Eine Kolumne von Stefan Cimander

Symbolbild Feuerwehrhaus

Symbolbild Feuerwehrhaus

Ich war sechs Jahre alt, verbrachte die Sommerferien bei den Großeltern und wurde nachts durch das Geheul der Warnsirene, mit dem die örtliche freiwillige Feuerwehr damals alarmiert wurde, elektrisiert. Am nĂ€chsten Tag erfuhr ich, dass Teile der Unterkunft einer Hilfsorganisation ein Raub der Flammen wurde. Mein jĂŒngeres Ego war damals betroffen, aber als Erwachsener bin ich heute nicht weniger schockiert, wenn ich erleben muss, wie die Fahrzeuge und die HĂ€user der Retter selbst zum Einsatzort werden. Mittlerweile erfĂ€hrt man regelmĂ€ĂŸig ĂŒber den Totalverlust eines Hauses der Feuerwehr (oder einer anderen Hilfsorganisation) oder schwere SchĂ€den durch BrĂ€nde: Kronshagen (2017)[i], Brachttal (2017)[ii], Bad Wiessee (2017)[iii], Kressbronn (2016)[iv], Buxheim (2016)[v], Jebenhsauen (2014)[vi], Crumstadt (2014)[vii], Scharrel (2013)[viii], Syke (2009)[ix], etc.; nur um mal einige Beispiele zu nennen, bei denen nicht nur Millionenschaden entstand, sondern es mitunter auch grĂ¶ĂŸere Feuerwehren traf. Trifft es nur freiwillige Feuerwehren? Keineswegs! Auch stĂ€ndig besetzte Feuerwachen sind betroffen, so z. B. ein VerwaltungsgebĂ€ude in Duisburg (2008)[x] oder die Leitstelle der Feuerwehr Hamburg (2016)[xi].

Es gibt zahllose Beispiele fĂŒr „Feuer bei der Feuerwehr“, auffallend oft finden sich dabei auch „nur“ brennende Einsatzfahrzeuge[xii], die sich oftmals – GlĂŒck und UnglĂŒck tragen einander auf dem RĂŒcken – im Freien befanden. Einen Unterschied erkennt man: WĂ€hrend es bei BrĂ€nden in nicht stĂ€ndig besetzten FeuerwehrhĂ€usern oft zum Totalverlust kommt, hĂ€lt sich der Schaden in stĂ€ndig besetzten Wachen in Grenzen. Das liegt auf der Hand: Das GebĂ€ude ist 24/7 besetzt und ein Brand schlicht frĂŒher erkannt. Auch quantitativ stehen 300 besetzte 30.000 unbesetzten FeuerwehrhĂ€usern gegenĂŒber, sodass allein die Statistik eine Sprache zu sprechen vermag. Aber gibt es vielleicht auch einen qualitativen Unterschied?

Wir – die Feuerwehr – predigen, die Bestimmungen zum Brandschutz einzuhalten, egal ob bei einer BrandverhĂŒtungsschau oder wĂ€hrend einer EinsatzĂŒbung; wir weisen den Betreiber auf die entsprechenden Vorgaben hin, aber halten wir uns selbst auch daran? Schließen wir die BrandschutztĂŒren, wenn ĂŒberhaupt vorhanden? Benutzen auch wir die berĂŒchtigten „F90-TĂŒrkeile“, weil die geschlossene TĂŒr zur GerĂ€tebox beim Eilen zum Fahrzeug einfach nervt? Ist die Fahrzeughalle als Lagerraum zweckentfremdet? Sind alle baulichen und elektrischen Um- und Anbauten fachgerecht durchgefĂŒhrt und abgenommen sowie regelmĂ€ĂŸig durch einen Fachmann geprĂŒft? Finden die jĂ€hrlichen PrĂŒfungen nach DGUV Vorschrift 3 statt?[xiii]

Ich selbst erinnere mich an unzĂ€hlige – auch stĂ€ndig besetzte Wachen – die rĂ€umlich aus allen NĂ€hten Platzen und jeder freie Quadratzentimeter genutzt und mit (brennbaren) GegenstĂ€nden belegt war. Löcher in der Wand zeugten von Arbeiten an der Hauselektrik, wenn die Kabel nicht gleich offen auf dem Boden verlegt waren. Eine Form der Raumordnung, die uns als Feuerwehr das Vorgehen bei unseren Kunden bisweilen schwierig macht und mitunter den Ruf nach einer VerschĂ€rfung bestehender Vorschriften und mehr Kontrolle laut werden lĂ€sst.

