Wegrecht

Unser Leben fĂŒr Ihre Sicherheit?

Eine Kolumne von Dr. Ulrich Cimolino

Verunfalltes Feuerwehrfahrzeug. Bild: feuerwehr-weblog.de/sc

Verunfalltes Feuerwehrfahrzeug. Bild: feuerwehr-weblog.de/sc

In den letzen Monaten gab es leider wieder einige schwere UnfĂ€lle von alarmierten Kollegen der FF auf dem Weg zum GerĂ€tehaus, von Einsatzfahrzeugen auf dem Weg zur Einsatzstelle und einige mich sehr nachdenklich machende Wortgefechte sowohl auf Tagungen, wie auch im Internet (zunehmend hitziger auch mit „Nicht-Feuerwehrangehörigen“ in den Social Medias).

Alleine die Diskussionen um Sonder- bzw. Wegerecht nach §§ 35 und 38 StVO fĂŒllen in den einschlĂ€gigen Foren oder Social Medias BĂ€nde und wiederholen sich spĂ€testens im Drei-Monatsrhythmus. Neben der leidigen Sonderrechtsdiskussion gibt es nur noch wenige Themen, die ein derartiges Echo erzeugen: Nachdem beinahe jeder fast jedes Fahrzeug kaufen kann, weil es immer weniger EinschrĂ€nkungen gibt, bleiben Umbenennungen von Dienstgradbezeichnungen im Zuge der Reform einer Laufbahnverordnung der FF, oder die Spekulation mit wieviel Liter Wasser im Innenangriff mindestens vorgegangen werden muss.

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Lernpsychologie und zu schnelles Fahren

Eigentlich wollte ich mich zu dem Thema („Offenburger Feuerwehrmann wird auf Weg zu Einsatz geblitzt – und muss Strafe zahlen“) nicht Ă€ußern, denn das wird ohnehin gerade totdiskutiert und mit Sachlichkeit kommt man in dieser emotionalen Kakofonie ohnehin nicht weit. Allerdings bin ich in den FUKnews 1/2016 (Link) – unabhĂ€ngig von obiger Sache – auf einen Leitbeitrag („Sicherer Übungs- und Schulungsdienst“, S. 4-5) gestoßen, dessen Implikationen man durchaus in die genannte Diskussion einstreuen sollte. Es geht im Grunde um Gefahrenwahrnehmung. Eine Studie fand heraus, dass der Großteil der UnfĂ€lle bei jenen TĂ€tigkeiten passiert, dessen Gefahren zuvor subjektiv unterschĂ€tzt wurden. Dies erklĂ€rt sich daraus, dass unsere GefahreneinschĂ€tzung durch Erfahrungen und LernvorgĂ€nge und deren Konsequenzen geprĂ€gt wird.

„Wenn etwas Positives passiert, wir also z. B. fĂŒr eine Arbeit gelobt werden, ist es wahrscheinlich, dass wir das Verhalten wieder zeigen, und wenn etwas Negatives passiert, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass wir das Verhalten nicht mehr zeigen. Dies scheint klar zu sein. Was aber passiert, wenn wir etwas Positives nicht bekommen, obwohl wir es erwartet haben oder etwas Negatives nicht bekommen, obwohl wir damit hĂ€tten rechnen mĂŒssen? Im ersten Fall sinkt die Wahrscheinlichkeit fĂŒr unser Verhalten: Wir haben uns z. B. fĂŒr eine Arbeit angestrengt und erwarten ein Lob hierfĂŒr – es bleibt aber aus. Wir werden uns beim nĂ€chsten Mal eher nicht mehr so sehr anstrengen. Im zweiten Fall steigt die Wahrscheinlichkeit fĂŒr unser Verhalten:  Wir haben gegen eine Sicherheitsregel verstoßen – sind z. B. zu schnell gefahren oder haben ohne PSA (Persönliche SchutzausrĂŒstung) gearbeitet. Eigentlich hĂ€tten wir hierfĂŒr eine Strafe erhalten mĂŒssen – sie bleibt aber aus. Wir werden beim nĂ€chsten Mal eher wieder zu schnell fahren oder ohne PSA arbeiten. Wir verstoßen gegen eine Sicherheitsregel, es passiert aber nichts Negatives, sondern unser Verhalten ist erfolgreich. Dies „verstĂ€rkt“ unser Verhalten, so dass wir es beim nĂ€chsten Mal genauso handhaben und beim ĂŒbernĂ€chsten Mal und beim ĂŒberĂŒbernĂ€chsten Mal usw. Letzten Endes fĂŒhrt dies dazu, dass wir die Situation bzw. TĂ€tigkeit fĂŒr ungefĂ€hrlich halten, und wir beginnen, uns weniger zu schĂŒtzen und der TĂ€tigkeit weniger Aufmerksamkeit zuzuwenden.“ („Sicherer Übungs- und Schulungsdienst“ in FUKnews 1/2016,  S. 4-5)

Aber genau das ist doch die Sache im Fall des geblitzten Feuerwehrangehörigen: Straße gerade, augenscheinlich ĂŒbersichtlich, in der Vergangenheit nix passiert; Also schnell fahren und in falscher Sicherheit wiegen. Routine eben. Es geht aber nicht nur darum, schnell am Feuerwehrhaus zu sein. Es geht darum sicher zu fahren, selbst unverletzt zu bleiben und keine Gefahr fĂŒr andere darzustellen. Einfach mal ĂŒber die lernpsychologischen ZusammenhĂ€nge nachdenken. Ich schĂ€tze mal, dass jeder von uns in dieser „Routinenfalle“ gefangen ist.