Ein Interview mit dem Herausgeber der Zeitschrift FeuerwehrChronik

Wer sich fĂŒr Geschichte und Feuerwehr in Deutschland interessiert, der kommt um die kostenlose Online-Zeitschrift FeuerwehrChronik (fw-chronik.de) nicht herum. Das Feuerwehr Weblog unterhielt sich mit Michael Thissen, einem der Herausgeber ĂŒber das Projekt selbst, den Umgang der Feuerwehren mit ihrer Geschichte und eine Leidenschaft, die viel Zeit in Anspruch nimmt, aber viel Spaß bereitet.

Wenn Du eine berĂŒhmte Feuerwehrpersönlichkeit – egal ob lebendig oder tot – treffen dĂŒrftest: Wer wĂ€re es und warum?

Hier muss ich Erich Tiedt, den ehemaligen Vorsitzenden des Brandenburgischen Feuerwehrverbandes, nennen. In einer damals schwierigen Zeit fĂŒhrte er seinen Verband erfolgreich, zudem begrĂŒndete er 1927 in Beeskow (A. d. R. heute: Brandenburg) die erste Feuerwehrschule „Deutschlands“. Damit war er Vorreiter und Vorbild fĂŒr weitere Feuerwehrschulen, die ab 1930 auch in den anderen Provinzen entstanden.

Ausschnitt aus der FeuerwehrChronik Nr. 3/2020, S. 87-88; aus dem Beitrag "Der Kreisfeuerlöschverband Biberach -
ein Auslaufmodell?" von Bernhard Jennen.
Ausschnitt aus der FeuerwehrChronik Nr. 3/2020, S. 87-88; aus dem Beitrag „Der Kreisfeuerlöschverband Biberach – ein Auslaufmodell?“ von Bernhard Jennen.

Was war Deine letzte Recherche bzw. Dein letztes gelesenes Buch und warum?

Zurzeit recherchiere ich zur Geschichte der Feuerwehrschulen in Deutschland und den ehemaligen deutschen Gebieten. DiesbezĂŒglich habe ich einige FestbĂŒcher ĂŒber einzelne Feuerwehrschulen gelesen. Ohne eine qualifizierte Aus- und Weiterbildung der Feuerwehrleute, wĂ€re ein adĂ€quates Vorgehen bei der Gefahrenabwehr kaum möglich.  Ohne Schulung in Bezug auf Gefahren und taktisches Vorgehen kann ein Feuerwehreinsatz selten gelingen.

Auf welche (Feuerwehr-)Frage hattest Du in letzter Zeit keine Antwort oder hast Du sie finden können?

Es ist sehr selten, dass man keine Antwort findet, denn in der Vergangenheit konnten wir unter den Feuerwehrhistorikern ein großes Netzwerk aufbauen, auf welches man zurĂŒckgreifen kann. So bleibt selten eine Frage unbeantwortet. Die Netzwerke sind im ganzen Bundesgebiet verteilt, aber auch international vertreten. Hier gibt es Tagungen, bei denen man sich auch persönlich kennenlernt. So wird international jĂ€hrlich gemeinsam ein bestimmtes Thema bearbeitet, wie 2019 „Feuerwehr im und auf dem Wasser“.

Wenn Du morgen ein Projekt beginnen und leiten dĂŒrftest – ohne Limit von Ressourcen – welches wĂ€re das und warum?

Der Aufbau einer großen Bibliothek zur deutschsprachigen Feuerwehrgeschichte wĂ€re mehr als spannend und eigentlich auch dringend notwendig. Feuerwehrhistoriker und aktive Feuerwehrleute und andere hĂ€tten hier die Möglichkeit, einen Grundstock oder Nachschlagewerke fĂŒr ihre jeweiligen Forschungen bzw. Aufgabenbereichen zu finden.

Ausschnitt aus der FeuerwehrChronik 5/2012, S. 118-119, S. 118 aus dem Beitrag "Angst vor der Revolution" von Hans Gilbert MĂŒller.
Ausschnitt aus der FeuerwehrChronik 5/2012, S. 118-119, S. 118 aus dem Beitrag „Angst vor der Revolution“ von Hans Gilbert MĂŒller.

Ist die BeschÀftigung mit Feuerwehrgeschichte eine Leidenschaft, die schon immer brannte oder sich erst spÀter entflammte?

