Magirus Kraftfahrleiter 26 mit Erstzulassung vom 03.07.1942 auf Chassis von Klöckner – Humboldt – Deutz AG. Im Einsatz bei der Feuerschutzpolizei NeumĂŒnster. Bild: An-d/Wikipedia Commons, CC3.0.

Die Vereinheitlichung der Feuerwehr und ihrer Fahrzeuge

Die Fahrzeuge der Feuerwehr sind rot, aus dem Fahrzeug steigen neun Helfer aus und die AusrĂŒstung ist aufeinander abgestimmt. Fahrzeuge passen (weitgehend) zueinander, unabhĂ€ngig, aus welcher Stadt sie kommen. Das meinen wir, wenn wir von der Feuerwehr sprechen. Die Fahrzeuge der Feuerwehren (und auch die Feuerwehr selbst) waren nicht per se einheitlich, so wie sie sich in der Gegenwart zeigen. Form, Farbe und Funktion unterschieden sich bis weit in die 1940er-Jahre. Die technische und taktische PrĂ€gung sowie die Vereinheitlichung der Feuerwehr in Deutschland fand im Wesentlichen zur Zeit des Nationalsozialismus statt. Äußerlich unmissverstĂ€ndlich sichtbares und symbolisches Zeichen der Einheitlichkeit war die tannengrĂŒne Farbe der in Feuerschutzpolizei umbenannten Feuerwehr.

Aber weshalb zeigen sich die Fahrzeuge der Feuerwehr so, wie wir sie heute kennen? Warum arbeiten die der Feuerwehrleute so und nicht anders? Wer bestimmte, dass dieser und kein anderer Pfad der Entwicklung eingeschlagen wurde? Aber der Reihe nach 


Beginn der Normung

Regte Branddirektor Maximilian Reichel[i] schon 1911 eine Normierung bestimmter GerĂ€te an,[ii] erfolgte die Durchsetzung der Normen erst in der Zeit des Nationalsozialismus. Dabei waren die Nationalsozialisten keineswegs die Erfinder der Feuerwehrnormen. Bereits 1920 grĂŒndete sich der „Fachausschuß fĂŒr die Normung der FeuerwehrgerĂ€te“ (FEN), der sich gleich dem Normenausschuss der Deutschen Industrie (NDI) anschloss. FĂŒnf Jahre spĂ€ter erschienen die ersten NormblĂ€tter fĂŒr Handdruckspritzen, Drehleitern, DruckschlĂ€uche und Druckkupplungen.

Norm als unverbindliche Empfehlung

Im Gegensatz zur Gegenwart waren die Normen anfangs eher unverbindliche Empfehlungen. Wie Manfred Gihl[iii] bemerkt, hielten sich die Feuerwehren nur bei den Drehleitern weitgehend an die Norm – allerdings beschĂ€ftigte sich diese mit nicht mehr als dem maximalen Neigungswinkel und den Belastungsgrenzen der Leitertypen, schreibt Hasemann[iv].

Normen als kriegswichtiger Aspekt

Das Bestreben, Feuerwehrfahrzeuge zu vereinheitlichen, ging zunĂ€chst von dem Reichsluftfahrtministerium (RMdL) und spĂ€ter von dem Reichsministerium des Innern (RMdI) aus. WĂ€hrend das RMdL fĂŒr den Luftschutz zustĂ€ndig war, zeigte sich das RMdI verantwortlich fĂŒr die zivile Schadensabwehr.

Die GrĂŒnde fĂŒr die Vereinheitlichung lagen dabei auf der Hand: FĂŒr den kommenden (Luft-)Krieg[v] bedurfte es eines schlagkrĂ€ftigen (zivilen) Luftschutzes,[vi] der als Form der staatlichen Daseinsvorsorge die Moral an der „Heimatfront“ sicherte. Einheitliche Fahrzeuge und GerĂ€te waren die Voraussetzung fĂŒr die

  • Zusammenarbeit mehrere Einheiten aus verschiedenen Standorten,
  • ĂŒberörtliche FĂŒhrbarkeit von grĂ¶ĂŸeren und gemischten Einheiten sowie
  • Garant fĂŒr die ökonomische Nutzung der knappen wirtschaftlichen Ressourcen.

