Ein Kolumne zum Thema Warnung

„Was bedeutet dieser Heulton?“,  fragte Mitte Oktober, also vor wenigen Tagen, ein Bewohner Ludwigshafens in den sozialen Medien, nachdem in der pfĂ€lzischen Industriestadt infolge einer Explosion auf dem GelĂ€nde eines Chemiewerkes Sirenensignale zu hören waren. Als Angehörige von Behörden mit Ordnungs- und Sicherungsfunktionen antworten wir im Reflex, „ist doch klar, das bedeutet dies und das“. Von sich selbst auf andere zu schließen ist in diesem Kontext etwas ambivalent, denn zum einen reden wir aus einer Expertenperspektive, zum anderen hat sich das gesellschaftliche Umfeld im Vergleich zu den Jahrzehnten davor verĂ€ndert. UnlĂ€ngst stellte sogar eine Untersuchung des Bundesamtes fĂŒr Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe fest, dass die Bedeutung der Sirenensignale weitgehend unbekannt ist und man im Fall der FĂ€lle auf sein Smartphone bzw. die Warnung durch die Nachbarn vertraut.

UnverzĂŒglich beschwerten sich im oben genannten Fall die Anwohner der benachbarten Gemeinden ĂŒber mangelnde Informationen und fehlender Warnung seitens der Behörden. Ohne darauf weiter eingehen zu wollen, bleibt festzustellen, dass sich die Feuerwehren dem Vorwurf ungenĂŒgender Information mittlerweile permanent ausgesetzt sehen – bis hin zur Vorhaltung, da solle etwas vertuscht werden.

Seit dem Ende der Zeit der antagonistischen MachtsphĂ€ren geschah gesellschaftlich zweierlei. Die Allgegenwart der Gefahr eines globalen Krieges und der damit verbundenen AufklĂ€rung der Bevölkerung zerstob, damit gab es auch keinen Anlass mehr, ein zentral gesteuertes Warnsystem zu betreiben und ĂŒber die Bedeutung der verschiedenen Sirenensignale aufzuklĂ€ren. Wer erinnert sich noch an den „ABC-Alarm“ und den „Luftalarm“? Eben! Ich selbst erinnere mich noch, auch wenn ich beim „Fall des Eisernen Vorhangs“ erst zehn Jahre alt war, dass es zu meiner Schulzeit noch AushĂ€nge in öffentlichen GebĂ€uden ĂŒber die Bedeutung der Sirenensignale gab – inklusive Behandlung des Themas im Unterricht. Und nun? Es heult und heult, und jeder fragt sich, was soll der LĂ€rm?

Hier kommt eine zweite Entwicklung ins Spiel, nĂ€mlich eine Art naive DienstleistungsmentalitĂ€t, die sich im Verhalten der Menschen manifestiert hat. Obwohl uns immer mehr Informationen ĂŒber verschiedenste MedienkanĂ€le zur VerfĂŒgung stehen, verlangen wir von den Behörden, dem Staat, dass er uns gefĂ€lligst zu informieren hat, wenn es zu einem UnglĂŒck gekommen ist – und das vollumfĂ€nglich und unverzĂŒglich. Die Warnung soll uns sofort erreichen und als solche erkennbar sein. Schließlich gibt es ja schon Videos und Fotos in den sozialen Medien. Finde den Fehler, sage ich dazu nur.

Zum Konzept der Warnung gehören zwei Seiten, die eine stellt Informationen bereit, die andere weiß wo und wie diese Informationen zu bewerten sind. WĂ€hrend die Bringschuld der Behörden als gegeben betrachtet werden kann, sieht es mit der Holschuld der Bevölkerung anders aus, denn diese verlangt Eigeninitiative, die Bereitschaft sich mit dem Thema der Warnung auseinanderzusetzen und vor allem entsprechende Angebote anzunehmen. Das heißt, zu wissen, was bei Ertönen eines Sirenensignals zu tun ist; sich ggf. entsprechende Apps auf seinem Smartphone einzurichten; oder proaktiv Radio und FernsehgerĂ€t einschalten.

Trotz aller Möglichkeiten sieht die Bevölkerung hilfloser denn je aus. Je grĂ¶ĂŸer der Fortschritt, desto unselbststĂ€ndiger erscheint mir die Gesellschaft? Gepaart mit der MentalitĂ€t, dass mich andere gefĂ€lligst zu warnen haben, irgendjemand wird schon da sein, um das zu ĂŒbernehmen, schließlich ist in Deutschland alles organisiert.

Trotz aller Tragik ist das eingangs erwĂ€hnte UnglĂŒck vielleicht ein Weckruf, sich auf lokaler Ebene mit den Informationsangeboten zur Warnung auseinanderzusetzen. Welche Informationsseiten gibt es im Internet? Hat meine Gemeinde ein funktionierendes Sirenennetz? Welche Signale muss ich beachten? Nutzt meine Gemeinde internetbasierte Warndienste, die sich auf dem Smartphone installieren lassen? Und hier sind auch die lokalen Massenmedien gefordert, statt zu skandalisieren („zu spĂ€t gewarnt“), wieder vermehrt zu informieren („wie wird gewarnt“). Warnung lĂ€sst sich durchaus im grĂ¶ĂŸeren Kontext der Vorsorge („FĂŒr den Notfall vorgesorgt“) betrachten, aber darĂŒber sollte sich jeder selbst informieren, schließlich bin ich keine Sirene.

Ich habe es mir zur Aufgabe gemacht, jeden ersten Dienstag im Monat eine Kolumne im Feuerwehr Weblog zu veröffentlichen. Begonnen habe ich dies mit dem Beitrag „Abwechslung. Anstrengung. Alles andere als ein Hobby“ am 6. September. Am 4. Oktober erschien dann „Ein Feuer verbreitet sich in der Wehr„. Gerne dĂŒrfen auch unsere Leser ein Thema aufgreifen und uns den Text zusenden, gleichzeitig versuche ich (namhafte) Feuerwehrangehörige oder der Feuerwehr nahe stehenden Personen hierfĂŒr zu gewinnen. Da wir ein privates, nicht-kommerzielles Medium sind, bleiben als Belohnung nur der Ruhm, die Anerkennung und die Meinungsfreiheit. Überlegt es euch.

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