Eine Kolumne von Stefan Cimander

Teamwork bei der Feuerwehr

Würdigung der freiwillig erbrachten Leistungen und Anerkennung[i] des Ehrenamts[ii] sind ein Thema, das seit langer, langer Zeit, mal mehr, mal weniger virulent durch die Medien tanzt. In Zeiten von Twitter, Facebook und Snapchat nehmen wir dieses Themenfeld häufiger wahr, weil sich die, die sich über vermeintlich fehlende Wertschätzung echauffieren, sich der neuen Medien bedienen, um ihrem Frust Ausdruck zu verleihen. Statt eines Sommerlochs, über das alle Schmunzeln, stellt sich das Thema eher als Löcher produzierendes Minenfeld dar, in das der Autor abzustürzen droht. Der Autor dieses Textes ist, was den Aspekt der Anerkennung betrifft, ebenso hin- und hergerissen zwischen zwei Positionen, die sich in Teilen widersprechen.

Diese Kolumne entstand nach dem Lesen von zwei Beiträgen im Netz. Einerseits verkündete eine Feuerwehrzeitschrift die fünf größten Irrtümer bezüglich der Feuerwehr[iii], andererseits las ich auf einem Nachrichtenportal die Rezension des Buchs „Anerkennung“[iv] des Philosophen Axel Honneth[v]. Auf den ersten Blick passen die Texte nicht zusammen, auf den zweiten Blick öffnet sich das von mir als Minenfeld bezeichnete Problem.

Freiwillige Feuerwehrleute fühlen sich, und das kann der Autor durch seine fast 25 Jahre umfassende Zugehörigkeit bestätigen, in einem permanenten Zustand des Minderwertigkeitskomplexes, wenn es darum geht, wer die „richtige“ oder „falsche“ Feuerwehr[vi] ist, wer besser qualifiziert ist, wer mehr (spektakuläre) Einsätze hat. Versteht mich nicht falsch, mit einem hauptberuflichen Feuerwehrangehörigen möchte ich definitiv nicht tauschen.[vii] Der Autor erinnerte sich beim Nachdenken über den Inhalt der beiden oben genannten Artikel an unzählige Diskurse über das Thema Anerkennung der ehrenamtlichen Arbeit durch Führungskräfte, Lokalpolitiker und Bevölkerung – ebenso durch die hauptberuflichen „Cousins“.[viii]

Dass wir in der Bevölkerung mittlerweile als (freiwillige) Feuerwehr kein besonders positives Ansehen haben („falsche Feuerwehr“, „Feierwehr“) bzw. – treffender formuliert – als Freiwillige Feuerwehr überhaupt nicht wahrgenommen werden, ist für manchen verschmerzbar. Es ist so, wie es ist und einige fühlen sich am Bauch gepinselt, wenn sie mit der Berufsfeuerwehr gleichgesetzt/verwechselt werden. Soll die gemeine Öffentlichkeit glauben, es handelt sich hier alles um die „richtige“ Feuerwehr, die Profis und die Helden[ix]. Immerhin lässt dies die „freiwillige“ Feuerwehr am Nimbus der vertrauenswürdigsten Berufe teilhaben.[x] Weshalb interessiert uns das? Letzten Endes geht es darum, dass wir jemandem in Not helfen und nicht, wer oder was wir sind und mit welcher Motivation wir das tun. Das zeigt, dass wir ein Problem mit unserem Ehrenamt oder der Einstellung zum Ehrenamt haben. Trotzdem sind wir eine Feuerwehr.

Wir müssen unser ehrenamtliches Tun nicht jedem auf die Nase binden, der Hinweis, dass wir das freiwillig dem Gemeinwohl gegenüber machen, ist in dezenter Art erlaubt – gerade innerhalb der eigenen Organisation![xi]

Im Grunde nehmen wir uns – ich schließe mich da als Angehöriger einer Freiwilligen Feuerwehr mit ein – viel zu wichtig. Mehr Demut täte so manchem, der sich in sozialen Netzwerken oder der Öffentlichkeit lautstark gebiert, gut. Es kommt nicht darauf an, wer hilft, sondern das geholfen wird. Alleine das zählt. Die Nuance, wer konkret geholfen hat, kann nachträglich in sachlicher und zurückhaltender Form erfolgen. Das hat nichts mit Eitelkeit zu tun, sondern folgt dem Prinzip, tue Gutes und sprich darüber.

