Warum kaputte Straßen auch die Feuerwehren interessieren sollten

Spiegelung im Schlagloch

Foto: Spiegelung im Schlagloch von lorenzwalthert (flickr.com) / CC-BY-ND 2.0

 Man stelle sich vor, die Feuerwehr kann zu einem Brand nicht innerhalb der Hilfsfrist zur Tat schreiten, weil die auf dem Weg zum Einsatzort liegende Brücke von Fahrzeugen über 3,5 t aus statischen Gründen nicht mehr befahrbar oder sogar vollständig gesperrt ist. Straßen können nicht mehr in Anspruch genommen werden, weil die Schlaglochanzahl ein rasches Vorankommen nicht erlaubt, ohne die Sicherheit der Fahrzeuginsassen zu gefährden. Schließlich kann Wasser aus dem öffentlichen Hydrantennetz nicht mehr gefördert werden, weil das Rohrleitungssystem nicht mehr gewartet wurde und das meiste Wasser irgendwo versickert. Wegen fehlender Barrierefreiheit konnten sich die betagten Bewohner des brennenden Gebäudes selbsttätig nicht mehr in Sicherheit bringen. …

 Baustelle öffentliche Infrastruktur

Unrealistisches Szenario? Eher nicht. Tatsächlich wird die öffentliche Infrastruktur für die Gefahrenabwehr zu einer Behinderung, wenn sie weiter verfällt. Um die Haushalte zu konsolidieren, unterblieb in der Bundesrepublik seit Jahren die Investition in Straßen, Brücken, Wasserleitungen usw. Gegenwärtig mag das mehr Ärgernis als echtes Problem sein, wenn eine Straße wegen Schlaglöchern nur mit verminderter Geschwindigkeit befahren werden darf oder wenn es zu einem Wasserrohrbruch kommt.

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 Folgen für Wirtschaft und Sicherheit

Für die Zukunft stellt der von Kreditanstalt für Wiederaufbau allein für die kommunale Ebene bezifferte Investitionsrückstand von etwa 100 Milliarden Euro eine echte Krux dar.1 Für die Bundesstraßen sieht es nicht viel rosiger aus.2 Der Deutsche Städte- und Gemeindetag warnte auf seiner Bilanzpressekonferenz für 2012, dass der „Verfall der Infrastruktur … zunehmend zur Wachstumsbremse (wird).“3 Dieser Niedergang hat allerdings nicht nur eine wirtschaftliche, sondern auch einen sicherheitslastigen Aspekt.

 Einnahmen und Ausgaben

Die vergreisende Bevölkerung in Deutschland führt zum Absinken der Wirtschaftsleistung, weil weniger Menschen arbeiten, und damit zu geringeren Steuereinnahmen. Gleichzeitig benötigt der Staat finanzielle Mittel zum Erhalt und Anpassung seiner Infrastruktur. Eine greise Bevölkerung hat durchgängig andere Bedürfnisse hinsichtlich Barrierefreiheit, als eine agile. Doch die dafür zusätzlich bis 2030 benötigten 53 Milliarden Euro fehlen ebenso.4

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Rückzug aus der Fläche

Weniger Einnahmen bei gleichbleibenden oder steigenden Ausgaben führen zu einer Spirale der Verschuldung und zum Aufschub von Investitionen. Schwarzmalerei? Wohl kaum, weil in einigen Kommunen längst bittere Realität.5 Aufgeschobene Investitionen haben sekundäre Effekte, wie besagtes Verlängern oder vollständiges Versagen der Hilfsfrist. Zielgerecht entgegenwirken lässt sich dem nur mit Geld, mit massiv viel Geld oder alternativ dem Aufgeben von ganzen Siedlungen und Straßenzügen, um die Sicherheit der Menschen an anderem Ort zu gewährleisten. Gleiches trifft auf die ebenfalls vom Damoklesschwert der Demographie und Finanzierung betroffene Gefahrenabwehr zu, die, statt weiter dem dezentralen Konzept zu folgen, sich dort konzentrieren muss, wo die Menschen leben, und wo das Tätigwerden im Einsatzfall durch die Infrastruktur gewährleistet ist.6

Fußnoten / Quellen

1 KfW Bankengruppe: KfW Kommunalpanel 2011, Frankfurt 2012, S. 67. (PDF)

2 Karl-Heinz Daehre: Zukunft der Verkehrsinfrastrukturfinanzierung. 2012. (PDF)

3 http://www.dstgb.de/dstgb/Pressemeldungen/Reformstau%20im%20Wahljahr%20vermeiden/

4 O.A.: Alterung nimmt rasant zu. In: Behörden Spiegel, Nr. I, 29. Jg., 3. Woche, Jan 2013, S. 7

5 Welche Folgen eine vergreisende und zurückgehende Bevölkerung für eine Gemeinde hat, zeigen Bose/Wirth am Beispiel der thüringischen Kleinstadt Johannesgeorgenstadt. Der Erhalt der Infrastruktur finanziert sich durch Steuern und Abgaben, die in Summe für den Einzelnen steigen, je geringer die abgabenpflichtige Bevölkerung ist. Marc Bose, Peter Wirth: Gesundschrumpfen oder Ausbluten. In: Aus Politik und Zeitgeschichte, Nr. 21-22, 2006, S. 18-24.  (PDF)

6 Vgl. Barlösius, die ausgehend von der Feststellung Matthias Platzecks, dass es die im Grundgesetz postulierten gleichwertigen Lebensverhältnisse nicht (mehr) gibt, in räumlicher Hinsicht eine Differenzierung vorschlägt, die nahe an den Gedanken der sozialräumlichen Konzentration kommt. Eva Barlösius: Gleichwertig ist nicht gleichwertig, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, Nr. 37, 2006, S. 16-22. (PDF)