Ferner war die ĂŒber die Vereinheitlichung von Fahrzeugen und Taktik hinausgehende organisatorische Gleichschaltung der Feuerwehren Teil der Umsetzung des FĂŒhrerprinzips als Grundpfeiler des nationalsozialistischen Staates[vii]. Dabei wĂ€re eine Vereinheitlichung des zersplitterten deutschen Feuerwehrwesens auch ohne diese Intention notwendig gewesen.

Luftschutz als Teil der Verteidigung

Die Einbindung in den Luftschutz und die damit einhergehende Modernisierung in Bezug auf AusrĂŒstung und strukturelle Effizienzsteigerung erfolgten nicht „zur Verbesserung einer humanen NĂ€chstenhilfe 
, sondern ausschließlich im eiskalten KalkĂŒl zur Steigerung der VerteidigungsfĂ€higkeit fĂŒr den lĂ€ngst geplanten und erst fĂŒnf Jahre spĂ€ter begonnenen verbrecherischen Angriffskrieg“.[viii] Wobei die Einbindung der Feuerwehr in den Luftschutz keine Idee der Nationalsozialisten war, sondern schon in der Weimarer Republik im Zuge der Gefahren des Luftkrieges diskutiert wurde.[ix]

Kooperieren statt Konkurrieren

Schon zwei Monate nach der Ernennung von Adolf Hitler zum 4. PrĂ€sidialkanzler der Weimarer Republik schlossen sich auf politischen Druck die Hersteller von Feuerwehrfahrzeugen am 4. MĂ€rz 1933 zur „Arbeitsgemeinschaft der deutschen FeuerwehrgerĂ€teindustrie“ zusammen. Dieser Schritt war nicht nur Ausdruck der partiell „sozialistischen“ Wirtschaftsvorstellungen der Nationalsozialisten, sondern galt als erster Schritt zur Vereinheitlichung von FeuerwehrgerĂ€ten. Statt zu konkurrieren, galt es fĂŒr die Firmen zu kooperieren.

Das erste einheitliche Fahrzeug

Den nĂ€chsten Schritt hin zu Einheitsfahrzeugen unternahm das RMdL 1934. Dazu ließ das Ministerium Prototypen bauen, die teilweise die Serienfertigung erreichten. Zu den Prototypen zĂ€hlten die Kraftzugspritze KzS 8 nach DIN FEN 504, die Kraftfahrspritze KS 15 nach DIN FEN 510, die Kraftfahrdrehleiter KL 26 und der Schlauchkw. Bei der KzS 8 saßen die Feuerwehrleute ohne Wetterschutz im Freien.[x] Die Idee des KzS 8 fand Aufnahme in der Konstruktion des „Leichten Löschgruppenfahrzeuges“ (LLG), aus dem spĂ€ter das Löschgruppenfahrzeug LF 8 hervorging.

Die KzS 8/KS8 erhielten zunĂ€chst das KĂŒrzel LLG, 1943 erhielten Sie die AbkĂŒrzung LF 8. Zwar fĂŒhrte das LF 8 einen TSA mit, hatte aber immerhin als Norm Bestand bis 1990. Das LLG war als typisches Fahrzeug fĂŒr Freiwillige Feuerwehren gedacht. Seit 1939 war das LLG auch vollstĂ€ndig geschlossen. Im Bild zu sehen ist ein LLG der Feuerwehr Wasserburg/Bodensee, Bj. 1942, Mercedes-Benz L 1500 S mit 60 PS, 3.900 zGg. Die Auslieferungsfarbe war vermutlich dunkelgrau-matt (RAL 46).

Diesel als Standardtreibstoff

Bis es zu einheitlichen Fahrzeugen und der Durchsetzung der (noch zu erarbeitenden) Normen kam, erließ das RMdI eine Reihe von weiteren Vorschriften. ZunĂ€chst bestimmte das RMdI fĂŒr Feuerwehrfahrzeuge ĂŒber zwei Tonnen Nutzlast am 22. August 1935 die Vorschrift, dass diese mit einem Dieselmotor auszustatten sind.[xi] „Der Dieselmotor muß z. Z. als Antriebsart angesehen werden, die der Entwicklung der einheimischen Treibstoffversorgung die geringsten EinschrĂ€nkungen auferlegt.“[xii] Eine Ausnahme stellten lediglich die sogenannten „Dresdner LöschzĂŒge“ 1934/35 dar.[xiii]

Herrschende Typenvielfalt

In einem gemeinsamen Runderlass vom 11. September 1936 ordneten RMdL und RMdI die Anwendung der Normen auf dem Gebiet des Feuerlöschwesens an. Dies zeigte wenig Wirkung, weil zu diesem Zeitpunkt die Feuerwehren de jure noch in kommunaler TrÀgerschaft waren.

