Ein Interview mit feuerwehrfitness.com
Verletzte heben und transportieren; schwere AusrĂŒstung am Körper tragen; Leitern und GerĂ€te schleppen; und das ĂŒber gröĂere Strecken und lĂ€ngere ZeitrĂ€ume. Fitness und Feuerwehr widersprechen sich nicht, sind beide doch vielmehr zwei Seiten der gleichen Medaille. Denn Feuerwehr ist körperlich anstrengend â und nicht von ungefĂ€hr hat die freiwillige Feuerwehr in SĂŒddeutschland ihren Ursprung in der Turnerbewegung. Eine Verbindung, die bestehen bleiben sollte, nicht organisatorisch, sondern sportlich!
Auch wenn die berufsgenossenschaftliche Feuerwehr- und Atemschutztauglichkeitsuntersuchung nicht wirklich Aussagen ĂŒber die körperliche LeistungsfĂ€higkeit gibt, so haben sich in den vergangenen Jahren auch die Angehörigen der freiwilligen Feuerwehr zur Erkenntnis durchgerungen, dass es ohne Fitness in der Feuerwehr nicht mehr geht. Fitness heiĂt aber Sport. Und Feuerwehrsport boomt, wenn man neben Aktionen wie âFit for Fire Fightingâ (Baden-WĂŒrttemberg), âFit for fireâ (Norddeutschland) und auch die Zunahme verschiedener Feuerwehr-Challenges als qualitativen MaĂstab heranzieht. Trotzdem sieht so mancher Feuerwehrangehöriger in Sport noch immer Schikane und einen Zeitfresser, will man doch nicht noch mehr seiner Freizeit fĂŒr die ohnehin schon langwierige Aus- und Fortbildung in der Feuerwehr opfern. Eine Beobachtung, welcher der Fitness- und Gesundheitstrainer Martin Brombeis aus Lindau am Bodensee zustimmt und als Anlass genommen hat, das Thema Fitness in der Feuerwehr aus professioneller Sicht zu begleiten.
Mit welcher Sportart ist Feuerwehr am besten vergleichbar?
Ganz klar, Feuerwehrfitness natĂŒrlich!
âIch war ĂŒber die geringe
LeistungsfĂ€higkeit geschockt.â
Sind freiwillige Feuerwehrleute in Deutschland in Deinen Augen fit?
Nachdem ich mich mit Fitness und Feuerwehr beschĂ€ftigt hatte, war ich ein wenig ĂŒber die geringe LeistungsfĂ€higkeit freiwilliger Feuerwehrleute geschockt. Als ich dann bei Freunden in der Feuerwehr nachfragte, fiel die Antwort eindeutig aus: Sie selbst und ihre Kameraden benötigen eine bessere Fitness, besonders die AtemschutzgerĂ€tetrĂ€ger. Also genau jene Leute, die eigentlich vor Fitness strotzen sollten und welche im Allgemeinen das Bild eines Helden verkörpern, gleichen in der RealitĂ€t nicht immer dieser Darstellung.
WÀren denn Fitnessuntersuchungen vor dem Eintritt in die freiwillige Feuerwehr ein probates Instrument, die LeistungsfÀhigkeit sicherzustellen?
Der Eintritt in die freiwillige Feuerwehr ist so einfach wie möglich zu halten. Jeder soll die Möglichkeit haben, seinen Beitrag fĂŒr die Gesellschaft zu leisten. Egal an welchem Punkt man steht, man kann sich stets verbessern. Ich halte einen Fitnesstest vor dem Eintritt in die FF deshalb nicht fĂŒr geeignet. Was ich allerdings sehr sinnvoll finden wĂŒrde, wĂ€re neben der normalen Ăbung regelmĂ€Ăiges, spezifisches und körperliches Training! NatĂŒrlich bedarf es weitaus mehr, als eines fitten Körpers um ein(e) gute(r) Feuerwehrfrau/-mann zu sein, das steht völlig auĂer Frage.
Wird denn das Thema Sport in der Feuerwehr unterbewertet?
Die Feuerwehrangehörigen wissen sehr wohl, wie wichtig Fitness ist. Das Problem ist einzig und allein die Umsetzung sowie das Durchhaltevermögen. Es ist ja nicht so, dass es in der Vergangenheit keine Ideen in diese Richtung gegeben hÀtte.
Eine dieser Ideen war die Aktion âFit For Fire Fightingâ. Wo lag der Fehler bei diesen Aktionen?
Das Durchhaltevermögen ist das Problem. Eine der gröĂten Schwierigkeiten ist, die Motivation der Teilnehmer dauerhaft aufrechtzuerhalten.
Was ist Deiner Meinung nach das beste Mittel die Motivation zu steigern bzw. den âinneren Schweinhundâ zu besiegen?
