Die Geschichte der Wahlverwandtschaft von Mercedes-Benz und Metz
Jedes Feuerwehrfahrzeug besteht aus – einfach gehalten – zwei Komponenten: dem Chassis und dem Aufbau. Die Hersteller und Konstrukteure der beiden Komponenten lassen sich in Deutschland an einer Hand abzählen. Dennoch haben wir es mit einer großen Varianten- und Kombinationsvielfalt zu tun. Die Globalisierung und das EU-Recht führen zu einer immer bunteren Vielfalt. Das war nicht immer so.
Die Platzhirsche: Magirus und Metz
Der Markt für Feuerwehraufbauten war lange Jahre ein Claim, das zwei große Aufbauhersteller beherrschten: Magirus und Metz. Während Magirus „alles aus einer Hand“, vom eigenen Chassis auf Klöckner-Humboldt-Deutz bis hin zum Aufbau, anbot, entwickelte Metz bloß Fahrzeugaufbauten und war auf einen Partner angewiesen. Dieser Partner hieß über 60 Jahre lang Mercedes-Benz.
Kooperation von Mercedes-Benz und Metz
Die Marke Mercedes-Benz und Metz waren vertraglich aneinander gebunden. Diese Bindung ging auf das Jahr 1923 zurück. Damals schlossen die Benz-Werke im badischen Gaggenau und die Carl-Metz-Feuerwehrgerätefabrik aus dem wenige Kilometer entfernten Karlsruhe einen Kooperationsvertrag, der festlegte, dass Benz in Zukunft die Aufbauten für Löschfahrzeuge und Drehleitern von Metz bezog. Im Gegenzug verzichtete Benz auf die weitere Fertigung von Feuerwehrpumpen. Benz gehörte damals, wie die noch eigenständige Firma Daimler, zur Riege der Produzenten von Feuerwehrpumpen.
Aus Mercedes und Daimler wird Daimler-Benz
Benz und Daimler fusionierten drei Jahre später zu Daimler-Benz. Beide hatten jedoch bereits seit 1924 einen Interessenvertrag über den Bau von Feuerwehrfahrzeugen in bestimmten Nutzfahrzeugklassen. Die Fusion führte 1933 zu einer Neuauflage und Ausweitung der Vereinbarungen zwischen der Daimler-Benz AG und der Carl Metz Feuerwehrgerätefabrik. Der Interessenvertrag von 1923 wandelte sich nun in einen Fabrikations- und Vertriebsvertrag für das Inland, der die beiderseitigen Verpflichtungen genau regelte.
Metz verpflichtete sich den Bau automobiler Fahrgestelle nicht aufzunehmen, Aufbauten nicht an andere Automobilfabrikanten zu liefern, Feuerlöschfahrzeuge nur auf Fahrgestellen von Daimler-Benz anzubieten, und die eigenen Erzeugnisse in Prospekten mit dem Zusatz „auf Daimler-Benz-Fahrgestell“ zu versehen.
Im Gegenzug verpflichtete sich Daimler-Benz, nur Metz zur Lieferung aller Aufbauten heranzuziehen; den Bau von Feuerlöschpumpen aufzugeben; beim Verkauf der Vertragsware nur noch Metz-Pumpen anzubieten und zu verkaufen; und die Produkte mit beiden Namen zu nennen. Ferner verkauften beide Vertragspartner die Produkte des jeweils anderen.
Daimler-Benz und Magirus
Um ein Haar wäre es zu diesem Kooperationsvertrag nicht gekommen. 1928 forderte die Deutschen Bank eine Fusion der C.D. Magirus AG und Daimler-Benz AG. Magirus kämpfte Ende der 1920er mit wirtschaftlichen Problemen. Zudem hatte die Traditionsfirma nach dem Tod von Hermann Magirus eine Führungs- und Innovationskrise. Die Fusion kam nicht zustande, weil Magirus den Kontrakt wegen ungenügender Berücksichtigung des Feuerwehrgeschäfts ablehnte.