Die Feuerwehren beschafften das GerĂ€t, das sie als notwendig erachteten – eine Parallele zur Gegenwart. Trotz Kooperationsgebot bestimmte nach wie vor rege Konkurrenz und Typenvielfalt den deutschen Automobilmarkt. Die Vereinheitlichung erlangte auf Seite der Fahrzeugtypen erst mit dem Schell-Plan von 1939 einen weiteren Schub.

Begrenzung der Fahrzeugtypen

Aus dem Runderlass zur „Typenbegrenzung im Feuerlöschfahrzeugbau“ vom 16. Februar 1940 resultierte die Anpassung der bei den Feuerwehren eingesetzten Nutzfahrzeugklassen an die Bestimmungen des Schell-Plans.[xiv] Fortan gab es fĂŒr die Feuerwehrfahrzeuge noch drei Nutzfahrzeugklassen: 1,5 t, 3 t und 4,5 t Nutzlast, die sich an der militĂ€rischen Nutzlasteinteilung orientierte. Sondertypen waren nicht mehr vorgesehen.

Gleichzeitig findet fĂŒr das LLG und das „Schwere Löschgruppenfahrzeug“ (SLG) eine Festlegung auf einen Aufbautyp statt. Die Bezeichnung „leicht“, „schwer“ und „groß“ entsprang dem militĂ€rischen Sprachgebrauch,[xv] auch wenn es letztlich erst ab 1943 zu reichseinheitlichen Bezeichnungen kam, die die Normung nach der Befreiung von der nationalsozialistischen Herrschaft weiter nutzte.

Die Gruppe im Kontext des Fahrzeugdesigns

Die GrĂ¶ĂŸe der Mannschaftskabine war eine nicht unerhebliche Frage mit Auswirkungen auf die Nutzlast der Nutzfahrzeugklassen – und vor allem auf die Löschtaktik! Ein wichtiger (und bis heute nachwirkender) Schritt war das Inkrafttreten der Ausbildungsvorschrift Teil 1 am 27. Oktober 1938. Die Vorschrift setzte die Löschgruppe mit einem FĂŒhrer und acht Mann als kleinste taktische Einheit fest.[xvi] Mit dieser Definition stand gleichzeitig die GrĂ¶ĂŸe der Mannschaftskabine fest.

Die Dreiteilung des Löschangriffs

Dieser Definition lag die Dreiteilung des Löschangriffs[xvii] zugrunde, wie sie Walter Schnell ab 1934 auf Basis von Beobachtungen bei Berufsfeuerwehren kommunizierte und zur Ausbildung empfahl.[xviii] 1938 fanden wesentliche Teile seiner Idee Eingang in der Polizei-Dienstvorschrift (PDV) 23 „Ausbildungsvorschrift fĂŒr den Feuerwehrdienst“.

Mit der Löschgruppe stand die Taktik fest, fĂŒr die die nun genormten Feuerwehrfahrzeuge gebaut werden sollten. „Diese Dreiteilung des Löschangriffs hat die Ausbildung in der Feuerwehr, den Einsatzablauf (Löschangriff) und die FĂŒhrungsorganisation, nicht zuletzt durch die Raumordnung, wesentlich bestimmt.“[xix] Mit dieser Vorschrift war der Einheitsfeuerwehrmann geboren, den es in dieser Form vorher nicht gab.

Normung fĂŒr GerĂ€te zunĂ€chst wichtiger

Der Schwerpunkt der Normung lag zunĂ€chst im Bereich der Wasserversorgung. Der Hintergrund dafĂŒr ruhte in der bis Ende der 1930-Jahre herrschenden BeschaffungsmentalitĂ€t, die sich ebenso bei den Löscharmaturen offenbarte. Überlandhilfe war aufgrund verschiedener Kupplungen nicht effizient durchfĂŒhrbar. Allerdings war die Normung noch bis zum 26. Juni 1935 LĂ€ndersache.

