Rezension von Buchold/ Naujoksâ Atemschutznotfallstaffel
Das Thema Atemschutznotfall und spezialisierte Einheiten zum Retten in Not geratener AtemschutzgerĂ€tetrĂ€ger scheinen, zumindest nach einem Blick in die einschlĂ€gige Fachpresse, momentan weniger im Fokus zu liegen. Zentrum der Wahrnehmung bilden TodesfĂ€lle unter Atemschutz, dabei offenbart die Analyse der verletzten Feuerwehrangehörigen eine erhebliche Erkenntnisvielfalt. Feuerwehrangehörige blenden diese Quelle der Erfahrung aus â âes ist ja nichts Schlimmes passiert!â Ein Blick in die Auflistung der (bekannten) AtemschutzunfĂ€lle in Europa auf atemschutzunfaelle.eu zeigt, dass UnfĂ€lle unter Atemschutz hĂ€ufiger vorkommen[1], als dies so mancher in der Feuerwehr realisiert hat.
Obwohl Feuerwehrangehörige die Themen Atemschutznotfall, (erweiterter) Sicherheitstrupp und Atemschutznotfallstaffeln als wichtigen Punkt sehen, existiert wenig Fachliteratur[2]. Mit dem Buch âAtemschutznotfallstaffelâ aus der Reihe âFachwissen Feuerwehrâ widmen sich die Autoren Christian Buchold und Frank Naujoks explizit dem Aufstellen von Sondereinheiten zur aktiven Rettung von verunglĂŒckten AtemschutzgerĂ€tetrĂ€gern oder der prĂ€ventiven Sicherheit an der Einsatzstelle. Damit schlieĂen die beiden eine LĂŒcke (âoffensichtlichen Bedarfâ, S. 5) in der Literatur.[3]
Als einheitlichen Begriff schlagen die Autoren ANS â Atemschutznotfallstaffel â vor.[4] Weshalb im Buchtitel zusĂ€tzlich das durch die Berliner Feuerwehr geprĂ€gte KĂŒrzel ANTS[5] auftaucht, sei dahin gestellt.
âANS brauchen wir nichtâ
Wo beginnt das Planen fĂŒr einen Fall, der hoffentlich nie eintritt? Konsequent argumentieren die Autoren, dass sich Bedarf, StĂ€rke und AusrĂŒstung einer ANS aus der GefĂ€hrdungsanalyse im Brandschutzbedarfsplan ableiten lassen und damit die ANS bzw. das Atemschutzkonzept in GĂ€nze einen Teil desselben darstellt. Das Feststellen der praktischen LeistungsfĂ€higkeit der eigenen Sicherheitstrupps ist als KenngröĂe fĂŒr die Planung zu ermitteln. Die ANS ersetzt nicht den Sicherheitstrupp, das betont das Autorengespann. Die ANS ist eine ErgĂ€nzung des Sicherheitstrupps, die als operative Spezialeinheit interpretierbar ist â analog zum ABC-Zug. Diese Sichtweise begrĂŒnden die Autoren mit dem hohen MaĂ an Planung und der einheitlichen Ausbildung, spezieller technischer AusrĂŒstung und Taktik sowie dem (eingeschrĂ€nkten) Personalpool.
Christian Buchold und Frank Naujoks legen eine Reihe von stichhaltigen Aspekten fĂŒr die Einrichtung einer â gleichermaĂen regional bzw. interkommunal vorstellbaren â ANS dar und argumentieren gegen die Behauptung, dass eine ANS vor Ort nicht erforderlich sei. Horrorbeispiele fĂŒhren die beiden nicht an, sondern argumentieren sachlich auf Basis örtlicher Gegebenheiten und fĂŒhren Bausubstanz, reale GebĂ€udebedingungen und LeistungsfĂ€higkeit in ihrer BegrĂŒndung an.