Andererseits lĂ€sst sich, ohne jemandem etwas unterstellen zu wollen, auch fragen, ob hauptamtliche Feuerwehren bei der Einhaltung von PrĂŒfintervallen und Umbauten vielleicht akkurater vorgehen, als eine ehrenamtliche Wehr? Je professioneller und hierarchischer die Organisation, desto mehr Vorschriften sind bekannt und werden gelebt und desto mehr Kontrolle ist die Folge, ließe sich schlussfolgern. Aber ist das wirklich so?

Gut gemeinte und/oder nicht fachgerecht ausgefĂŒhrte Arbeiten an der Elektrik von Haus und Fahrzeug – die mitunter an Basteleien erinnern – oder nicht geeignete Bauteile können eine Brandursache sein. Aber Fehler passieren auch dem Feuerwehrmann, der ausgebildeter Elektriker ist, wie auch einem zertifizierten Meisterbetrieb. Technische Defekte sind sowieso nie auszuschließen.

Die meisten BrĂ€nde von FeuerwehrhĂ€usern scheinen auf fehlerhafte Elektrik in Fahrzeugen oder defekte Akkus in GerĂ€ten zurĂŒckzufĂŒhren – zumindest tauchen diese Schlagwörter in den verlinkten Presseberichten auf. Der nachtrĂ€gliche Einbau von LadegerĂ€ten bei falscher bzw. nicht leistungsfĂ€higer Elektrik ist ein Problem. Muss es aber immer der elektrische Umbau sein? Nein, auch Lithium-Ionen-Akkus können Brandursache sein. Da muss man noch nicht einmal das Beispiel des Galaxy Note 7 zitieren[xiv], denn bei der Feuerwehr gibt es aktuell einen RĂŒckruf wegen defekter Akkus in einer Handlampe.[xv] Auch wenn entsprechend akkubetriebene GerĂ€te bei der Feuerwehr fĂŒr schwierige Umweltbedingungen umgebaut und getestet sind, darf bei allem Technikglauben nicht unterschlagen werden, dass die Separatoren in Lithium-Ionen-Akkus durch mechanische BeschĂ€digungen infolge zu hoher Temperaturen (sic!) oder durch Sturz so beschĂ€digt werden können, dass Brandgefahr besteht. Der Umgang und die Handhabung mit den GerĂ€ten sind also entscheidend.[xvi]

Was tun? Streng genommen gehören FeuerwehrhÀuser nÀmlich zu den kritischen Infrastrukturen. Im Prinzip gibt es drei Ansatzpunkte: baulich, technisch und organisatorisch.

Baulich ist dem Thema nur bei Neu- und Umbauten nachzukommen, z. B. die konsequente brandschutztechnische Unterteilung einer Fahrzeughalle und den angrenzenden Lager- und UmkleiderĂ€umen.[xvii] Auch kann man ĂŒber die bauordnungsrechtlichen Minimalanforderungen hinausgehen und z. B. die Fahrzeughalle in zwei Brandabschnitte unterteilen. Allerdings stellt sich mitunter die Frage nach zusĂ€tzlichen Kosten. Ziel sollte es grundsĂ€tzlich immer sein, dass ein Brandereignis nicht die komplette EinsatzfĂ€higkeit der Feuerwehr gefĂ€hrdet.

Technischer Brandschutz meint neben einer ordentlichen Elektrik auch den Einbau einer Brandmeldeanlage mit automatischen Meldern und Alarmweiterleitung, ein Thema, das in Feuerwehrkreisen sehr kontrovers diskutiert wird und bisweilen auch zu Streit zwischen Feuerwehr (die das haben will) und Stadt fĂŒhrt (die sich das Geld sparen möchte, weil keine Pflicht bestehe).[xviii] Eine BMA verursacht Kosten, Kosten die eine Stadt natĂŒrlich unter Verweis auf das Bauordnungsrecht und die DIN 14092 „FeuerwehrhĂ€user“[xix] zu Recht vermeiden will. Aber neben der Frage, welche Werte in einem Feuerwehrhaus stehen (und das geht schnell in die Millionen), stellt sich die Frage ob es Objekte gibt, die mehr „Schutz“ benötigen, wie Rettungszentren, StĂŒtzpunktfeuerwehren oder Wehren mit SpezialgerĂ€ten? Auch die Frage nach der AAO bei dem BMA-Objekt Feuerwehrhaus ist legitim? Kann man die eigene Feuerwehr als vollwertig einplanen? Oder kommt parallel oder singulĂ€r eine andere Wehr hinzu?