Auf der Seite der Löschfahrzeuge gab es das Leichte Löschgruppenfahrzeug (LLG), das Schwere Löschgruppenfahrzeug (SLG) und das Große Löschgruppenfahrzeug (GLG). Allerdings bestanden Unterschiede zwischen Fahrzeugen des RMdL und des RMdI, die trotz des ab dem 30. April 1943 geltenden einheitlichen Sprachgebrauchs bestanden.

Von Öschelbronn zur Storz-Kupplung

Symbolisch dafĂŒr steht der Brand des badischen Dorfes Öschelbronn am 9. und 10. September 1933.[xx] Einen Großbrand mit diesem Ausmaß hatten selbst die Feuerwehren nicht fĂŒr möglich gehalten. Seegerer/Strumpf schreiben von Öschelbronn als „Argumentationspeitsche fĂŒr das Anliegen einer durchgreifenden Normung im Feuerwehrbereich“[xxi], obwohl die unterschiedlichen Kupplungen nicht alleinige Ursache fĂŒr die misslungenen Löschversuche waren.[xxii]

Das RMdI verordnete 1935 die 1882 von Guido Storz patentierte hermaphrodite Storz-Kupplung[xxiii] als Einheitskupplung, die ohnehin zu Beginn des 20. Jahrhunderts die am weitesten verbreitete Schlauchkupplung im Deutschen Reich war, obgleich um 1920 „immer noch zwölf Schlauchweiten und 25 verschiedene Kupplungssysteme im Gebrauch“ waren. [xxiv] Ein Runderlass des RMdI schrieb vor, dass bis zum 01. Januar 1938 die Umstellung auf normgerechte Kupplungen durchzufĂŒhren sei.

Kirchturmdenken in der Feuerwehr

Zuvor hatten die Feuerwehren selbst kein Interesse an vereinheitlichter Technologie gezeigt, da ein „Teil der damaligen Feuerwehrchefs … noch immer nur die eigenen Erfahrungen fĂŒr relevant (hĂ€lt) und … auch nicht so recht (glaubt), dass ein Zusammenarbeiten mehrerer Feuerwehren im grĂ¶ĂŸeren Rahmen erforderlich sein könnte.“[xxv] Wobei es abweichende Ansichten gab, je höher die Verwaltungsebene wurde.

Zentralisierung der Feuerwehr

Auf organisatorischer Seite erzwang das RMdI Änderungen, die schließlich Auswirkungen auf die Fahrzeuggestaltung und -beschaffung hatten. Am 23. November 1938 erfolgte das „Gesetz ĂŒber das Feuerlöschwesen“, das die Eingliederung der kommunalen Feuerwehren in die Polizei auf das gesamte Deutsche Reich ausdehnte. Die Feuerwehr wurde damit zentralisiert. Im Teilstaat Preußen war das schon am 12. Januar 1934 erfolgt. Die Berufsfeuerwehren wurden zur Feuerschutzpolizei, wĂ€hrend die Nationalsozialisten die Freiwilligen Feuerwehren als freiwillige Hilfspolizei der örtlichen Polizeiexekutive unterstellten.

Feuerwehr als Instrument des Luftschutzes

Der ReichsfĂŒhrer SS und Chef der deutschen Polizei im RMdI, Heinrich Himmler, gab nun die Marschrichtung in der Entwicklung von Fahrzeugen vor. Die Kommunen hatten nun – bis auf die finanziellen Verpflichtungen – in der Organisation der Feuerwehr nichts mehr zu sagen. Gleichzeitig beendete das Gesetz das Paradoxon parallel verlaufender Fahrzeugentwicklungen zwischen RMdL und RMdI. Die Feuerwehren waren nun reichseinheitlich vor dem Gesetz Instrumente des Luftschutzes.