Rund 45 Jahre später stand erneut die Fusion von Daimler-Benz und Magirus zur Diskussion, da der Eigentümer von Magirus, die Kölner Klöckner-Humboldt-Deutz AG, die schwäbische Tochter zu veräußern gedachte. Die weit gediehenen Verhandlungen scheiterten an einem drohenden Veto des Kartellamtes, das einen Nutzfahrzeuggiganten Mercedes-Magirus nicht genehmigt hätte. Magirus fand in FIAT schließlich einen neuen Partner und ging wenig später in der IVECO auf.
Daimler-Benz, Metz und die Zeit des Nationalsozialismus
Die Nationalsozialisten stellten die Kooperation zwischen Daimler-Benz und Metz wenige Jahre nach Abschluss des Interessenvertrages auf die Probe. Die Pläne der Nazis zielten auf möglichst wenig Konkurrenz und das Vereinheitlichen von Fahrzeugen. Deswegen kam es in den 1940er Jahren zu dem Versuch, Metz und Magirus zu einem einzigen Unternehmen zu verschmelzen. Nachdem Magirus – ohne das Wissen von Metz – die ersten Schritte in diese Richtung verwirklichte, nahm Daimler-Benz dies zum Anlass, den Kooperationsvertrag mit Metz zu kündigen.
Nachdem die Zwangsehe von Metz und Magirus schon vor dem Zusammengehen scheiterte, erneuerten Metz und Daimler-Benz ihren nun „Freundschaftsvertrag“ genannten Kontrakt am 12. November 1940. Daimler-Benz erhielt in dem bis zunächst 1945 laufenden Vertrag ein Vorkaufsrecht für die Firma Metz. Das Kriegsende 1945 führte zu einer Pause der Kooperation. Der Vertrag fand 1949 eine Wiederaufnahme, nachdem Daimler-Benz mit einem neuen Dreitonner ein für die Feuerwehren interessanten Nutzfahrzeugtyp im Programm hatte. Bisher baute Daimler-Benz in Nachwirkung des Schell-Plans von 1940 den Opel Blitz in Lizenz weiter.
Auch andere bauen auf Daimler-Benz auf
Trotz des Vertrages zwischen Daimler-Benz und Metz bauten andere Aufbauhersteller auf Mercedes-Benz-Lkw auf. Dies waren in den 1950er ausnahmslos kleine Firmen, die Metz auf dem deutschen Markt nur regional Konkurrenz machten. Hierzu zählten Firmen wie Adam Bachert und Ziegler.
Die Eigentümer der Firma Metz, Alfred und Karl Bachert – die Brüder von Eugen Bachert, der den Aufbauhersteller Adam Bachert führte – gaben der Firma am 06. Oktober 1959 eine veränderte Eigentümerstruktur. Alfred und Karl Bachert planten mit dieser Maßnahme frühzeitig für die Zeit nach ihrem Tod. Über einen Umweg gehörte Metz damit nun zum Lkw-Hersteller Kaelble.
Angesichts der neuen Teilhaberstruktur kam es abermals zu einer Neuauflage der Vereinbarung zwischen Metz und Daimler-Benz. Inhaltlich blieb es bei dem Übereinkommen aus den 1940er Jahren. Die einzige Änderung betraf Kleinfahrzeuge, wie zum Beispiel das LF 8. Fortan waren Kleinfahrzeuge nicht mehr Bestandteil der Kooperationsvereinbarung.
Neuverteilung des Kuchens namens Feuerwehr
In dessen Folge entstand eine Lücke, die dazu führte, dass junge Aufbauhersteller, wie Ziegler und Bachert, ein „größeres Stück vom Feuerwehrkuchen“ bekamen. Während die LF 15 (später LF 16) überwiegend einen Aufbau von Metz besaßen, nahm die Variantenvielfalt bei den LF 8 zu. Daimler-Benz bot in dieser Nutzfahrzeugklasse lange Zeit kein passendes Fahrgestell an. Für die mittelschweren Fahrzeuge, wie die LF 16, bot sich ab Ende der 1950er Jahre zudem der bayrische Lkw-Bauer MAN an.