ANS und SiTr gehören zusammen
Die Autoren legen Planungsgrundlagen dar, diskutieren die Systemvariante (Sondereinheit, modulare Einheit, Rendezvoussystem) anhand realer Beispiele, zeigen Vor- und Nachteile, die hauptsÀchlich in den Bereichen qualifiziertes Personal und Ausbildungsaufwand liegen. Wichtig ist, die ANS zwar zu professionalisieren, zugleich ein gesundes VerhÀltnis zum regulÀren Sicherheitstrupp und dem Atemschutzkonzept zu bewahren. Das Bearbeiten eines Atemschutznotfalls ist keine reine Spezialaufgabe, sondern Teil der Ausbildung der AtemschutzgerÀtetrÀger, die diese FÀhigkeiten ansonsten verlieren.
Zu definieren ist neben der StĂ€rke (vier oder fĂŒnf Angehörige), die Art des Unterstellens an einer Einsatzstelle sowie welches Fahrzeug fĂŒr die ANS bereitzustellen ist. Das Definieren der AusrĂŒstung erfolgt anhand eines Praxistests bei gleichzeitigem Nutzen von Synergien mit bestehender AusrĂŒstung. âBei der AusrĂŒstung einer ANS muss sich die Technik nach der Taktik richtenâ (S. 45). Die Autoren diskutieren unter Hinweise von Vor- und Nachteilen bestimmte AusrĂŒstungsgegenstĂ€nde. Ferner geben sie Hinweise zum Erstellen eines Ausbildungsrahmenplans.
Hohe Anforderungen an Personal
WĂ€hrend die Technik einen lösbaren Gegenstand darstellt, ist die Suche nach geeignetem Personal in einer freiwilligen Feuerwehr anspruchsvoll. Objektive Mindestqualifikationen gilt es durch die FĂŒhrung zu definieren, die den Fitnesszustand und hohe Stresstoleranz einschlieĂen. Die erforderlichen hohen körperlichen und mentalen Voraussetzungen sowie der Zeitansatz fĂŒr das gemeinsame Ăben schmelzen das Personalreservoir einer Feuerwehr zusammen. Die Autoren schlagen hier als Lösung fĂŒr freiwillige Feuerwehren ein interkommunales Konzept vor. Andere Konzepte erwĂ€hnen die Autoren nicht.
Die Publikation beinhaltet eine Menge Aspekte und VorschlĂ€ge, wie der Hinweis, dass die StĂ€rke des Sicherheitstrupps Teil der Lagebeurteilung ist und dessen Potenzial, wie die Lage selbst, immer wieder zu hinterfragen ist. Bisher geschieht dies initial. FĂŒr die ANS beginnt die Lageeinweisung auf der Anfahrt, fĂŒr den Einsatzleiter bedeutet dies Redundanzen und AblösekrĂ€fte zu planen. In der Literatur ist das Thema BasismaĂnahmen der Ersten Hilfe fĂŒr das therapiefreie Intervall angedeutet erwĂ€hnt, die Autoren fordern diese MaĂnahmen als FĂ€higkeit fĂŒr die ANS ein. In einem kurzen Ăberblick legen die Autoren die zu erwartenden Verletzungsmuster und die zu ergreifenden MaĂnahmen dar.
Hilfestellung fĂŒr die FĂŒhrung
Das Buch legt kurz und knapp Argumente fĂŒr den Aufbau sowie die notwendige Ausstattung und AusrĂŒstung einer ANS dar, verortet gleichzeitig die Notwendigkeit der ANS im Brandschutzbedarfsplan. Die Zielgruppe ist im Bereich der Einsatzplanung (FĂŒhrung, Beschaffung, Ausbildung) zu sehen. Im Gegensatz zu anderen Publikationen steht nicht die Art des Rettens, spezielle Taktiken und die Inhalte der Ausbildung im Vordergrund, sondern die Grundlagen: Planen, Aufbau, Vorgehen beim Aufstellen und der Wissensrahmen. Zwar geben die Autoren an einigen Stellen taktische VorschlĂ€ge, die sich an der Grenze von Einsatzplanung und Einsatz bewegen, und die sich hinterfragen lassen, es bleiben Empfehlungen. Die StĂ€rke des Buchs liegt darin, aufzuzeigen, welche Aspekte fĂŒr die Einsatz- und Ausbildungsplanung zentral sind, wenn feststeht, eine entsprechende Einheit zu grĂŒnden. Das Buch bietet eine solide Hilfestellung mit wichtigen Basisfakten.