Bereits in jungen Jahren (mit 22 Jahren) wurde diese Leidenschaft entfacht. WĂ€hrend dieser Zeit besuchte ich zahlreiche JubilĂ€umsfeste der Feuerwehren in der Umgebung und habe erste Festschriften in den HĂ€nden gehalten. Deren LektĂŒre faszinierte mich und der Wunsch eigene Forschungen zu betreiben, hat hier seinen Ursprung. Die QualitĂ€t der einzelnen Festschriften weicht mitunter stark voneinander ab. Einige Festschriften haben eine hohe QualitĂ€t und bereiten intensiv die Geschichte auf. Andere sind mehr fĂŒr die BĂŒrgerinnen und BĂŒrger gemacht und sollen diese nur im Grundsatz informieren. Es fĂ€llt beim ĂŒberwiegenden Teil der Festschriften leider auf, dass diese die Zeit des 1. Weltkrieges und die Zeit 1933 – 1945 aussparen.

Was gab den Anstoß die FeuerwehrChronik ins Leben zu rufen?

Bernd Klaedtke [A. d. R. Mitherausgeber der FeuerwehrChronik] und ich lernten uns 2002 kennen. Nach intensivem Austausch in den folgenden Jahren versuchten wir, weitere Mitstreiter zu gewinnen bzw. Feuerwehrleuten die Feuerwehrgeschichte nahe zu bringen. Wir konnten unseren Kreisfeuerwehrverband davon ĂŒberzeugen ein Seminar zur Feuerwehrgeschichte abzuhalten, das war Ende 2005. Bernd und ich waren die einzigen Dozenten. Nach dem Seminar kam uns die Idee, die Teilnehmer des Seminars weiter mit Informationen zu versorgen. Das war der Startschuss fĂŒr die FeuerwehrChronik. Sehr schnell fand die FeuerwehrChronik weitere Abnehmer, heute nach 14 Jahren zĂ€hlen wir 400 Abonnenten.

Wodurch zeichnet sich die FeuerwehrChronik aus, worin unterscheidet sie sich von anderen Publikationen?

Die FeuerwehrChronik ist die einzige Zeitschrift, die sich rein mit der Feuerwehrgeschichte befasst und regelmĂ€ĂŸig erscheint. In weiteren Zeitschriften wird das Thema der Feuerwehrgeschichte mal angerissen, dominierend sind dort jedoch die tagesaktuellen Themen.

Ausschnitt aus der FeuerwehrChronik Nr. 02/2008, S. 25-26 aus dem Beitrag "Die Fachzeitschriften >Die Feuer-
lösch-Polizei< bzw. >Deutscher
Feuerschutz<, waren von 1937 -
1945 nacheinander staatliches
Zentralorgan des Feuerlöschwe-
sens im Deutschen Reich" von Dieter Jarausch
Ausschnitt aus der FeuerwehrChronik Nr. 02/2008, S. 25-26 aus dem Beitrag „Die Fachzeitschriften >Die Feuerlösch-Polizei< bzw. >Deutscher Feuerschutz<, waren von 1937-1945 nacheinander staatliches Zentralorgan des Feuerlöschwesens im Deutschen Reich“ von Dieter Jarausch.

Wie beurteilst Du die Bedeutung der Geschichte der Feuerwehr fĂŒr Gegenwart und Zukunft?

Von Wilhelm von Humboldt stammt das Zitat „Nur wer die Vergangenheit kennt, hat eine Zukunft!“. Helmut Kohl erweiterte in einer Bundestagsrede 1995 dieses Zitat, indem er sagte: „Wer die Vergangenheit nicht kennt, kann die Gegenwart nicht verstehen und die Zukunft nicht gestalten.“

Ein gutes Beispiel dafĂŒr ist die zurzeit vermehrt gefĂŒhrte Diskussion zur EinfĂŒhrung von Elektrofahrzeugen – auch bei der Feuerwehr. Dabei können die Gegenwart und die Zukunft auf die Vergangenheit zurĂŒckgreifen, denn im 20. Jahrhundert gab es bereits Elektrofahrzeuge bei den Feuerwehren. Erfahrungen aus der Vergangenheit können dabei helfen eine vernĂŒnftige Konzeption zu entwickeln.[i]

Wie kommen die Artikel bei der Leserschaft an? Habt ihr persönlichen Kontakt zu euren Lesern? Wie sieht der typische Leser aus?

Wir erhalten immer mal wieder positive Mails mit entsprechendem Zuspruch. Viele Personen aus der Leserschaft sind uns persönlich bekannt, mit vielen verbindet uns auch eine Freundschaft. Einen typischen Leser gibt es nicht, denn es ist alles vom Leiter einer Berufsfeuerwehr bis zu AnwÀrtern und AnwÀrterinnen bei der Feuerwehr vertreten. Alle verbindet das Interesse an der Feuerwehrgeschichte.

