Gedanken zum Brandunglück in Titisee-Neustadt

Der Qualm ist noch nicht verzogen, die Feuerwehr löscht noch Glutnester, die Polizei beginnt mit den ersten Befragungen – und in den Foren, Blogs und (digitalen) Stammtischen findet bereits die televisuelle Ursachenanalyse statt. Anhand von ein paar Bildern, Twitter-Stats und den rudimentären Berichten der Massenmedien ist der Schuldige sofort ausgemacht:

  • Die Feuerwehr war nicht schnell genug, weil es ja nur ein BMA war;
  • Die Feuerwehr ist ja freiwillig, das muss ja schlimm ausgehen;
  • Die Brandschutzbestimmungen wurden nicht eingehalten;
  • Behinderteneinrichtungen werden subaltern behandelt etc

Und nein, diese Behauptungen habe ich mir nicht ausgedacht, sondern sind im Netz auf den großen Nachrichtenseiten als Kommentare zu finden! Gerade was die besonders tragischen Blaulichtmeldungen betrifft, wäre es vollkommen in Ordnung, die Kommentarfunktion abzuschalten, um andere Leser und vor allem die Betroffenen von diesem unsäglichen Schuldzuweisungsspam zu verschonen.

Ich finde es unverschämt, geradezu pervers, dass wir, unmittelbar nachdem ein Brand ausgebrochen ist, bereits wissen wollen, was die Ursache war und wenn wir es nicht wissen uns irgendetwas zusammenreimen – und da nehme ich die Feuerwehrleute selbst nicht aus! Wir haben so gut wie keine Informationen und meinen unlängst alles zu wissen.

Aus ein paar Pressefotos meinen wir missachtete Regeln herauszulesen, aus Veröffentlichungen auf der Homepage der örtlichen Feuerwehr mutmaßen wir taktische und technische Defizite und, ach ja, der kirchliche Träger der Einrichtung muss etwas zu verbergen haben. Es muss so sein. Es darf nicht anders sein. Schuldzuweisung als überkorrekte deutsche Untugend!

Fotos und auch Webseiten sind im besten Fall Ausschnitte der Realität, meistens jedoch Interpretationen dessen was der Urheber gesehen oder erlebt hat, sie sind zutiefst subjektiv. In unserer Gier nach immer mehr Bildern und unserer Bilderstreckenklicksucht verkennen wir die Bruchstückhaftigkeit der uns dargebotenen Informationshäppchen und erdreisten uns derart, als seien wir selbst vor Ort gewesen, hätten alles persönlich erlebt und würden natürlich ganz anders handeln.

An die Opfer, die Angehörigen und die Helfer denkt kaum einer, sie sind Statisten eines multimedialen Zirkus, der die Gier der Zuschauer nach Action, dramatischen Bildern und Videos und immer horrender werdenden Fakten befriedigt. Was sind wir bloß für eine perverse Gesellschaft?

Seit einfach nur still und behaltet eurer Geschwätz für euch, bis genügend Fakten auf den Tisch sind. Gerade die Besserwisserei von so manchem „Feuerwehrmann“ (oder jemand der es gerne sein möchte) ist unangebracht.

Mein Mitgefühl gilt den Opfern, Angehörigen und Helfern, über die unvermittelt eine derartige Katastrophe hereingebrochen ist.