Eine Kolumne von Dr. Ulrich Cimolino

Feuerwehrfahrzeug der FF Hamburg

Symbolbild Feuerwehrfahrzeug. Bild: fwnetz.de/feuerwehr-weblog.org

Zunehmend – welch herrliches Wortspiel – gibt es Probleme mit den Gewichten.

Dies betrifft zum einen das Einsatzpersonal, das sich durch die Aufnahme des Body-Mass-Index in die Beurteilungskriterien der G 26.3 angegriffen bzw. mindestens in der Ehre bedroht fĂŒhlt. Aber mal ehrlich: Wer kennt einen Feuerwehr-Kraftsportler, der ggf. weit ĂŒber den ĂŒblichen BMI-Werten liegt, aber trotzdem topfit ist – und wegen eines zu hohen BMI vom Arbeitsmediziner fĂŒr untauglich im Sinne der G 26.3 geschrieben wurde – persönlich?

Vermutlich keiner! Und ebenso vermutlich ist jedem klar, dass es viele gibt, die mit ach und krach die Untersuchung schaffen – ggf. auch nur als alte Bekannte jahrelang fĂŒr die Feuerwehr tĂ€tiger Ärzte? – mit denen man aber nicht unbedingt im Angriffs- geschweige denn notwendig werdenden Sicherheitstrupp zusammenarbeiten möchte, weil man sich nicht sicher ist, ob die LeistungsfĂ€higkeit reicht. Seit Jahren gibt es zahlreiche Fitnessprogramme auch speziell fĂŒr die Feuerwehr. Wie sieht es ganz ehrlich mit deren Akzeptanz und regelmĂ€ĂŸiger (!) Nutzung aus?

Wo sind eigentlich die, die sich vehement fĂŒr die „echten Kerle“ (bzw. deren Gewichte) bei der Feuerwehr einsetzen, die man nicht ausschließen dĂŒrfe, wenn es um die Gewichtsdiskussionen von Feuerwehrfahrzeugen geht?

1. Wasser wiegt!

2. Mehr Wasser wiegt mehr!

Die Wibera-Diagramme von 1978 (!) weisen fĂŒr 1.200 l (ehem. LF 16/12) einen Anteil von ca. 85 % damit zu löschender BrĂ€nde auf. Die Erhöhung der Menge um 400 % (ehem. TLF 24/50) bringt eine Erfolgserhöhung um nur ca. 7 Punkte!

Wie sinnvoll ist es, die Gewichtsreserve fĂŒr zusĂ€tzliches Wasser zu opfern? Was bringt es, LF 20/16 mit 2.400 l Wasser – oder mehr – vorzuhalten?

3. Erstangriffsfahrzeuge benötigen fĂŒr den Innenangriff vom Löschwassertank eine Mindestwassermenge!

1 – 2 B-SchlĂ€uche (bis Verteiler) und 2 x 2 – 3 C-SchlĂ€uche (fĂŒr 1. bzw. Sicherungs-Rohr) mĂŒssen gefĂŒllt werden, bevor mit dem Rest die BrandbekĂ€mpfung begonnen werden kann. Die Wassermenge muss dann reichen, bis die Wasserversorgung sicher steht. Das bedeutet ca. 1.000 l! FĂŒr den Rest: VORHER WV aufbauen!

4. Die Grenzen der Armaturen und SchlÀuche gelten immer im Verbund!

„B“-Rohre haben normalerweise im Innenangriff ebenso wenig Sinn, wie D-Rohre. Heute verkaufen einige das eine, andere das andere als Philosophie.

Werfer bringen Literleistungen, die schon allein nur mit MĂŒhe von der eingebauten FP erfĂŒllt werden können, geschweige denn mit handgefĂŒhrten „Zusatzrohren“. Noch problematischer wird dies oft bei Druckzumischanlagen. 2 FP mit nur einem Satz saugseitiger Armaturen und knapp ĂŒber 10 B-SchlĂ€uchen auf einem Löschfahrzeug sind selten, trotzdem selten sinnvoll.