Der herbeigerufene Geist der Zentralisierung

GĂ€nzlich unbeteiligt waren die Feuerwehren an der organisatorischen Änderung nicht, denn viele Feuerwehren befĂŒrworteten die Vereinheitlichung aus verschiedenen GrĂŒnden. WĂ€hrend sich die Berufsfeuerwehren erhofften, sich stĂ€rker von der Freiwilligen Feuerwehren abgrenzen zu können, hofften letztere sich selbst erhalten zu können. Dahinter stand der pragmatische Ansatz, durch Selbstanpassung und proaktiven Ausschluss von Mitgliedern die Organisationsform zu retten[xxvi] oder im (persönlichen) Ansehen aufzusteigen.[xxvii] Die Entfernung von AnhĂ€ngern der KPD und SPD galt im Sinne des Vaterlandsinteresses als Bauernopfer. Letztlich scheiterte diese Taktik,[xxviii] denn die Feuerwehren sollten in der Idee des NS-Staates eine politisierte Schutztruppe fĂŒr das Reich bilden. Dazu warf man alte Traditionen und Werte ĂŒber Bord.[xxix]

Auch die Landesregierungen ĂŒbernahmen schnell das preußische Gesetz. Schamberger formuliert es in Bezug auf den DFV so, dass „man sich offenbar noch nicht vorstellen konnte, wie tiefgreifend und radikal die Nationalsozialisten das Feuerlöschwesen umgestalten wollten.“[xxx]

Linhardt[xxxi] weist zusĂ€tzlich darauf hin, dass die Feuerwehren in einem KonkurrenzverhĂ€ltnis zu NS-Organisation standen und massiv Mitglieder einbĂŒĂŸten,[xxxii] weshalb man in der Forderung nach einheitlicher Organisation und der Anbiederung an das NS-Regime ein Heilmittel sah und von eigenen Prinzipien abrĂŒckte.

Einheitliche Warnsignale

Ähnlich uneinheitlich waren die optischen und akustischen Warneinrichtungen der Feuerwehrfahrzeuge. Mit dem Runderlass vom 7. Mai 1938 regelte ein Runderlass des ReichsfĂŒhrers SS und Chefs der deutschen Polizei, dass optische und akustische Sondersignale fĂŒr die Polizei und die Feuerlöschpolizei reichseinheitlich anzubringen seien.

Die Geburt der Fanfare

Zusammen mit Feuerwehr- und Polizeidienststellen entwickelte die Deutsche Signal-Instrumentenfabrik Max B. Martin KG aus Marktneukirchen (Sachsen) bereits 1932 ein Signalhorn, das als Sondersignal fĂŒr „bevorrechtigte Wegebenutzer“ gelten sollte – unter die ab 1938 auch die Feuerwehr fiel. Neben dem Martinhorn gab es noch den elektrischen Rasselwecker von Siemens & Halske.

Und es ward Blaulicht

Warnten die Feuerwehren lange Zeit mit Petroleumfackeln den Straßenverkehr, setzten sich ab den 1920er-Jahren elektrisch betriebene, nach vorne gerichtete rote Scheinwerfer durch. Ab 1938 war als optische Warnfarbe das nach vorne gerichtetes Dauerlicht in der Farbe Kobaltblau bestimmt – in der Straßenverkehrsordnung war das blaue Kennlicht seit 1937 festgeschrieben, weil die Warnfarben Rot, Gelb und GrĂŒn fĂŒr die Verkehrsampeln Verwendung fanden.

Es sprach noch ein weiterer Grund fĂŒr das Kobaltblau: Am 26. Juni 1935 erließ RMdL das Luftschutzgesetz. FĂŒr den Straßenverkehr von Bedeutung war die DurchfĂŒhrungsverordnung, die das Verdunkelungsgebot festschrieb. „Lichtquellen sind im Freien so abzublenden, daß bei Dunkelheit und klarer Sicht aus 500 m Höhe in senkrechter und schrĂ€ger Blickrichtung weder unmittelbare noch mittelbare Lichterscheinungen wahrzunehmen sind.“ Die Farbe Rot hatte diese Eigenschaften nicht, weshalb Blau als Verdunkelungsfarbe galt. Auszurichten war das Kennlicht zur Wahrnehmung hoheitlicher Aufgaben außerdem nur nach vorne.

Die Feuerwehr als KriegsverlÀngerer?

Auch wenn AnsĂ€tze zur reichseinheitlichen Normierung und Vereinheitlichung bereits in der Zwischenkriegszeit lagen, scheiterte das Ziel der Verbesserung der Hilfeleistung an den Landes- oder kommunalen Grenzen. Erst die Nationalsozialisten setzten die mehrere Ebenen umfassende Vereinheitlichung durch und nutzten das sich ergebende Potenzial fĂŒr ihre verbrecherische Politik – leider auch unter Mitwirkung der Feuerwehren selbst.

