende KrĂ€fte oder Strömungen. Beyer stellt dies mit Beispielen dar, wie mit der Frage, ab wann ein Pkw „schwimmt“. Viele Fotos machen die Publikation verstĂ€ndlicher. Zentrale Aussagen wiederholt er.

Fazit

Beyer behandelt ein komplexes Thema, das gerade durch seine praxisnahe Darstellung greifbar wird. Seine Beispiele aus der Praxis bieten Ansatzpunkte fĂŒr das Ausbilden und GedankenstĂŒtze fĂŒr den Einsatz und regen den Leser zum Nachdenken an, welche Lösungen es fĂŒr spezifische Situationen gibt. [2]

Subjektiver Eindruck des Lesers zum Schluss: Das Buch richtet sich ein StĂŒck weit gegen die als „Arroganz“ empfundene Einstellung so mancher örtlicher Feuerwehr, die meint, alles stemmen zu können.

Bibliografische Daten

Beyer, Ralf: Einsatz bei Starkregen und Sturzfluten. Aus der Reihe Technik – Taktik – Einsatz. Landsberg: ecomed Sicherheit 2020. 192 Seiten; 24 cm x 17 cm, 478 g; ISBN/Einband/Preis 978-3-609-77507-4: EUR 34.99 (DE), EUR 36.00 (AT), 3-609-77507-6

Externe Links


[1] Ralf Beyer: Starkregen und Sturzfluten. Landsberg am Lech: ecomed Sicherheit 2016. Vgl. Stefan Cimander: „Eine Sturzflut kann nicht bekĂ€mpft werden“. Rezension von Ralf Beyers Starkregen und Sturzfluten. In: Feuerwehr Weblog vom 05. Januar 2017. /2017/01/05/eine-sturzflut-kann-nicht-bekaempft-werden/ zuletzt aufgerufen am 12. Oktober 2020.

[2] Vgl. Matthias Ott, Peter Hofmann, Nils Böger: Einsatz bei Extremwetterereignissen. Aus der Reihe: Technik – Taktik – Einsatz. Landsberg am Lech: ecomed Sicherheit 2018. Die Autoren legen das Augenmerk eher auf planbaren Szenarien, Einsatzorganisation und Einsatztaktik. Vgl. hierzu Stefan Cimander: Respektvoller Umgang mit Naturereignissen. Rezension von Einsatz bei Extremwetterereignissen. In: Feuerwehr Weblog vom 13. August 2018.  /2018/08/13/respektvoller-umgang-mit-naturereignissen/ zuletzt aufgerufen am 12. Oktober 2020.