Allerdings, so scheint es, sehen das viele Freiwillige als Aufforderung in, nennen wir es, indiskreter und penetranter Weise Anerkennung aktiv einzufordern. Anerkennung in Form von an Peinlichkeit meist nur schwer zu überbietenden Diskussionen in den sozialen Medien einzuklagen, ist ebenso der falsche Weg, wie mit auffälligen, und in meinen Augen provozierenden, Helden-T-Shirts in der Öffentlichkeit aufzutreten[xii] – womöglich eine Flasche Gerstensaft inhalierend. Anerkennung hat nichts mit Retweets, Likes und Kommentaren zu tun. Die Währung der Social Media verführt zu kurzfristigem Denken. Das führt zu noch mehr Entfremdung, Ärger und Diskussionen, sowohl nach innen wie nach außen, und stärkt nicht das Vertrauen in die Fähigkeiten der Freiwilligen Feuerwehr. In diesem Kontext, wusste der Autor bspw. nicht, dass in Deutschland so viele Wald- und Vegetationsbrandexperten existieren.

Bei Ehrungen, versteht der gemeine Feuerwehrangehörige absolut keinen Spaß mehr. Klar, der Autor würde sich freuen, zumindest auf dem Papier für eine Ehrung für das Vierteljahrhundert zu erhalten, frage ich mich persönlich nach der Motivation, warum ich das will, dann ist da nichts. Es ist nichts anderes als ein egozentrisch-pathologischer Wunsch Respekt einzutreiben! Ehrungen machen einen nicht reifer, nicht qualifizierter, sie dienen letzten Endes dazu, dass sich lokale Honoratioren vor der Presse als Förderer der Feuerwehr hervortun können, und die eigene Person ihre fünf Minuten Ruhm in der Tagespresse hat. Lässt sich davon die Miete bezahlen?[xiii] Nein! So what?

Wichtiger ist dem Autor bei einem Einsatz unvermittelt einen Tee oder Keks von Anwohnern zu bekommen oder persönlich nach einem Einsatz ein Danke „fürs Helfen“ (bloß gab es in dem konkreten Fall nichts mehr zu helfen)[xiv] zu bekommen. Das spontane „Danke“ ist in meinen Augen mehr wert, als jede Urkunde, jeder Orden und jedes Dankesessen! Und ich betone das Wort spontan! Das zeigt, dass nicht die ganze Gesellschaft es als eine selbstverständliche, weil mit Steuergeldern finanzierte Dienstleistung des Staates betrachtet.[xv] Trotzdem möchte ich dieses verdammte Stück Papier haben. Klingt komisch, ist aber so.

Woran liegt es? Anerkennung ist eine Form der sozialen Währung moderner Gesellschaften, allerdings weniger in der pathologischen Ausprägung von Klicks & Likes, sondern Anerkennung ist eine Währung, die uns zeigt, wohin wir in der Gesellschaft gehören. Anerkennung heißt, sich gegenseitig zu achten, zuzuhören, Rücksicht zu nehmen, passiert das nicht, entsteht ein Konflikt. Die positive Form der Anerkennung wird von außen eher seltener kommen, und wenn, dann höchstens in pathologischem Gewand der Geringschätzung, bis hin zum Stichwort „Gewalt gegen Rettungskräfte“.[xvi] Es ist die Anerkennung von innen, also die Wertschätzung, die von der Führung, den Kameraden und den „Cousins“ kommt, die zählt und motiviert. Das nennt sich Organisationskultur, nur wird das gemeinsame Miteinander in der Feuerwehr oftmals auf das autoritäre Herrschen-und-Teilen-Prinzip reduziert.[xvii] In dieser Ursuppe bildet sich Frust, Missgunst und der Wunsch endlich ebenfalls auf der Bühne im Rampenlicht zu stehen – und sei es durch den Kommentar in den sozialen Medien, auf den gefühlt die halbe Welt reagiert.

Bewusst ausgeklammert habe ich das Thema „materielle Gratifikation“, d. h. Vergünstigungen für Angehörige der Feuerwehr, z. B. im Schwimmbad, oder die leidige Aufwandsentschädigung. Das hat nichts mit dem Ehrenamt zu tun. Wer ein Ehrenamt allein wegen der Vorteile ausübt, der hat in diesem Amt nichts verloren. Wo ist hier die Grenze zu den vielen anderen, sich ehrenamtlich engagierenden Mitbürgern zu ziehen, die nicht qua Gesetz Teil der Gemeindeverwaltung sind und die oftmals ihr Ehrenamt komplett mit privatem Geld finanzieren?