Sein „Warum“ zu finden. Das „Warum“ ist nicht das Ziel, das man erreichen will, sondern der Grund es zu erreichen. Nehmen wir an, Feuerwehrangehöriger A möchte 20 Kilogramm Gewicht reduzieren. Sein Idealgewicht alleine wird ihn in 90 Prozent der FĂ€lle nicht genug motivieren. Er hat sich schon so an sich selbst gewöhnt und es ist schwer, seine Komfortzone zu verlassen. Wenn er sich aber die Frage stellt „warum“ er 20 Kilogramm abnehmen will, dann werden da so einige Dinge zusammenkommen, die ihn dauerhaft motivieren: Im Einsatz mehr Leistung bringen zu können, Attraktiver fĂŒr seine Frau zu sein, mehr Energie zum Spielen mit seinen Kindern haben, höhere Lebenserwartungen und, und, und. Manchmal mĂŒssen wir einfach die Perspektive Ă€ndern, um Dinge klarer zu sehen.
Apropos Perspektive Àndern. Welche konkreten Folgen hatte die genannte SelbsteinschÀtzung bzw. Deine persönliche Beobachtung zur LeistungsfÀhigkeit?
Ich versprach den Feuerwehrleuten in Lindau ein wenig beim Thema Fitness unter die Arme zu greifen, und auch bei einer FeuerwehrĂŒbung vorbeizuschauen, damit ich mir ein besseres Bild machen kann. Im April 2016 schaute ich dann bei einer Ăbung der Feuerwehr Lindau vorbei.
âIch hĂ€tte eher etwas in Brand gesteckt,
als zur Feuerwehr zu gehen.â
Was bewirkte der Besuch des Ăbungsdienstes bei Dir?
Diese erste Ăbung verĂ€nderte meine Wahrnehmung und Einstellung zur Feuerwehr. Obwohl meine Familie in der freiwilligen Feuerwehr aktiv war, war ich hingegen eher das schwarze Schaf, das eher etwas in Brand gesteckt hĂ€tte, als zur Wehr zu gehen. FĂŒr mich gilt dieser Besuch als Beginn von Feuerwehrfitness. Auf einen Schlag war ich von der Feuerwehr begeistert. Im September 2016 beginne ich ĂŒbrigens mit meiner Grundausbildung zum Truppmann.
Die Kameradschaft, das GefĂŒhl etwas Gutes bewirken zu können, die Herausforderungen unterschiedlichster Art, denen man sich als Team stellen muss; ich hatte von Beginn an das GefĂŒhl willkommen zu sein, und bot daraufhin allen Interessierten ein Fitnesstraining an.
Wie wurde dieses Angebot von Deinen Kameraden angenommen?
Ich hatte nicht mit so groĂem Zuspruch aus der Wehr gerechnet. Daraufhin veranstaltete ich einen zweiten Trainingstag in der Woche, sodass wirklich alle Kameraden die Chance haben, etwas fĂŒr ihre Fitness zu machen. In den letzten Monaten bemerkte ich dann, dass das Training selbst immer besser wurde, wobei meine Kameraden groĂen Anteil daran tragen. Nach jedem Training haben wir zusammen besprochen, was gut war, was verbessert werden kann und auf welche âspeziellen Eigenschaftenâ mehr Wert gelegt werden soll.
 âAlle Feuerwehrangehörige kĂ€mpfen mit
Ă€hnlichen Schwierigkeiten.â
Wie entstand aus dem konkreten, örtlich und zeitlich begrenzten Training ein Konzept fĂŒr alle?
Der praktische Nutzen war unmittelbar zu spĂŒren. Weil die Begeisterung so groĂ war und meine Kameraden zweifelsfrei feststellten, sich im Einsatz fitter zu fĂŒhlen, beschloss ich, das Training und mein Wissen allen RettungskrĂ€ften zu VerfĂŒgung zu stellen. Es macht keinen Sinn, ein solches Angebot nur fĂŒr die eigene Feuerwehr zu entwickeln, wenn doch alle anderen Feuerwehrangehörigen mit Ă€hnlichen Schwierigkeiten zu kĂ€mpfen haben.
Zwischen dem ersten Besuch bei der Feuerwehr und der Entscheidung, das Trainingskonzept fĂŒr alle in Form einer Webseite und eines eBooks zur VerfĂŒgung zu stellen, liegen ja in der Tat nur wenigen Wochen. Wie konnte das so schnell bewerkstelligt werden?
Ich arbeite viel und ich arbeite hart. Ich habe zwar eine Sieben-Tage-Woche, aber wenn man etwas gerne macht, lĂ€sst sich das meistern. Aber ich habe auch viel UnterstĂŒtzung durch meine neuen Kameraden und durch Freunde bekommen. Web(design)technisch, fotografisch, bekam ich ebenso UnterstĂŒtzung, wie organisatorisch, z.B. die Bereitstellung von Trainingsequipment. Inhaltlich â also der sportliche Aspekt â liegt vollstĂ€ndig in meiner Hand. Aber feuerwehrfitness.com steckt quasi noch in den Kinderschuhen.
Neben der Webseite gibt es das eBook âFeuerwehrfitness â Fit fĂŒr jeden Einsatzâ. Wie passt das in Dein Konzept?
