Karneval, Fasching, Fasnacht sind vorbei und nun können/dürfen/müssen (nicht Zutreffendes bitte streichen) wir zum Regelbetrieb, in den Alltag zurückkehren. Nachdem dann auch alle Glasscherben, Papierfetzen und menschliche Ausscheidungen zusammengekehrt sein werden, wird Bilanz gezogen, die unterm Strich positiv sein dürfte, auch weil glücklicherweise keine größeren, die Hilfsorganisationen und Sicherheitsbehörden fordernden Ereignisse eintraten. Aus dieser Sichtweise und besonders in der Eigenwahrnehmung ist die Bilanz positiv. Nach außen scheint die Welt der Häßträger in bester Ordnung, schließlich laufen Tausende in Vereinen organisiert durch die Altstädte und vertreiben mit ihren Rufen, Schellen und Rätschen den Winter, das mittelalterliche Brauchtum lebt, denn von ganz jung bis ganz alt, scheinen alle mitzumachen. Wie gesagt, scheinen.
Von innen betrachtet zeigt die Fassade aber deutliche Risse. Immer weniger Menschen interessiert das Brauchtum, Verantwortung wollen auch hier immer weniger übernehmen. Die fünfte Jahreszeit wird reduziert auf das Feiern, aber auch innerhalb der Vereine werden „Traditionen wie eine Monstranz vor sich hergetragen“, der Zeitgeist, die Interessen der Bürger da draußen werden nicht wahrgenommen; man versteckt sich hinter der Geschichte, seinen Orden und dem Brauchtum; man öffnet sich nicht anderen gesellschaftlichen Teilen; andere Vereine werden als Konkurrenz betrachtet; und man geht nicht auf Zugezogene zu.
Kommt euch das irgendwie bekannt vor? Es gibt da nämlich noch so eine traditionsbehaftete Truppe, der es ähnlich geht, wie der organisierten Fasnacht: die freiwillige Feuerwehr. Klar, man kann die freiwillige Feuerwehr als Ganzjahrespartytruppe sehen, die mit ihren Kostümen und Licht- und Soundeffekten für Heiterkeit auf dem Dorffest sorgt. Sie gehört zum Dorf, wie die Kirche und das Gasthaus. Aber auch die freiwillige Feuerwehr kämpft vielerorts mit Nachwuchssorgen und Führungskräftemangel. Andere Möglichkeiten des gesellschaftlichen Engagements jenseits von Hierarchie und Tradition erscheinen den Menschen attraktiver, denn insgesamt gesehen, nimmt das Engagement zu und nicht ab.[1] Es wurden und werden immer mehr extrinsische (!) Gründe ausgemacht, warum es hierzu kommt. An intrinsische Faktoren denken die wenigsten. Die freiwilligen Feuerwehren stehen nämlich den Fasnachtsvereinen in mannigfacher Hinsicht in nichts nach. Auch hier trägt man das Brauchtum einer Monstranz gleich vor sich her, Frauen und Mitbürgern mit Migrationshintergrund öffnet man sich nur zögerlich, Zugezogene müssen sich erst bewähren, die Feuerwehr im Nachbarort nimmt mir das Feuer weg und überhaupt sind die anderen Hilfsorganisationen lästige Konkurrenten im Lokalteil der Zeitung zwischen den Berichten über die Gemeinderatssitzung und das Jahrestreffen des KTC0815.
Die Worte sind hart und vielleicht etwas überspitzt, aber auch die freiwillige Feuerwehr muss sich in ihren Strukturen, im Umgang mit ihren Mitgliedern ändern und dem Zeitgeist anpassen, denn sonst wird sie ihre ach so stolze Geschichte – Vorsicht, da kommt schon wieder die Monstranz – von der normativen Kraft des Faktischen von der Bildfläche verschwinden. „Jede Veränderung beginnt in uns.“ (Dalai Lama) / „Wandlung ist notwendig wie die Erneuerung der Blätter im Frühling“ (Vincent van Gogh).
Meinen Gedanken liegt der Essay „Steht die Konstanzer Fasnacht vor dem Scherbenhaufen?“[2] zugrunde, der auf dem Höhepunkt der lokalen Fasnacht in der Lokalzeitung erschien. Inhaltlich trifft der Text dabei nicht nur auf die Feuerwehren zu, sondern auf fast alle organisierten Vereine.
* Das Zitat im Titel stammt von Antoine de Saint-Exupery
[1] Vgl. „Immer mehr Menschen engagieren sich ehrenamtlich“ https://www.bmfsfj.de/bmfsfj/aktuelles/alle-meldungen/immer-mehr-menschen-engagieren-sich-ehrenamtlich/109030
[2] Benjamin Brumm: Ein Essay: Steht die Konstanzer Fasnacht vor dem Scherbenhaufen? In Südkurier Online vom 10.02.2018 https://www.suedkurier.de/region/kreis-konstanz/konstanz/Ein-Essay-Steht-die-Konstanzer-Fasnacht-vor-dem-Scherbenhaufen;art372448,9611858