5. Baurechtsgrenzen gelten unabhĂ€ngig von der GrĂ¶ĂŸe und „ModernitĂ€t“ der aktuellen Löschfahrzeuge (v.a. fĂŒr LF 16, LF 16/12, HLF 20/16 etc.) bzw. HubrettungsgerĂ€te!

Dies gilt v.a. fĂŒr Fw-Zufahrten/-aufstellflĂ€chen, vgl. DIN 14090 und Baurechtsbestimmungen. FĂŒr die Fahrzeuge (Erstangriffsfahrzeuge, HubrettungsgerĂ€te) bedeutet dies u.a. die BeschrĂ€nkung der Achslasten (max. 10 t!) sowie der zGM (max. 16 t!).

Werden diese nicht eingehalten, MUSS man sich mindestens fĂŒr den eigenen Einsatzbereich SICHER sein, dass dies NIRGENDS ein Problem darstellt. SpĂ€testens bei der ĂŒberörtlichen Hilfeleistung wird es trotzdem problematisch!

6. Die Gewichtsverteilung in Einsatzfahrzeugen hat einen erheblichen Einfluß auf die Fahrsicherheit und GelĂ€ndetauglichkeit!

Sehr ungleichmĂ€ĂŸige bzw. ĂŒber die Toleranzgrenzen der Fahrgestellhersteller hinaus gehende Beladung (egal ob rechts/links; vorn/hinten) wirkt sich auf die Fahrsicherheit aus. Insbesondere zu hecklastig beladene Fahrzeuge mit großer (ggf. sogar leerer Gruppen-)Kabine können in lang gezogenen und schnell gefahrenen Kurven mit Bodenwellen praktisch unkontrollierbar werden.

Im GelĂ€nde ist bei dafĂŒr spezialisierten Fahrgestellen (Allrad, Singlebereifung, Diff.-Sperren), eine möglichst gleichmĂ€ĂŸige Gewichtsverteilung bei niedrigem Schwerpunkt anzustreben. Nur damit kann die Leistung des Fahrgestells auch voll auf den Boden gebracht werden. Dies gilt fĂŒr den Vortrieb, wie fĂŒr die „Bremsleistung“ des Antriebsstrangs.

7. Die Grenzen der StVZO, v.a. der Achslasten und Gesamtgewichte (§ 34), gelten auch fĂŒr Einsatzfahrzeuge!

Immer mehr Einsatzfahrzeuge, z.B. „moderne“ GTLF, benötigen Sondergenehmigungen, um ĂŒberhaupt im Straßenverkehr bewegt werden zu dĂŒrfen. UnabhĂ€ngig von der Notwendigkeitsdiskussion der Löschmittelmengen muss hier die Frage auch nach dem Sinn bzw. der GefĂ€hrlichkeit von so aus- bzw. ĂŒberladenen Fahrzeugen gestellt werden. Bei wirklichem Bedarf ist eine Achse mehr ggf. die bessere Wahl.

8. Die Grenzen der Löschwirkungen gelten auch fĂŒr „modernste“ Technik!

Das betrifft die Mindestapplikationsraten von Löschmitteln: Auch mit einem Gartenschlauch (oder einem HD-Schnellangriff) kann man eine Lagerhalle bekĂ€mpfen, die geht dann – irgendwann – auch (von selbst) aus.

Das betrifft aber auch die Hauptlöschwirkungen: „Schaum“ trennt v.a. Brandgut und Sauerstoff (erstickende Löschwirkung). NatĂŒrlich kĂŒhlt auch das im Schaum enthaltene Wasser (aber NUR das) bzw. isoliert die Luft (im Schaum) vor WĂ€rmestrahlung, aber in welchem Umfang trĂ€gt das zum Löscherfolg bei?

Nicht jedes Schaummittel ist auch ein geeignetes Netzmittel!

