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Jeder, der beruflich Notrufe in einer Feuerwehr- und Rettungsleitstelle annimmt kennt diese Art von Notrufen: Es wird etwas gemeldet, der Anrufer ist sich aber nicht sicher, ob das wirklich sooo schlimm ist und bittet darum, nur „mal eben zum nachschauen“ und nur mit „einem Wagen“ und wenn es geht „ohne so viel Lärm und Blaulicht“ vorbei zu kommen.

Dies sind dann Einsätze, die Feuerwehrintern und spaßeshalber mit dem Alarmstichwort „Fahrt mal gucken 1“ bezeichnet werden.

Oft handelt es sich dann wirklich nur um Kleinigkeiten, aber jeder Feuerwehrmann und jeder Disponent kann ihnen aus dem Stand mehrere Fälle erzählen, wo sich Kleinigkeiten vor Ort als gefährliche Schadensereignisse herausgestellt haben. Da wird der leichte Brandgeruch in der eigenen Wohnung plötzlich zu einem Vollbrand der darunter liegenden Wohnung, aus dem leichten Blechschaden am eigenen PKW wird ein schwerer Verkehrsunfall mit eingeklemmter Person im anderen PKW und aus den leichten Atembeschwerden wird ein Wiederbelebungsmaßnahme.

Das Einschätzen der Auswirkung und der Ausdehung eines Schadensereignisses gehört zu den schwierigsten Aufgaben, die Einsatzkräfte durchführen müssen. Es beginnt mit Einschätzen des Notrufes – hier muss der Disponent abschätzen, was ihm da gerade gemeldet worden ist und eine „entsprechende Menge X“ an Einsatzmitteln dahin schicken. Und hier wird immer von einer Anscheinsgefahr ausgegangen: Brandgeruch bedeutet halt, dass es eben wirklich irgendwo brennt und nicht nur ein Kabel schmort und dann wird eben der ganze Löschzug geschickt.

Den Schadensfall schon im ersten Zugriff mit ausreichenden Kräften in den Griff zu bekommen ist nicht nur eine komische Tradition oder Selbstbeschäftigungstherapie der Feuerwehr, es ist einfach im Interesse desjenigen, der einen Notruf absetzt. Dies wird aber nicht immer erkannt bzw. honoriert, denn:

Bei den Anrufern und Betroffenen treten oft zwei Phänomene auf:

1. Verleugnung. Als König Arthur in Monty Pythons „Ritter der Kokosnuss“ dem schwarzen Ritter den Arm abtrennt, guckt dieser nur einmal auf und sagt: „Ist ja nur eine Fleichschwunde“ und kämpft weiter.

Ähnliches erleben wir oft bei unseren Einsätzen: Der Betroffene will einfach nicht wahrhaben, dass es „Ihn“ oder sein persönliches Umfeld betrifft. Das geht so weit, dass wir immer wieder Leute aus verrauchten Wohnungen retten müssen, Unfallopfer stur in ihrem Fahrzeug bleiben wollen oder Verletzungen ignoriert werden – gerade dann wenn es nicht offentsichtlich ist. Hier müssen wir den Widerstand des Betroffenen ignorieren und dann eben den schwarzen Ritter einem guten Chirurgen zuführen.

2. Angst vor Kontrollverlust. Menschen, die es gewohnt sind, Ihre Umgebung zu kontrollieren, tun sich sehr schwer damit, die Kontrolle über eine Situation abzugeben. Und das müssen sie tun, denn der Einsatz der Feuerwehr ist „digital“: entweder ganz oder garnicht. Oder, wie es ein Krimiautor mal ausgedrückt hat. Wenn es brennt, kennt die Feuerwehr nur zwei Typen von Menschen: Opfer und Hindernisse.

Wir bemühen uns zwar, die Kontrolle so schnell es geht an den Betroffenen zurückzugeben, aber gewisse Vorgehensweisen, die sich aus den Erfahrungen und Vorgaben der Feuerwehr ergeben, sind nicht verhandel- oder diskutierbar: Mit wie vielen Kräften wir anrücken, ob wir Blaulicht und Martinshorn abrücken und was wir vor Ort machen. Hier sind wir stur – und zwar nicht aus Gewohnheit, sondern im Interesse der Betroffenen.

Daher unsere Bitte: Während es für sie vermutlich (und hoffentlich) ihr erster Wohnungsbrand, schwerer Verkehrsunfall oder Amputationsverletzung nach Schwertkampf ist, ist es für uns mehr oder minder Alltag. Wenn es selbst für uns schwer ist, das Schadensereignis richtig einzuschätzen – wie fehleranfällig wird dann ihre Einschätzung sein? Vertrauen sie uns also und seien sie bitte kein „Hindernis“. Und ein „Opfer“ schon gar nicht.