Eine Kolumne von Stefan Cimander

Sich in der Freiwilligen Feuerwehr zu engagieren, ist mit einem Marathonlauf vergleichbar. Ich schreibe das nicht nur, weil ich selbst zum ersten Mal die 42k hinter mich brachte und nun übereifrig eine Verknüpfung zwischen den beiden Herausforderungen Marathon und Freiwillige Feuerwehr suche, nein, zwischen beiden bestehen verschiedene Berührungspunkte und ähnliche Motivationsgründe.

Beides zu bewältigen, den Lauf wie das Engagement in der Feuerwehr, ist ausschließlich mit ordentlichem und intensivem Vorbereiten möglich. Ohne Grundlehrgang geht in der Feuerwehr niemand in den Einsatz. Das wäre lebensgefährlich für alle. Regelmäßiges Fortbilden erhält die Fähigkeiten, vertieft und vermittelt neues Wissen, um die Angehörigen optimal vorzubereiten. Sicher ist Läufer wie Feuerwehrangehöriger erst nach Jahren.

Genauso gefährlich ist es, ohne Training den Marathon laufen zu wollen. Einfach bloß laufen zu können, reicht nicht aus. Jahrelanges Training, zumindest regelmäßiges Laufen, ist zwingend erforderlich.

Planlos gehen weder die Feuerwehr noch der Läufer vor. Zumindest im Ansatz gibt ein Trainingsplan vor, welches Thema Aspekt der Ausbildung bzw. des Trainings ist (den Begriff Übungs-/Probeplan nutze ich im Kontext Feuerwehr bewusst nicht). Allerdings ist das Erstellen für beide, den Läufer wie den Dienstplangestalter, mit Hürden verbunden. Termine kollidieren, bestimmte Einheiten ergeben allein aufbauend auf anderen Sinn und die jahreszeitbedingten Witterungsverhältnisse gilt es, einzukalkulieren. Das Planen und Organisieren gehören zum Einmaleins beider Beschäftigungen.

Ziel des Trainings ist das Besserwerden und das Sicherwerden. So wie Ausdauersport der beste Schutz vor Krankheiten ist, so ist regelmäßiges Feuerwehrtraining der beste Schutz vor Fehlern. Nur das Wiederholen macht stärker bzw. sicherer. Nur das Training an oder über der Leistungsgrenze gibt einem das Gefühl bestehen zu können.

Feuerwehr und Marathon belasten extrem, körperlich wie psychisch. Die Art der Belastung mag sich unterscheiden, der Weg mit der Belastung umzugehen, ist fast die gleiche. Und das hängt mit der Intensivität und der Regelmäßigkeit des Trainings zusammen. Kondition und Konditionierung – Drill –, sorgen dafür, dass Handlungsabläufe automatisch ablaufen, ohne groß nachzudenken. Zum Training gehören das Erholen und die Ruhe. Nicht jeden Tag die Turnschuhe an und ab, und nicht in jeder freien Minuten einen Einsatz- oder Untersuchungsbericht lesen. Sich Ablenken und anderes zu tun, stärkt und fokussiert.

Physische Stärke ist nicht alles, weder im Sport noch in der Feuerwehr. Wichtiger als die reine Kraft ist die psychische Stärke. Ruhig, konzentriert und mit dem Willen etwas zu bezwingen an den Start zu gehen, egal ob Marathon oder der Zimmerbrand, ist die Formel für den Erfolg. „Wille ist ein Muskel, der trainiert werden will“, sagte die amerikanische Langstreckenläuferin Lynn Jennings einmal.

Allerdings existiert noch eine andere Seite: Schmerzen, physisch wie psychisch. Schmerz ist ein Warnsignal des Körpers, auf das Läufer wie Feuerwehrangehöriger hören sollten. Während der physische Schmerz vergleichbar ist, unterscheidet sich die psychische Komponente deutlich. Der Läufer bewegt sich beim Marathon zugleich an seiner psychischen Grenze und unweigerlich fragt sich jeder wenige Kilometer vor dem Ziel, warum man sich das antut. Gefährlich wird es, wenn der Läufer sich von den negativen Gedanken runterziehen lässt. Das kann zu körperlichen Reaktionen führen. Anders bei der Feuerwehr. Manchmal konfrontieren Bilder, die sich ins Gedächtnis brannten, den Helfer und zeitigen körperliche Folgen, weil sie einen nicht mehr loslassen. Beides Anzugehen ist eine Frage der Prävention. Während einige Läufer auf Ego und neurolinguistische Programmierung schwören, stellt sich das Trainieren der Psyche bei der Feuerwehr als ziemlich vertrackt heraus. Die Mechanismen der Psyche sind kompliziert und bisher findet jeder seinen eigenen Weg, damit umzugehen. Lange Regenerationszeiten sind bei beiden Tätigkeiten nicht unmöglich.

Bleiben wir bei der Psyche und fragen uns, warum Mann oder Frau sich das antut? Nachts um drei Uhr bei einem Grad Celsius und Schneefall raus aus dem warmen Bett; 42 Kilometer bei peitschendem Wind und Regen – was zur Hölle tun wir uns da an? Was motiviert uns dazu, etwas zu tun, was einen Großteil der Bevölkerung kalt lässt?

Die Motivationsgründe sind unterschiedlich. Da ist auf der einen Seite der Wunsch helfen zu wollen und das Gefühl, Gutes getan zu haben, während es auf der anderen Seite um das Überwinden der eigenen Grenzen geht. Die Feuerwehrmotivation ist auf die Gesellschaft ausgerichtet, während die Laufmotivation auf den Läufer selbst zielt. Wobei der einzelne Angehörige sicherlich nach dem Überwinden von Grenzen, dem Annehmen von Herausforderungen und dem Adrenalinkick strebt. Gerade Letzteres macht abhängig, denn Adrenalin ist ein Opiat. Das mag ein Grund sein, weshalb Läufer und FA(SB) nie aufhören, weder mit dem Sport noch mit dem Fahren von Einsätzen.

Am Ende steht immer das Gefühl, es geschafft zu haben, weil beide an sich glauben. Dazu ist einem der Respekt von Teilen der Gesellschaft sicher: Sich mutig den Elementen entgegengestellt und andere geschützt und gerettet oder eben sich selbst bezwungen zu haben.

Marathon und Freiwillige Feuerwehr – bei beiden beißen wir uns durch, bezwingen Widerstände und gehen an die Grenzen. Das Denken ans Aufhören erscheint normal. Der Marathon ist nach 42 Kilometern zu Ende, es folgen Duschen, Anziehen und die Fahrt nach Hause. Bei der Feuerwehr ist das zwar genauso, allerdings ist nach dem Dienst vor dem Dienst und nach dem Einsatz vor dem Einsatz. Ein definiertes Ende existiert nur mit dem Erreichen der Altersgrenze oder durch den Antrag auf Entlassung. Beim Laufen kann ich jederzeit aussteigen, stellt sich bloß die Frage, ob der bewegte Sporttreibende das will. Denn hier gilt ebenfalls: Nach dem Lauf ist vor dem Lauf. Es tut weh. Durchbeißen. Leiden. Einfach Aufhören ist nicht. Geht nicht.