Rezension von Ralf Beyers Starkregen und Sturzfluten
Mai 2016: Die Bilder aus dem schwäbischen Braunsbach (BW) zeigten eindrucksvoll die Macht des Wassers, die Gefahren der reißenden Flut und das urplötzliche Eintreffen eben einer Sturzflut nach Starkregen.[1] Was wie ein Jahrhundertereignis aussah, könnte zur Regel werden, zumindest prognostizieren das die Meteorologen.[2]
Zunahme der Ereignisse wahrscheinlich
Dass sich sozusagen auch die solche Einsatzszenarien abwehrende Seite dieser Vorhersage anschließt, zeigt der Taschenguide „Starkregen und Sturzfluten“ des THW-Angehörigen Ralf Breyer. Auf Basis von zwei einschlägigen Ausbildungshandbüchern des THWs erstellte Breyer, der Technischer Berater Hochwasserschutz und Deichverteidigung im THW Landesverband NRW ist, eine kompakte und systematische Mischung aus SER, Handbuch und Ratgeber über die Abwehr bzw. Minderung der Folgen von starken Niederschlagsereignissen, dessen Praxisbezug von der ersten Seite an deutlich wird, und die bei der Vorbereitung unterstützen will.
Gefragt ist Improvisation
Allerdings stellt Breyer von Beginn an klar, dass
„eine Sturzflut … nicht bekämpft werden kann“ (S. 30).
Helfer können bisweilen nur schützen, aber erst „hinterher“ so richtig helfen. Breyer macht mehrfach deutlich, dass sich diese spezielle Einsatzsituation nicht durch starre Regeln, Grundsätze und Handbücher lösen lässt, sondern dass schnelles und umsichtiges Handeln, gesunder Menschenverstand und Improvisationsgeschick die wichtigen Werkzeuge sind. Helfer können nur reagieren und das Risiko von Fehlentscheidungen ist hoch. „Für diese Einsatzlagen Regeln oder Standards zu empfehlen, ist sehr schwierig bis unmöglich“ (S. 79), schreibt Breyer.
Plane das Unplanbare
Dennoch darf der Verweis auf die Unplanbarkeit nicht dazu führen, komplett auf Planungen für den Einsatzfall zu verzichten, auch wenn diese mit Unwägbarkeiten verbunden sind. Planung bezieht sich hierbei auf das Wissen, welche Spezialeinheiten es gibt, welche Fachleute hinzugezogen werden müssen, wo Gefahrenpunkte liegen, welche Abläufe wichtig sind und vor allem, dass es eine funktionierende Führungsstruktur gibt. Nur wenn bestimmte Abläufe vorgeplant sind, ist schnelles Handeln überhaupt möglich. Besonders hervor hebt er die Definition entsprechender Abbruchkriterien. Denn auch das gehört zur Planung dazu.
Auf was außerdem zu achten ist
Auf die Situation formulierte Einsatzgrundsätze finden ebenso Eingang in die Publikation, wie Definitionen, Kriterien zur Lagebeurteilung, Führung und Hinweise zum Vorgehen, wenn das Wasser „weg“ ist. In einem eignen Kapitel sammelt Breyer verschiedene Sicherheitshinweise mit Fokus auf verschiedene Infektionskrankheiten. Ferner weist Breyer daraufhin, dass der Aspekt Dialog und Kommunikation mit Medien und Betroffenen nicht vernachlässigt werden darf.
Randnotiz
Zwei kleine Kritikpunkte: Unter Bezug auf die URBAS-Studie[3] schreibt Breyer, dass derartige Lagen in Gemeinden mit rein ehrenamtlichen Feuerwehren katastrophaler wirken, als in Städten mit hauptberuflichen Feuerwehrangehörigen. Immerhin könnte die Aussage eine bittere Feststellung für ehrenamtlich Engagierte sein. Leider fehlt die Seitenangabe für diese sehr umfangreiche Studie! Der zweite Punkt bezieht sich auf Begriffserklärungen. Der Begriff „Kolke“ war dem Rezensierenden bisher unbekannt und im Buch auch nicht erklärt.[4]
Fazit
Lesenswert wird das Buch durch seine starke Praxisorientierung. Es stehen weniger mathematische Berechnungen und technisches Leitungsvermögen im Vordergrund, als Handlungsanweisungen und Maßnahmenvorschläge für konkrete Situationen. Breyer legt damit eine klare, knappe und verständliche Darstellung vor, die auf Wissenschaft verzichtet und klare – aber unverbindliche – Ratschläge gibt.
Zu Beginn des Buches schreibt Breyer:
„Genügten früher die Kenntnisse der normalen Hochwasserbekämpfung, so sehen sich heute die eingesetzten Helfer mit unterschiedlichsten Notlagen konfrontiert“ (S. 5),
schließt er seinen Guide mit den Worten, dass „handwerkliches Improvisationsgeschick“ weit mehr gefragt ist, als die bisher gelehrten Problemlösungen im Hochwasserschutz (S. 128). Wobei „improvisieren … nicht (heißt), schnell irgendetwas zu machen, sondern sich überlegt und konzentriert auf eine Situation richtig einzustellen mit dem Ziel, diese zu beherrschen“ (S. 78).
Bibliografische Daten
Ralf Beyer: Starkregen und Sturzfluten. Landsberg am Lech: ecomed Sicherheit 2016. 132 Seiten; Softcover; 11,5 x 16,0 cm; ISBN 978-3-609-69622-5; Preis 19,99.-
Links
Endnoten
[1] Analyse des Ereignisses: Die Sturzflut in Braunsbach, Mai 2016. Eine Bestandsaufnahme und Ereignisbeschreibung. Taskforce im Rahmen des DFG-Graduiertenkollegs Natural Hazards and Risks in a Changing World an der Universität Potsdam http://www.geo.uni-potsdam.de/tl_files/news/TaskForceBraunsbach.pdf
Video des Ereignisses in Braunsbach auf YouTube https://www.youtube.com/watch?v=LI1cqMnMq50
[2] https://www.pik-potsdam.de/aktuelles/pressemitteilungen/klimawandel-immer-mehr-rekord-regenfaelle
http://www.scinexx.de/wissen-aktuell-19055-2015-07-08.html
http://www.bbk.bund.de/SharedDocs/Downloads/BBK/DE/Publikationen/Praxis_Bevoelkerungsschutz/Band_11_PraxisBS_Hitzewellen-Starkregen.html
http://www.bbk.bund.de/DE/TopThema/TT_2016/TT_Starkregen_Sturzfluten.html
[3] URBAS-Studie: http://www.urbanesturzfluten.de/projekt
[4] Der Kolk ist die Bezeichnung für kleine, wassergefüllte Vertiefungen. https://de.wikipedia.org/wiki/Kolk