Bibliografische Daten
Christian Buchold / Frank Naujoks: Atemschutznotfallstaffel. Vom Sicherheitstrupp zur ANS/ANTS – EinsatzgrundsĂ€tze – Aufgabenstellung – Bedarfsplanung – Installation einer ANS – AusrĂŒstung und GerĂ€t – Ausbildung – Einsatz. Aus der Reihe: Fachwissen Feuerwehr. Landsberg am Lech: ecomed Sicherheit 2018. 104 Seiten; Softcover; ISBN 978-3-609-69362-0; 14,8 x 19,0 cm; EUR 12,99.-
Links im Feuerwehr Weblog
- âInnenangriff sicher und effizient. Rezension von BrandbekĂ€mpfung im Innenangriffâ aus der Reihe âStandard-Einsatz-Regelnâ
- âFeuer und Rauch lesen lernen. Buchbesprechung von BrandbekĂ€mpfung im Innenangriffâ aus der Reihe âEinsatzpraxisâ
- âEinsatz nur unter Randbedingungen. Besprechung des Buchs WĂ€rmebildkameraâ aus der Reihe Fachwissen Feuerwehr
- âAtemschutz-Notfallmanagementâ aus der Reihe âEinsatzpraxisâ
- âUnfallverhĂŒtung im Atemschutzeinsatzâ aus der Reihe âDie Roten Hefteâ
- âAtemschutztraining â realitĂ€tsnah und sicherâ
- âStichpunkte fĂŒr die Hosentascheâ Buchbesprechung von Frank Gerhards und Guido Volkmars âQuickcheck Atemschutz-Notfallmanagementâ
- âAlternative Möglichkeit der Selbstrettung. Rezension von Anleiterbereitschaftâ aus der Reihe âDie Roten Hefteâ
- âWer die WĂ€rme liebt, muss den Rauch dulden. Ăbungsbeispiele und âideen fĂŒr die Ausbildung an und mit der WĂ€rmebildkameraâ
- âBerliner Task Force: Vier ist besser als zwei. Das Atemschutznotfall-Management der Berliner Feuerwehr.â
Externe Links
[1] https://www.atemschutzunfaelle.de/unfaelle/eu/
[2] Cimolino, Ulrich; Aschenbrenner, Dirk; Lembeck, Thomas; Pannier, Christian; SĂŒdmersen, Jan: Atemschutz inkl. Forderungen nach FwDV 7 (2002). Aus der Reihe Einsatzpraxis. 5. Auflage, Landsberg am Lech: Ecomed Sicherheit 2011. Cimolino, Ulrich; Adrian Ridder; Björn LĂŒssenheide; Christian Reeker, Jan SĂŒdmersen: Atemschutz-Notfallmanagement: Organisation, Ausbildung und AusrĂŒstung fĂŒr Sicherheitstrupps und Schnelleinsatzteams. Hrsg. v. Ulrich Cimolino. Verlag Ecomed Sicherheit: Heidelberg 2010. Lothar KloĂ: Notfall und Rettung, 1. Aufl., Berlin: huss 2006. Christian Spielvogel, Markus RĂŒsenberg: Die Roten Hefte – Ausbildung kompakt (Band 210): Notfalltraining fĂŒr AtemschutzgerĂ€tetrĂ€ger, 3. ĂŒberarbeitete und erweiterte Auflage, 2009.
[3] Eine frĂŒhe Beschreibung war das SET ⊠suchen, wie wo wann -> BRANDschutz-Artikel????? Cimolino/Ridder 2010
[4] Es gibt neben ANS und ANTS eine Reihe weiterer Bezeichnungen fĂŒr die gleiche Einheit: SET (Schnell-Einsatz-Team), SETA (Sofort-Einsatz-Teams-Atemschutz)
[5] ANTS steht fĂŒr Atemschutz-Notfall-Trainierte-Staffel, Vgl. auch Stefan Cimander: Berliner Task Force: Vier ist besser als zwei. Das Atemschutznotfall-Management der Berliner Feuerwehr. https://www.fwnetz.de/2011/06/10/berliner-task-force-vier-ist-besser-als-zwei/