Wozu die Feuerwehren (nicht) fĂ€hig waren, zeigten die feigen Pogrome im November 1938. Unter dem Primat des Krieges sĂ€uberte man die eigenen Reihen zudem grĂŒndlich.[xxxiii]

Der Luftschutz – und damit auch die inzwischen politisierte Feuerwehr[xxxiv] als abwehrende Komponente – bildete eine tragende SĂ€ule des nationalsozialistischen Staates und trug wesentlich dazu bei, den Krieg lĂ€nger offensiv fĂŒhren zu können. Die vordergrĂŒndige Maßnahme der Daseinsvorsorge stĂ€rkte die Moral der Bevölkerung und verhinderte den Zusammenbruch an der Heimatfront.[xxxv]

Die Normung von Feuerwehrfahrzeugen nahm der Staat nach der Befreiung von der nationalsozialistischen Herrschaft schon 1948 wieder auf. Allerdings fanden erst 1969 alle Fahrzeugtypen ÜberfĂŒhrung in die Norm. Das Thema der Typenvielfalt stellt allerdings bis weit ins 21. Jahrhundert eine Herausforderung dar.

Literatur

Birk, Eberhard: Giulio Douhet und die „Luftherrschaft“. In: Österreichische MilitĂ€rische Zeitschrift, 2011, Nr. 2. https://www.oemz-online.at/pages/viewpage.action?pageId=8421856

Blazek, Matthias: Unter dem Hakenkreuz: die deutschen Feuerwehren 1933 – 1945. Stuttgart: Ibidem Verlag 2009.

Cimolino, Ulrich et al.: Einsatzfahrzeuge fĂŒr Feuerwehr und Rettungsdienst: Typen: AusfĂŒhrung und taktischer Einsatzwert. Landsberg: ecomed Sicherheit 2006.

Engelsing, Tobias: Im Verein mit dem Feuer. Die Sozialgeschichte der Freiwilligen Feuerwehr von 1830 bis 1950. Konstanz: Faude 1990.

Fischer, Klaus: Löschgruppenfahrzeuge LF 16. Berlin: Huss-Medien, Verl. Technik 2005.

Fischer, Klaus: Löschgruppenfahrzeuge LF 8. Berlin: Huss-Medien, Verl. Technik 2003.

Gihl, Manfred: Geschichte des deutschen Feuerwehrfahrzeugbaus. Bd. 1., Von den AnfÀngen bis 1940. Stuttgart: Kohlhammer 1997.

Gihl, Manfred: Geschichte des deutschen Feuerwehrfahrzeugbaus. Bd. 2., Von 1940 bis heute. Stuttgart: Kohlhammer 1999.

Gihl, Manfred: Handbuch der Feuerwehr-Fahrzeugtechnik. 3., ĂŒberbearb. Aufl. Stuttgart, Berlin, Köln: Kohlhammer 1994.

Haase, Joachim: Der Brand von Öschelbronn im Jahr 1933 und seine Auswirkungen auf das deutsche Feuerwehrwesen. In: Feuerwehrchronik, 2017, 13. Jg., Nr. 5, S. 2-107.

Hasemann, Dieter: Feuerwehr-Legenden: MAN, Magirus-DL. Stuttgart: Motorbuch Verlag 2003.

Jarusch, Dieter: Biografie Walter Schnell. Er hat die Dreiteilung des Löschangriffs durchgesetzt. Vereinigung zur Förderung des Deutschen Brandschutzes e. V. Referat 11 Brandschutzgeschichte 2011.

Linhardt, Andreas: Feuerwehr im Luftschutz 1926 – 1945: die Umstrukturierung des öffentlichen Feuerlöschwesens in Deutschland unter Gesichtspunkten des zivilen Luftschutzes. Braunschweig 2002.

Oswald, Werner; Manfred Gihl: Kraftfahrzeuge der Feuerwehr und des SanitÀtsdienstes : Katalog d. dt. Feuerwehr-, SanitÀts- u. Katastrophenschutz-Kraftfahrzeuge von 1900 bis heute. Stuttgart: Motorbuch-Verlag 1976.

Paulitz, Udo: Drehleitern und Löschfahrzeuge: Metz und Mercedes Benz. Stuttgart: Motorbuch Verlag 2001.