Anerkennung zeigt sich infolge von Taten, egal ob klein oder groß, sie offenbart sich spontan und nicht erzwungen, sie hat zwei Seiten, die, die gibt, und die, die empfängt. Hört auf euch mit anderen zu vergleichen, hört auf euch öffentlichkeitswirksam über mangelnde Wertschätzung aufzuregen, denn die meisten Vergleiche hinken und das Spiel mit der Öffentlichkeit kommt dem Spiel mit dem Feuer gleich. Hört auf Ehrungen hinterher zu jagen, die außer den fünf Minuten Ruhm keinerlei Auswirkungen auf euer Tun haben. Die Nächstenhilfe steht im Vordergrund und wir dürfen uns freuen, falls sich jemand bei uns für unseren Service bedankt.

 


[i] Gemeint ist im Folgenden Anerkennung als Synonym für Akzeptanz, Lob oder Respekt.

[ii] Grundsätzlich als Lektüre möchte ich im Kontext Feuerwehr und Ehrenamt empfehlen: Wolfgang Hochbruck „Feuerwehr ist kein Ehrenamt“, in Markus Jenki, Nils Ellebrecht, Stefan Kaufmann (Hg.): Organisationen und Experten des Notfalls. Zum Wandel von Technik und Kultur bei Feuerwehr und Rettungsdiensten. Reihe: Zivile Sicherheit. Schriften zum Fachdialog Sicherheitsforschung. Bd. 7, 2014, S. 187-207. Hochbruck argumentiert, dass die Freiwillige Feuerwehr kein Ehrenamt im klassischen Sinne darstellt, sondern dass die Freiwillige Feuerwehr im sozilogischen Sinne eher „Emergency service labor forces“ sind

[iii] Ann-Christin Westphal: „Die 5 größten Irrtümer zur Feuerwehr“ in: Feuerwehr Magazin online, Stand: 16.07.2018, zuletzt aufgerufen am 18.07.2018.

[iv] Eckart Goebel: „Wie Anerkennung wirklich funktioniert“ in: Welt online, Stand: 17.07.2018, zuletzt aufgerufen am 18.07.2018.

[v] Axel Honneth: Anerkennung. Eine europäische Ideengeschichte. Suhrkamp, 237 S., 25 €.

[vi] Ganz unschuldig an dieser Sichtweise sind die Medien selbst nicht: Feuerwehr Weblog „Wer löscht zukünftig mein brennendes Heim?

[viii] Über diesen Begriff kann (und darf) gestritten werden. Ich habe zweierlei erlebt, einerseits gibt es eine Gruppe hauptberufliche Feuerwehrangehörige, die nicht mit den Freiwilligen in einen Topf geworfen und schon gar nicht als deren Kameraden bezeichnet werden wollen, andererseits gibt es da eine weitere Gruppe, die damit kein Problem hat, weil sie sagt, dass wir „eine“ Feuerwehr sind.

[ix] Vgl. zum Thema Heldenhaftigkeit und ihre Darstellung in der Feuerwehr: Feuerwehr Weblog „Armseliges Feuerwehrhero-Gesabber

[xi] Generell zum Für und Wider von Feuerwehrwerbung,  vgl. Feuerwehr Weblog: „Von Werbung und Feuerwehrsex

[xii] Vgl. zum Thema Für und Wider bestimmter T-Shirts: Feuerwehr Weblog „Drunter und drüber – Was zieh ich bloß an

[xiii] Vgl. zum Thema Feuerwehr und Wohnen: Feuerwehr Weblog „Die Hütte brennt!“

[xv] Vgl. zum Thema Anerkennung im Ausland: Feuerwehr Weblog „Einfach mal „Danke“ sagen

[xvi] Vgl. Buchrezension: Feuerwehr Weblog „Gewalt gegen Rettungskräfte als Volkssport

[xvii] Vgl. das Thema Organisationskultur und Motivation bezogen auf das Individuum: Feuerwehr Weblog „Die Resilienz im Ehrenamt