Was waren die grĂ¶ĂŸten VerĂ€nderungen der FeuerwehrChronik von 2005 bis heute?

Mehrfach wurde das Titelblatt umgestaltet, spĂ€ter zum Teil feste Rubriken eingefĂŒhrt. Im Großen und Ganzen kann aber nicht von großen VerĂ€nderungen gesprochen werden.

Ausschnitt aus der FeuerwehrChronik Heft Nr. 01 aus dem Jahr 2005.
Ausschnitt aus der FeuerwehrChronik 1. Jahrgang, Heft Nr. 01 aus dem Jahr 2005.

Was war der grĂ¶ĂŸte Erfolg, was der grĂ¶ĂŸte Reinfall?

Der grĂ¶ĂŸte Erfolg ist natĂŒrlich, dass die FeuerwehrChronik ĂŒberhaupt existiert. HĂ€tten wir nicht zu Beginn und auch heute so viel positive Resonanz erfahren, könnten wir nicht auf mittlerweile 15. JahrgĂ€nge zurĂŒckblicken. Ein Reinfall blieb uns bis heute erspart.

Habt ihr einen Themenplan oder treten die Autoren an euch heran?

Sowohl als auch. Wir sprechen mögliche Autoren an, zudem treten auch Autoren an uns direkt heran. Das hÀlt sich fast die Waage.

Welches Thema hÀttet ihr gerne bearbeitet?

Da gibt es viele Themen, die noch unbearbeitet sind, eine PrioritÀtenliste existiert hierbei aber nicht. Da wir noch einige Jahre die FeuerwehrChronik betreiben möchten, werden sicherlich noch viele Themen hinzukommen. Vakant sind bisher so Themen wie Vorbeugender Brandschutz, Kommunikationsmittel, Frauen in der Feuerwehr etc.

Wie viel Ressourcen investiert ihr in das Projekt?

Alleine fĂŒr das Gestalten (Layout) der FeuerwehrChronik vergehen oft mehrere Tage, dazu kommt die Autorensuche. Texte mĂŒssen mitunter aufbereitet und sehr selten auch mal korrigiert werden. FĂŒr eine Ausgabe kann man schon eine Woche Arbeit berechnen. Alle Ausgaben der FeuerwehrChronik können von unserer Internetseite fw-chronik.de eingesehen und heruntergeladen werden. Wir sind zudem bei Twitter (twitter.com/FW_Chronik) vertreten, weiter Projekte verfolgen wir zurzeit nicht.

Ausschnitt aus der FeuerwehrChronik 03/2016, S. 56-57 aus dem Beitrag: "Das Kraftfahrwesen des Feuerlöschdienstes im
Deutschen Reich 1933 - 1945"
von Erwin Rodehau
Ausschnitt aus der FeuerwehrChronik 03/2016, S. 56-57 aus dem Beitrag: „Das Kraftfahrwesen des Feuerlöschdienstes im Deutschen Reich 1933 – 1945“ von Erwin Rodehau.

Was wĂŒnscht ihr euch fĂŒr die Zukunft?

Das die Anzahl der Leser noch zunimmt und das Interesse an der eigenen Geschichte bei den Feuerwehren nie ein Ende findet. Zudem das wir immer Autoren mit interessanten Themen finden.

Schlagen wir den Bogen zurĂŒck zum Anfang. Wenn Du eine Sache in der Feuerwehrwelt verĂ€ndern dĂŒrftest: Was wĂ€re das?

Ich hĂ€tte gerne das die deutschen Feuerwehren dem Vorbild der österreichischen Feuerwehren folgen und in jedem Feuerwehrhaus ein Archivraum einrichten. Zudem beschĂ€ftigt man sich dort intensiver mit der eigenen Geschichte, das kann auch beim Tagesgeschehen eine wichtige Rolle spielen. Nehmen wir einmal die Planungen und Überlegungen zur ElektromobilitĂ€t bei den Feuerwehren, hier kann man aus der Vergangenheit lernen, denn bereits im 20. Jahrhundert benutzten Feuerwehren Elektrofahrzeuge.

Vielen Dank Michael Thissen fĂŒr das Interview.

Links


[i] Vgl hierzu: „FĂ€hrt die Feuerwehr elektrisch?“ in: Feuerwehr Weblog vom 02. Januar 2018, zuletzt abgerufen am 26. Juni 2020 (/2018/01/02/faehrt-die-feuerwehr-elektrisch/);  â€žEmmissionsfrei, lautlos aber einsatzbereit“ in: Feuerwehr Weblog vom 09. Oktober 2018, zuletzt abgerufen am 26. Juni 2020 (/2018/10/09/3775/)