Metz wird indirekt Lkw-Hersteller
Nach dem Tod der Firmeninhaber Alfred (1967) und Karl Bachert (1968) gehörte Metz faktisch der Kaelble-Gruppe. Dies machte wiederum eine Anpassung des Vertrages mit Daimler-Benz erforderlich. Dies geschah 1969. Allerdings erfuhr das Abkommen eine erneute Modifikation. Dafür gab es Gründe: Einerseits führte Daimler-Benz eine neue Fahrgestellgeneration ein, andererseits erweiterte Metz den Handlungsspielraum für den Vertrieb. Beide traten jetzt als Generalunternehmer für Feuerwehrfahrzeuge auf. Zu einem Konflikt zwischen den beiden Lkw-Herstellern Daimler-Benz und Kaelble kam es nicht, da Kaelble keine große Rolle auf dem Markt spielte. Kaelble war spezialisiert auf Sonderfahrzeuge und Schwerlastzugmaschinen, deshalb entstanden nur sehr wenige Feuerwehrfahrzeuge auf einem Kaelble Chassis. Die Reste der Firma Kaelble gingen später im Baumaschinenhersteller Terex GmbH und 2010 in der Atlas Maschinen GmbH auf.
Das Ende einer Kooperation
Trotz der Vertragsanpassungen endete die Zusammenarbeit zwischen Daimler-Benz und Metz 1972. Einerseits war Metz in zunehmendem Maß bei der Fahrgestellauswahl eingeschränkt, andererseits expandierte Daimler-Benz und befürchtete, durch die Bindung an Metz Aufträge zu verlieren.
Das Ende des Namens Metz
Für Metz begann mit dem Tod der Gebrüder Bachert eine Zeit, in der es zu häufigem Eigentümerwechsel kam. Metz gehörte zwischenzeitlich zur Total Walther Feuerschutz GmbH, die wiederum Teil des Krupp-Konzerns war. 1998 übernimmt die österreichische Rosenbauer International AG in Leonding den deutschen Aufbauhersteller. 2002 endet die Zeit der Metz-Löschfahrzeuge endgültig. Fortan baut Metz unter der Führung des österreichischen Rosenbauerkonzerns nur noch Drehleitern. Der Name Metz verschwindet 2015 endgültig, nachdem Rosenbauer im Zuge einer Umorganisation das badische Tochterunternehmen als Rosenbauer Karlsruhe GmbH & Co. KG firmiert. Metz bleibt im Slogan „Metz Technology“ erhalten.
Literatur
- Ambrosius, Rolf J.: Magirus. Die Geschichte eines Ulmer Unternehmens. 1864 – 1935, Biberach 1997.
- Brennecke, Bodo: Rote Riesen. Lösch-Exoten: Feuerwehren auf Kaelble-Chassis, In: Historischer Kraftverkehr, Nr. 6, 2001, S.
- Fischer, Klaus: Löschgruppenfahrzeuge LF 16, Berlin: Huss-Medien, Verl. Technik 2005.
- Fischer, Klaus: Löschgruppenfahrzeuge LF 8, Berlin: Huss-Medien, Verl. Technik 2003.
- Gihl, Manfred: Geschichte des deutschen Feuerwehrfahrzeugbaus, Bd. 2., Von 1940 bis heute. Stuttgart: Kohlhammer 1999.
- Gihl, Manfred: Geschichte des deutschen Feuerwehrfahrzeugbaus, Bd. 1., Von den Anfängen bis 1940. Stuttgart: Kohlhammer 1997.
- Gihl, Manfred: Handbuch der Feuerwehr-Fahrzeugtechnik, 3., überbearb. Aufl. Stuttgart, Berlin, Köln: Kohlhammer 1994.
- Rolf Metzger: 150 Jahre Metz Feuerwehrgeräte. Ein Unternehmen schreibt Feuerwehrgeschichte, 1992.
- Paulitz, Udo: Drehleitern und Löschfahrzeuge: Metz und Mercedes Benz, Stuttgart: Motorbuch Verlag 2001.
- Rabe, Klaus: Der Zukunft ein Stück voraus. 125 Jahre Magirus, Düsseldorf 1989.