Um so schnell wie möglich fit fĂŒr jeden Einsatz zu werden, bedarf es eines Leitfadens, nach dem man sich richten kann. Dieser Leitfaden ist mein eBook. Das Buch ist bewusst simpel gehalten, damit man es auch praktikabel umsetzen kann. Man darf sich aber nicht von der Illusion tĂ€uschen lassen, dass simpel gleich einfach ist!
âFeuerwehrfitness â Fit fĂŒr jeden Einsatzâ ist aber als absolutes Grundlagenwerk zu verstehen. Die darin gelehrten Inhalte mĂŒssen gemeistert werden, damit ein solides Fundament gegeben ist (in dem Fall: spezifische Ausdauer, bewegungsspezifische Kraft, allgemeine Fitness, Verletzungsprophylaxe, Durchhaltevermögen âŠ).
Was treibt Dich an, trotz Arbeit, bald noch Ausbildung bei der Feuerwehr, ein solches, zeitlich wie finanziell anspruchsvolles Projekt voranzutreiben?
Ich habe eine Vision, die von Tag zu Tag deutlicher wird und ich bin mir sicher, damit etwas Gutes bewirken zu können. Das positive Feedback, das ich bisher erhalten habe, bestĂ€rkt mich in meinem Glauben und ich bin allen UnterstĂŒtzern sehr dankbar. Man muss seinem Ziel mit Beharrlichkeit entgegen gehen und sich nicht von Problemen aus dem Lauf bringen lassen.
âFeuerwehrfitness kann den EinsatzkrĂ€ften ein
zusĂ€tzliches Sicherheitspolster geben.â
Du sprichst von einer Vision. Was genau meinst Du damit?
Ich glaube, dass Feuerwehrfitness den EinsatzkrÀften ein zusÀtzliches Sicherheitspolster geben kann, das die Feuerwehrleute in lebensgefÀhrlichen Situationen sehr gut gebrauchen können. Auch glaube ich, dass den Menschen in Gefahr besser geholfen werden kann.
Eines meiner gröĂten Anliegen ist es auĂerdem den Menschen die Möglichkeit zu geben, sich Trainingsgruppen in ihrer NĂ€he anzuschlieĂen. Das Training in der Gruppe ist einfach unglaublich motivierend, pflegt die Kameradschaft und die Chancen, dass man regelmĂ€Ăig trainiert, steigt enorm, da man eine gewisse Verantwortung hat. Bei uns gilt die Regel, dass das Training nur stattfindet, wenn mindestens fĂŒnf Personen zusammenkommen. Oft rafft sich der ein oder andere noch auf, um die Truppe nicht hĂ€ngen zu lassen. Es hat noch niemand bereut, zum Training gekommen zu sein.
Kann der sportliche Aspekt die Feuerwehr attraktiver machen?
Vielleicht macht mein Projekt Feuerwehrfitness die freiwillige Feuerwehr ein StĂŒck weit attraktiver. Möglicherweise entscheiden sich gerade wegen des Fitnessfaktors mehr Leute dafĂŒr, sich in der Feuerwehr zu engagieren? Ich jedenfalls hĂ€tte nicht geglaubt, dass die Feuerwehr eine so tolle Gemeinschaft ist, wenn ich nicht einfach hingegangen wĂ€re. Ich hoffe, es entscheiden sich noch mehr junge Leute fĂŒr die Feuerwehr.
Fit sein geht immer einher mit der richtigen ErnĂ€hrung. In Deinem Buch schreibst Du auch darĂŒber. Aber mal unter uns, hast Du SĂŒĂigkeiten, also so leckeren Sachen wie Nussschokolade oder einem Pana-Cotta-Speiseeis völlig entsagt?
Nein, absolut nicht. Ich denke, wenn man zu hart zu sich selbst ist, löst das eine gewisse Paranoia aus und man kann die schönen Dinge im Leben, nicht mehr genieĂen. Ich persönlich achte auf die 80/20 Regel. 80 Prozent meiner ErnĂ€hrung ist sauber. Im Buch habe ich es etwas „hĂ€rter“ ausgedrĂŒckt, mit Absicht. Ich will ein gewisses Bewusstsein schaffen.
Last but not Least. ErzĂ€hle etwas ĂŒber Dich.
Ich bin Martin Brombeis, Jahrgang 1991, und diplomierter Fitness- und Gesundheitstrainer sowie Strength Coach. Nachdem er einige Jahre als Schlosser in den USA, Thailand, Kanada, Frankreich und anderen Orten lebte, entdecke ich den Sport und die Fitness wieder fĂŒr mich. Zu Beginn aus reiner Wissbegier, beschĂ€ftigte ich mich immer mehr mit Fitness, sodass ich 2014 meinen Job kĂŒndigte und meiner neuen Leidenschaft folgte. Ich machte sich als Personal Trainer selbststĂ€ndig und kam ĂŒber diesen Weg mit RettungskrĂ€ften im Allgemeinen und der Feuerwehr im Speziellen in BerĂŒhrung.
Vielen Dank Martin fĂŒr das interview, das das Feuerwehr Weblog im Juli 2016 fĂŒhrte.
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