9. Sonderlöschmittel mĂŒssen in Art, Menge und Zumischung zum Bestimmungszweck passen!

Man KANN mit AFFF auch FeststoffbrÀnde löschen, das geht aber sogar nur mit Wasser.

Man KANN trockenen (Druckluft-)Schaum gut an WĂ€nde klatschen, nur kĂŒhlt das nicht viel – und die Isolationswirkung wird bei echter WĂ€rmebeaufschlagung logischerweise mangels KĂŒhlleistung auch nicht lange halten.

150 l Schaummittel reichen bei 3 %-iger Zumischung ungefĂ€hr fĂŒr den Tank eines TLF 24/50. TLFs dieser GrĂ¶ĂŸe sollten daher schon entweder ĂŒber mehr Schaummittel oder entsprechende Konzentrate verfĂŒgen.

10. Jedes Löschmittel auf jedem noch so großen neuen Löschfahrzeug wird irgendwann nicht mehr ausreichen!

Dann sind entscheidend

– das Förderkonzept, das in Pumpenleistung, SchlauchlĂ€ngen und Ausbildung zum Bedarf passt,

– das Alarmierungs- bzw. Nachschubkonzept, das so schnell technisch und taktisch passende (!) Sonderlöschmittel zu- bzw. nachfĂŒhrt, dass diese eintreffen, bevor es beim geplanten Einsatz zu Ende geht.

11.Noch so gelĂ€ndegĂ€ngige Fahrzeuge können beim Fahren ĂŒber brennende Stoppelfelder zur Markierungsfackel – oder bei einer Wasserdurchfahrt zum Wasserhindernis – werden.

GeschĂŒtzte Druckluft- bzw. Kraftstoffleitungen gehören in Deutschland selbst bei TLF „W“ eher ebenso zu den Ausnahmen, wie eine nennenswerte WatfĂ€higkeit. Dies wird durch Euro 4/5 noch komplizierter und teurer!

12. Je mehr verschiedene NachschubgĂŒter benötigt werden, umso wahrscheinlicher kommt das falsche!

Dies gilt v.a. fĂŒr Atemschutz (Über-/Normaldruck; Kopfspinne/HMK) und Sonderlöschmittel (MBS, ClassA, (alkoholbestĂ€ndiges) AFFF; normal/Konzentrat; Gele usw.).

Bei allem technischen Fortschritt und „Automation“ bleiben die Mannschaft und ihre FĂŒhrer das wichtigste Potential.

Über den Autor

Dr. Ulrich Cimolino ist seit 1981 in der Feuerwehr aktiv, zunĂ€chst freiwillig, seit 1991 auch hauptberuflich. Der Sicherheitsingenieur leitete von 1993 – 1998 die Abteilung Ausbildung und seit 1997 die Abteilung Technik bei der Feuerwehr DĂŒsseldorf. DarĂŒber hinaus arbeitet er fest im Fachnormenausschuss Löschfahrzeuge im Deutschen Institut fĂŒr Normung und im Arbeitskreis Technik der AGBF NW mit. Einem breiteren Feuerwehrpublikum ist er vor allem durch seine umfangreiche publizistische TĂ€tigkeit zu Themen rund um „die Feuerwehr“ und zahlreiche Seminare, Tagungen und VortrĂ€ge bekannt.

[cimolino.de | einsatzpraxis.org | standardeinsatzregel.org | einsatzleiterhandbuch.org]

Off Topic

An jedem ersten Dienstag im Monat erscheint eine Kolumne im Feuerwehr Weblog. Begonnen hat dies am 6. September 2016. Gerne dĂŒrfen auch unsere Leser ein Thema aufgreifen und uns einen Text zusenden, gleichzeitig versuche ich (namhafte) Feuerwehrangehörige oder der Feuerwehr nahe stehenden Personen hierfĂŒr zu gewinnen. Da wir ein privates, nicht-kommerzielles Medium sind, bleiben als Belohnung nur der Ruhm, die Anerkennung und die Meinungsfreiheit. Überlegt es euch.