Den organisatorischen Brandschutz kennt jeder von seinem Arbeitsplatz: FĂŒr jeden Betrieb sollte es eine Brandschutzordnung geben, die regelt, was wo erlaubt oder nicht erlaubt ist. Gibt es so etwas bei der Feuerwehr? Gehört habe ich persönlich noch nie etwas davon! Ich weiß zwar von Objektbegehungen hinsichtlich Einhaltung des Arbeitsschutzes bzw. der Vorgaben aus der GefĂ€hrdungsbeurteilung und den Hinweisen der FUK zur (Personen-)Sicherheit im Feuerwehrhaus[xx], aber explizit auf eine Brandschutzordnung bin ich bei der Feuerwehr im Gegensatz zu meinem Arbeitsplatz noch nie hingewiesen worden. Hier schließt sich der Kreis zum oben genannten Punkt: Halten wir uns an die vielen Kleinigkeiten, wie Aufkeilen oder dem AusfĂŒhren feuergefĂ€hrlicher Arbeiten?

„Das Schnitzel ist bei so manchem leider das Einzige, das ĂŒber den Tellerrand schaut“[xxi] – ohne jetzt boshaft sein zu wollen, wir sind die Feuerwehr, und wir wissen am besten, wie Brandschutz funktioniert.

Endnoten

[i] Brand des Feuerwehrhauses in Kronshagen (SH) nach technischem Defekt.
http://www.kn-online.de/News/Nachrichten-aus-Rendsburg/Grossfeuer-bei-der-Feuerwehr-Kronshagen-Alle-Fahrzeuge-zerstoert

[ii] UnsachgemĂ€ĂŸe Entsorgung von Asche fĂŒhrt zu BrandschĂ€den im Feuerwehrhaus Brachttal (HE).
http://www.gelnhaeuser-tageblatt.de/lokales/main-kinzig-kreis/brachttal/feuer-bei-der-feuerwehr-spielberg_17580253.htm

[iii] Durch Schweißarbeiten verursachte Explosion in einem Rettungszentrum in Bad Wiessee (BY).
http://www.sueddeutsche.de/bayern/oberbayern-explosion-in-bad-wiessee-haus-von-feuerwehr-und-brk-brennt-1.3377189

[iv] Die Fahrzeughalle und sieben Einsatzfahrzeuge der Feuerwehr Kressbronn (BW) sind nach Brand unbrauchbar. Ursache unklar.
http://www.suedkurier.de/region/bodenseekreis-oberschwaben/kressbronn/Kressbronner-Feuerwehr-nach-Grossbrand-nicht-mehr-einsatzfaehig;art372482,8824647

[v] Vermutlich explodierende Sauerstoffflaschen lösen Brand im Feuerwehrhaus Buxheim (BY) aus.
http://www.augsburger-allgemeine.de/bayern/Brand-zerstoert-Feuerwehrhaus-id37339902.html

[vi] Der Brandherd konnte in einem Löschfahrzeug der Feuerwehr Jebenhausen (BW) ausgemacht werden. Ein technischer Defekt wird vermutet.
http://www.swp.de/goeppingen/lokales/polizeibericht/feuerwehrmagazin-in-jebenhausen-steht-in-flammen-11528106.html

[vii] Brand im Feuerwehrhaus Crumstadt (HE), Ursache wird in der Funkwerkstatt vermutet, in der LadegerÀte standen.
http://www.echo-online.de/lokales/kreis-gross-gerau/riedstadt/feuer-bei-der-feuerwehr-brandstiftung-ausgeschlossen_15655421.htm

[viii] Ein Defekt im Umfeld der Fahrzeuge gilt als Brandursache in Scharrel (NI).
https://www.kreiszeitung.de/lokales/niedersachsen/feuerwehrwache-saterland-flammen-fuenf-millionen-euro-schaden-3148613.html
https://www.nwzonline.de/cloppenburg/blaulicht/feuerwachen-brand-vermutlich-keine-brandstiftung_a_9,4,382769370.html

[ix] Brandstiftung zerstörte bereits zum zweiten Mal das Feuerwehrhaus der Feuerwehr Syke (NI).
https://www.kreiszeitung.de/lokales/diepholz/syke-ort44535/lange-zurueck-normalitaet-3305726.html

[x] Brand im Sozialtrakt im VerwaltungsgebÀude der Feuer- und Rettungswache 1 in Duisburg (NW).
http://www.rp-online.de/nrw/staedte/duisburg/brand-bei-der-feuerwehr-aid-1.993944

[xi] In der Leitstelle der Feuerwehr Hamburg (HH) kam es zu einem Kabelbrand.
http://www.abendblatt.de/hamburg/hamburg-mitte/article207415513/Nach-Brand-Feuerwehr-ist-zurueck-in-die-Leitstelle-gezogen.html

[xii] UnvollstÀndige Liste mit Beispielen brennender Einsatzfahrzeuge:

