Rezension von de Vries‘ Einsatz von Sonderrohren

Cover Buch Sonderrohr

Schon im Vorwort holt Holger de Vries zum Rundschlag aus, gut, abgeschwächt formuliert, hält er der deutschen Feuerwehrwelt den Spiegel vor und kritisiert einerseits die Feuerwehrangehörigen mit ihrem Wunsch, uncoole Technik lieber heute als morgen durch etwas Moderneres zu ersetzen, als auch Ausbildungseinrichtungen, die falsche Prioritäten setzen und Lehrmeinungen ungeprüft – und ungemessen – übernehmen.

Das Buch „Einsatz von Sonderrohren“ bezieht sich weniger auf den Einsatz des Sonderrohrs B, sondern betrachtet alle Löschgeräte, die nicht zu den täglichen Löschmittelabgabvorrichtungen gehören. Hierzu gliedert Holger de Vries das Buch in die Kapitel „LAV Schaum“, „Wasserwerfer, Monitore und Drehleiter-Wenderohre“, „Sonstige Sonderrohre“ und „LAV für Pulverlöschanlagen“.

„Erfahrung auf … kalten Übungsplätzen erworben“[1]

Inhaltlich nimmt das Thema Schaum den größten Umfang ein, da der Schaumeinsatz bei der freiwilligen Feuerwehr eher selten Anwendung findet. Hierzu betrachtet de Vries alle an der Schaumerzeugung beteiligten Geräte. De Vries legt technische und hydraulische Hintergründe und Funktionsweisen in Wort und Bild dar. Zugleich identifiziert er anhand von Einsatzbeispielen die Gründe für mangelnde Schaumerzeugung bzw. mangelnde Qualität des Schaumes in der Praxis. Deshalb redefiniert er einige bisher gelebte und gelehrte einsatztaktische Grundsätze, deren Zustandekommen er sich nur mit mangelnder Praxiserfahrung zu erklären vermag.

 „Verwechseln Sie Brandbekämpfung nicht mit Fassadenwäsche.“[2]

Den Vor- und Nachteilen, Einsatzgrenzen und Einsatzgrundsätze von Monitoren und Wenderohren widmet er sich in einem eigenen Kapitel. An dieser Stelle klärt er über Missverständnisse und falsche Lehrmeinungen auf. Alle Geräte bei der Feuerwehr haben ihre Daseinsberechtigung, wenn diese korrekt und für die richtige Lage Einsatz finden. Eher schlecht wegkommen an dieser Stelle Hydroschilde, die Wasser, Fahrzeuge und Personal binden, denn der „beste Nachbarschaftsschutz ist natürlich die Bekämpfung des Primärbrandes“[3]. Wenn Abschirmung notwendig, dann bitte konvektive, das zeige zudem die Literatur.

„Dächer dafür gebaut, Wasser abzuweisen“[4]

Die Wirkung des Wenderohr-/Monitoreinsatzes stellt er in Relation zum Nutzen und betont, dass der Innenangriff nach wie vor das Mittel der Wahl ist, die Feuerwehr dabei einen qualifizierten Außenangriff nicht ausschließen darf. Überhaupt kümmere sich die Feuerwehr zu sehr um filigrane Technik und technische Gimmicks, statt dem Feuer zu sagen, dass man da ist.

Von Löschrevolutionen, Hypes und Allheilmitteln

In seinen historischen Rückblicken zeigt de Vries, dass es die Fraktion, die alles Neue toll fand und als Wundermittel mit Revolutionscharakter sah, schon in den 1960er Jahren gab. Damals wie heute „hyped“ die Feuerwehr neue Löschtechniken und –methoden „“ und erklärt diese unreflektiert zum „Wundermittel“, ohne genau zu wissen, was das Gerät macht und wofür es spezifisch geeignet ist.

Die eine Löschmethoden, das eine Löschgerät mit allen Vorteilen gibt es schlicht nicht. Die richtige Handhabung des Strahlrohrs habe immer noch den größeren Löscheffekt!

Mit dem Sonderrohr gegen das Dogma

De Vries schreibt direkt und redet nicht um den heißen Brei herum. De Vries behauptet nicht, er misst nach und widerlegt! Er belegt seine Behauptungen mit stichhaltigen Untersuchungen und hinterfragt dabei bestehende Dogmen und spart nicht mit Kritik an diesen.

Stellenweise liest sich das Buch wie eine Fundamentalkritik gegen alles das, was im deutschen Feuerwehrwesen aus wissenschaftlicher und erfahrungspraktischer Sicht falsch läuft.[5] Obwohl auf der sachlich-faktischen Ebene gegen diese Entwicklungen anschreibend, scheint der Autor in gewisser Hinsicht an der Feuerwehrrealität zu verzweifeln. Anders ist so mancher „spitzer“ Kommentar nicht zu erklären. Allerdings ist es immer wieder genüsslich zu lesen, wie de Vries Dinge zerpflückt und dabei gleichzeitig erklärt. Vieles was er schreibt, möchte der Leser sofort Ausdrucken und ans Schwarze Brett hängen.

Kritik versus Fachinformation

Einige Abschnitte erscheinen stark verkürzt, z. B. der Abschnitt über Leichtschaum, der überwiegend historisches reflektiert. Der Leser erwartet an dieser Stelle ein wenig mehr Einsatztaktik und Hintergrund. Ebenfalls ist der Abschnitt über Fognail kurz geraten. Dagegen widmet sich de Vries (und andere Autoren) in anderen Büchern dieser Reihe ausführlicher zu den genannten Themen.[6] Vielleicht wären statt Kommentar und Kritik, mehr Fachinformationen an so mancher Stelle besser gewesen.

Freilich kritisiert de Vries zu Recht, dass die Feuerwehren grundlegende Techniken dem modernen Hype opfern und sich dann über die Ergebnisse wundern – faktisch wie menschlich. Sein Buch lässt sich in gewisser Hinsicht als Plädoyer für die intensive Beschäftigung mit den Grundlagen verstehen, bevor die Feuerwehr die Wundermittel aus dem Fahrzeug holt.

Quelle für Beschaffungsinformationen

Dennoch ist das Buch neben dem Anwender ebenso für den Beschaffenden geeignet. De Vries beschreibt Lösungen verschiedener Firmen und beschrieben Funktionsweise und Einsatzzweck. Für die Feuerwehr sind das nicht unwichtige Informationen. De Vries führt umfangreiche Literatur an und belegt damit seine Erkenntnisse. Diese Literaturübersicht gilt gleichzeitig zur Vertiefung des Geschriebenen.

Bibliografische Daten

Holger de Vries: Einsatz von Sonderrohren. Ausbildung und Praxis. Aus der Reihe: Fachwissen Feuerwehr. Landsberg am Lech: ecomed SICHERHEIT 2018. 103 Seiten: Illustrationen; 19 cm, 148 g; ISBN 978-3-609-69401-6; Broschur: EUR 12.99 (DE), EUR 13.40 (AT).

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Endnoten

[1] S. 16

[2] S. 58

[3] S. 82

[4] S. 59

[5] Vgl. hierzu dann insbesondere den Abschnitt auf S. 64f.

[6] U.a. Holger de Vries: Einsatz von Schaummitteln. Grundlagen – Applikationsraten – Raumflutung – Schaummittelbedarf – Umweltschutz – Fluorproblematik – Transport und Umschlag – Schaummittelförderung. Aus der Reihe Fachwissen Feuerwehr. Landsberg am Lech: ecomed Sicherheit 2017. 100 Seiten; Softcover; ISBN 978-3-609-69628-7; 14,8 x 19,0 cm; EUR 12.99.-