Reinholz, Heiko: Walter Schnell. In: Feuerwehrchronik, 2018, 14. Jg, Nr. 06 vom 30.11.2018, S. 184-193.

Schamberger, Rolf: Feuerwehren im Nationalsozialismus, Stand 08.11.2012.

Schamberger, Rolf: „Einer fĂŒr alle – alle fĂŒr einen“ : 150 Jahre Deutscher Feuerwehrverband. Stuttgart: Kohlhammer 2003.

SchĂŒtz, Josef: Feuerwehrfahrzeuge Teil 1. Typenbezeichnung, Kurzzeichen und allgemeine Anforderungen an Fahrgestell, Aufbau, löschtechnische Einrichtungen und Beladelisten der Löschfahrzeuge. 11., ĂŒberarb. und erg. Aufl. Stuttgart: Kohlhammer 1996.

Seegerer, Karl; GĂŒnter Strumpf: Paul Kalaß. Pionier der Feuerwehr-Fachnormung in Deutschland. In: Feuerwehrchronik, 2011, 7. Jg., Nr. 5 vom 30.09.2011, S. 95-101.

Specht, Stefan: Das leichte Löschgruppenfahrzeug (LLG) der Freiwilligen Feuerwehr Niederlahnstein. In: Feuerwehrchronik, 2017, 13. Jg, Nr. 1 vom 31.01.2017, S. 2-10.


Fuß-/Endnoten

[i] „Oberbranddirektor Maximilian Reichel (1905-1922)“, in: Internetseite der Berliner Feuerwehr, zuletzt abgerufen am 06. Mai 2019. https://www.berliner-feuerwehr.de/ueber-uns/historie/leiter-der-berliner-feuerwehr/oberbranddirektor-maximilian-reichel-1905-1922/ und „Maximilian Reichel“ in: Wikipedia https://de.wikipedia.org/wiki/Maximilian_Reichel

[ii] Vgl. zum Thema Feuerwehrnormung Seegerer/Strumpf: Kalaß.

[iii] Gihl: Geschichte.

[iv] Hasemann: Feuerwehr-Legenden.

[v] Zur Bedeutung des Luftkrieges formulierte der italienische MilitĂ€rtheoretiker Giulio Douhet radikale Thesen. So postulierte er in seinem Buch „Luftherrschaft“ den strategischen Bombenkrieg und sprach damit im Gegensatz zu Clausewitz der Entgrenzung des Krieges durch Gas-, Explosiv- und Brandbomben sowie Terrorisierung der Bevölkerung das Wort. Der Gegner mĂŒsse schnell und hart getroffen werden, damit die folgende Invasion möglichst kurz ausfĂ€llt – der traumatische Stellungskrieg wirkte hier nach. FĂŒr Douhet war das Flugzeug ein technisches Mittel, das wir in der Gegenwart als disruptives Instrument bezeichnen wĂŒrden. Zugleich lehnte Douhet defensive Maßnahmen wie den Luftschutz ab und forderte alle Ressourcen in den Aufbau einer abschreckenden Luftstreitmacht zu stecken. Das Prinzip entspricht ungefĂ€hr dem Gleichgewicht des Schreckens zwischen den USA und der UdSSR. Das Bedrohungspotenzial des Luftkrieges wurde in der Literatur bspw. bereits frĂŒher erkannt, so bspw. bei H.G. Wells: The War in the Air, London/New York 1908. Zur Theorie Douhets siehe Birk: Douhet.

[vi] Der Aufbau des zivilen Luftschutzes begann 1923 in der Zeit der Weimarer Republik mit ersten Überlegungen, ab 1926 lĂ€sst sich dann von einem organisierten Luftschutz sprechen, vgl. Linhardt: Feuerwehr, S 58.

[vii] Linhardt: Feuerwehr.

[viii] Schamberger: Feuerwehren, S. 15.

[ix] Schamberger: Einer fĂŒr alle, S 117.