  • Havighorst  http://www.shz.de/lokales/stormarner-tageblatt/feuerwehr-loescht-feuer-in-eigenem-fahrzeug-id16228281.html;
  • Radolfzell http://www.suedkurier.de/region/kreis-konstanz/radolfzell/Feuerwehrauto-geraet-in-Brand;art372455,9081736;
  • ZĂŒlichendorf  http://www.maz-online.de/Lokales/Teltow-Flaeming/Feuerwehrauto-brennt-auf-der-Landesstrasse-80-bei-Zuelichendorf-komplett-aus-400000-Euro-Schaden;
  • Frankenförde http://www.berliner-zeitung.de/feuerwehrauto-brennt-bei-probefahrt-voellig-aus-24276862;
  • Dörrnsteinbach http://www.main-echo.de/regional/blaulicht/art2517,2533951;
  • GĂŒnzburg http://mindelmedia-news.de/guenzburg-nagelneues-feuerwehrfahrzeug-verunfallt-und-brennt/;
  • Erkrath  http://www.wz.de/lokales/kreis-mettmann/feuerwehrauto-brennt-auf-der-autobahn-ab-1.1331245;
  • Schmalfelderhof http://www.rheinpfalz.de/lokal/kirchheimbolanden/artikel/feuerwehrauto-brennt-aus/

[xiii] Die DGUV Vorschrift 3: UnfallverhĂŒtungsvorschrift Elektrische Anlagen und Betriebsmittel (bisher BGV A3) regelt die PrĂŒfung von in Betrieben verwendeten ElektrogerĂ€ten.
http://publikationen.dguv.de/dguv/udt_dguv_main.aspx?FDOCUID=24164

[xiv] Wikipedia-Artikel zur Causa Galaxy Note 7 https://de.wikipedia.org/wiki/Samsung_Galaxy_Note_7

[xv] Bei bestimmten Chargen der Adalit-Handleuchte L-3000 sind mangelhafte Akkus entdeckt worden.
http://www.feuerwehr-ub.de/aktuelle-meldungen/r%C3%BCckruf-adalit-l-3000-akku-fehlerhaft

[xvi] UnsachgemĂ€ĂŸe Handhabung gilt als Brandursache von E-Bike-Akkus:

  • http://www.rp-online.de/leben/auto/fahrrad/warum-e-bike-akkus-explodieren-koennen-auf-richtige-handhabung-achten-aid-1.6608838
  • http://www.hr-online.de/website/fernsehen/sendungen/index.jsp?rubrik=96936&key=standard_document_63250972.

In dem Kontext nicht uninteressant ist eine Einsatz der Feuerwehr Hannover, die zum Brand in einem E-Bike-GeschÀft gerufen wurde, nachdem ein E-Bike-Akku explodierte.
https://www.heise.de/newsticker/meldung/Hannover-Explosion-von-E-Bike-Akku-loest-Parkhausbrand-aus-3619564.html

[xvii] Durch einen technischen Defekt an einer Akku-Ladestation kam es im Feuerwehrhaus der Feuerwehr Bregenz (Vorarlberg/Österreich) zu einem Brand, der drei Fahrzeuge in Mitleidenschaft zog. GlĂŒck im UnglĂŒck: Die Erstangriffsfahrzeuge standen in einer anderen Fahrzeughalle. http://www.vol.at/vorarlberg-brand-in-der-fahrzeughalle-der-feuerwehr-bregenz-stadt/5197652

[xviii] Rottweil (BW). http://www.schwarzwaelder-bote.de/inhalt.rottweil-was-ist-wenn-s-bei-der-feuerwehr-brennt.853cdeb4-bd7d-4454-b444-a041793f0288.html

[xix] https://www.beuth.de/de/norm/din-14092-1/149565260

[xx] „Das sichere Feuerwehrhaus“. Das Heft zum Medienpaket der Feuerwehr-Unfallkassen zum Medienprogramm „Blickpunkt Feuerwehr-Sicherheit“. Ausgabe 2010.

[xxi] Zit. N. Lilli U. Kreßner, Schriftstellerin, Dichterin, Zeitungskolumnistin

Danksagung

Vielen Dank fĂŒr die zahlreichen ErlĂ€uterungen zum Thema baulicher und technischer Brandschutz sowie den Hinweisen zum Thema Elektrik und Akkus an Ulrich Wolf (pvsafety) und Benjamin Tschirley sowie Andreas Hackenschmidt.

Off Topic

An jedem ersten Dienstag im Monat erscheint eine Kolumne im Feuerwehr Weblog. Gerne dĂŒrfen auch unsere Leser ein Thema aufgreifen und uns einen Text zusenden, gleichzeitig versuchen wir (namhafte) Feuerwehrangehörige oder der Feuerwehr nahe stehenden Personen hierfĂŒr zu gewinnen. Da wir ein privates, nicht-kommerzielles Medium sind, bleiben als Belohnung nur der Ruhm, die Anerkennung und die Meinungsfreiheit. Überlegt es euch.