[x] Vgl. Stefan Cimander: Von harten MĂ€nnern. Die Entwicklung vom offenen zum geschlossenen Feuerwehraufbau. In: Feuerwehr Weblog vom 30. Mai 2018, zuletzt abgerufen am 06. Mai 2019. /2018/05/30/von-harten-maennern/

[xi] Den ersten Diesel-Lkw stellte Benz-Gaggenau und Daimler-Marienfelde auf der Berliner Automobilausstellung 1924. Bereits 1930 war in Deutschland die Mehrzahl der schweren Lkw mit Dieselmotoren ausgestattet. Das Reichsluftfahrtministerium ordnete 1935 im Hinblick auf den geplanten Krieg an, dass es bei Fahrzeugen der Feuerwehr nicht zu einer AbhĂ€ngigkeit von importierten Brennstoffen kommen dĂŒrfe. Der fĂŒr Ersatztreibstoffe besser geeignete Dieselmotor sei deshalb dem Benzinmotor vorzuziehen. Dies galt fĂŒr Feuerwehrfahrzeuge ab drei Tonnen RahmentragfĂ€higkeit.

Warum setzte sich der Dieselmotor nicht schon vorher bei der Feuerwehr durch? Schamberger: Einer fĂŒr alle, S.114 schreibt hierzu „frĂŒhen Dieselmotoren im Unterschied zum sofort startbereiten ‚Benziner‘ noch verhĂ€ltnismĂ€ĂŸig lange VorglĂŒhzeiten 
 das AusrĂŒcken 
 (verzögerte).“

[xii] Runderlaß vom 22. August 1935

[xiii] Die Dresdner LöschzĂŒge waren der letzte Großauftrag, bevor der Erlass in Kraft trat. Gleichzeitig waren die Fahrzeuge die letzten maßgeschneiderten Fahrzeuge dieser Zeit. Die insgesamt 18 Fahrzeuge verfĂŒgten nicht nur ĂŒber eine gute Motorisierung, sondern wiesen einheitliche Fahrgestelle auf. Vgl. Oswald/Gihl: Kraftfahrzeuge, S. 39.

[xiv] Adolf von Schell – nicht zu verwechseln mit Walter Schnell – entwickelte ein wirtschaftspolitisches Programm zur Vereinheitlichung der reichsdeutschen Motorrad- und Automobilfertigung. Siehe auch Wikipedia: Schell-Plan.

[xv] Cimolino: Einsatzfahrzeuge – Typen.

[xvi] Reinholz: Schnell.

[xvii] Mit Dreiteilung ist eine rÀumliche Arbeitsteilung gemeint, nÀmlich dass drei rÀumlich getrennte Trupps (Angriffstrupp, Wassertrupp, Schlauchtrupp) einander zuarbeiten

[xviii] Vgl. Walter Schnell: Die Dreiteilung des Löschangriffs, Verlag von Eduard Binder, Celle 1935.

[xix] Vgl. Specht: Löschgruppenfahrzeug.

[xx] Haase: Brand.

[xxi] Seegerer/Strumpf: Kalaß.

[xxii] Haase: Brand, S. 7f. zitiert das das PrĂ€sidium des Badischen Landesfeuerwehr-Verbandes, welches im Nachgang Folgerungen und Lehren fĂŒr die Zukunft formuliert.

[xxiii] Storz kam die Idee zu der Kupplung, nachdem er bei einem Brand in Konstanz 1880 beobachtet hatte, dass FeuerwehrschlÀuche aufgrund unterschiedlicher Gewinde nicht verschraubt werden konnten. Haase: Brand.

[xxiv] Haase: Brand, S. 11.

[xxv] Seegerer/Strumpf: Kalaß, S. 96

[xxvi] Blazek: Hakenkreuz.

[xxvii] Vgl. Engelsing: Feuer, S. 140.

[xxviii] Schamberger: Feuerwehren, S.11 unter Verweis auf Engelsing Tobias: Als der Kommandant den Benzinkanister brachte – Die SynagogenbrĂ€nde 1938 und die VerdrĂ€ngung jĂŒdischer Feuerwehrkameraden aus den Wehren, in: Brandschutz 2/1998, S. 93.

[xxix] Vgl. Engelsing: Feuer, S. 133.

[xxx] Schamberger: Einer fĂŒr alle, S. 118.

[xxxi] Linhardt: Feuerwehr, S. 83.

[xxxii] Vgl. auch Engelsing: Feuer, S. 171f.

[xxxiii] FĂŒr die Darstellung individueller Schicksale siehe Schamberger: Feuerwehren.

[xxxiv] Siehe Engelsing, S. 171ff.

[xxxv] Vgl. dazu Linhardt: Feuerwehr.