Was stellt der denn seinen verfickten Streifenwagen quer auf die Straße? Kann doch nicht. Volldepp. Aber man kann schon Flammen sehen, da hinten, 2oom Entfernung, im 4. OG. Dann eben zu Fuß. Sieh zu dass die Karre da wegkommt, fauche ich einen jungen Polizisten an. Mannomannomann. Der warme FrĂŒhlingsabend in diesem Problemviertel zieht viele Leute auf die Straße, aber die anderen Polizisten riegeln das jetzt schon weitrĂ€umig ab.  Wenigstens das klappt. Ich sehe noch wie HLF und DL anfahren als die die Straße frei ist, ok die sind also gleich da. 30 Sekunden zum Erkunden. Treppe Absatz Treppe Absatz Treppe Absatz Treppe Absatz Treppe Absatz Treppe Absatz. Shit, die TĂŒr ist offen. Schwarzer Qualm zieht in den Treppenraum aber der schnelle Blick nach oben durchs Treppenauge zeigt keine verwirrten, hustenden Bewohner oder Polizisten im letzten Geschoss. Ich linse unter der Rauchschicht drunter her: 5m Flur, straßenseitig WC und KĂŒche, hofseitig Wohn- und Schlafzimmer. Schon xmal gesehen, Routine. Am Ende des Flures Feuerschein. Aber noch keine Flammenzungen und der Rauch ist noch recht fluffig – wir sind noch nicht in der Phase wo es gleich durchzĂŒnden kann. Eine vermisste Person.

Vertrautes Geklapper draußen. RollĂ€den fliegen hoch, Schlauchkupplungen fallen auf den Asphalt, der DL-Motor macht Drehzahl damit die StĂŒtzen schnell rausgehen. Bald. Aber ich kann hier nicht 30 Sekunden rumsitzen. Fuck it. Ich tauche auf dem Bauch in den Flur vielleicht kann ich ja um die Ecke ins Schlafzimmer sehen
 ..und wenn ich da ein paar FĂŒĂŸe sehe, dann zerre ich schon mal dran, die Kavallerie ist ja bald da. Bald. Meinen rechten Fuß habe ich in die WohnungstĂŒrzarge eingehakt – weiter gehe ich nicht. Links sehe ich aber keine FĂŒĂŸe und nix anders in der rauchfreien Zone. Ok, vielleicht ist er/sie ja schon raus. Ich drehe meinen Kopf und sehe in dieser Sekunde etwas, was sich sofort tief in meine Seele frißt. Achtung – letzte Chance um irgendwas anderes, lustiges zu lesen.  Douglas Adams oder Moore oder so.

Die TĂŒr zum kleinen  WC steht offen. Auf der Toilette sitzt er. Ich weiß nicht mehr ob er Schuhe anhatte. Kopf, Oberkörper und Arme waren verbrannt.  3gradig. Auf dem Kopf gab es noch kleine Haarinseln, die Augen waren aufgeschwollen und nach außen gestĂŒlpt. Aus der Nase ragten wie zwei große Stalaktiten 20cm lange Schleimpropfen. Am Oberkörper trug er noch ein Tshirt oder so etwas, deren Reste mit kleiner Flamme links und rechts in Höhe der Rippe und den Armen brannte. Und er saß da und sah mich durch die geschwollenen Augen an.

Holy Shit.

Ja, das habe ich echt und wortwörtlich gedacht. Eine lange Schrecksekunde starrte ich ihn an. Ein aus seinem ebenfalls verbrannten, geschwollenen Mund laut gemurmelt-genuscheltes  „Machmfeuerausnell“ machte mir klar –„Scheiße der lebt noch“. Eigentlich eine banale Feststellung, da er ja auf dem Klo saß und nicht auf dem Boden lag. Aber banal war da gerade nix. Ich packte ihn irgendwie beim Handgelenk, verbrannte mir dabei ein bisserl meine Hand (ja, keine Handschuhe angehabt..) an seinem heißen Unterarm und zog ihn auf den Treppenabsatz, wo er sich auf eine Stufe setzte. In den 10 Stufen bis zum nĂ€chsten Fenster habe ich dann ĂŒber DMO das NEF beim ELW nachgefordert und ĂŒber 2m „ein Trupp hochkommen, sofort, Rettungsdienst zur HaustĂŒr“ gerufen. Fenster auf, nach unten geguckt: Drehleiter baut sich auf, Angriffstrupp schließt gerade an. Ich winke nochmal dem GruppenfĂŒhrer zu: Komm hoch! Jetzt!  Er guckt mich eher verstĂ€ndnislos an in der Art „jaja, der Angriffstrupp ist ja in der Mache und ist gleich bei dir, mach nicht so einen Wind
“ Wenn der wĂŒsste.

Dann drehe ich mich wieder um. Die Treppe ist leer. Der Typ ist weg. Kanndochnicht. Ich rufe einmal in den leeren Treppenraum. Deristdochnicht?  Doch. Ist er. Ich krieche nochmal in den Flur, jetzt ziehe ich auch Rauch ein. Und der Typ sitzt tatsĂ€chlich wieder auf dem Klo. Ich packe ihn nochmal, verbrenne mir wieder die Pfote und ziehe ihn wieder auf den Treppenabsatz, diesmal 2 Stufen mehr nach unten. „SITZENBLEIBEN!“ Wieder zum Fenster, ich gucke runter. Der AT nimmt gerade SchlĂ€uche auf. Ich brauche JETZT Hilfe. Ein Kollege der DLK schaut hoch und sieht mich. Ich gucke zurĂŒck, vermutlich mit einem leicht wilden Gesichtsausdruck, der zusammen mit möglicherweise hektischen GebĂ€rden sagt: DU. KOMMST JETZT. SOFORT. HOCH. Er lĂ€uft los. Jetzt haben es auch der Angriffstrupp und GruppenfĂŒhrer gerafft: Kacke, wir mĂŒssen sofort hoch, scheiß auf SchlĂ€uche. Und auch sie rennen los. 10 Sekunden spĂ€ter sind sie oben.

Ich werde völlig ignoriert, was auch völlig richtig ist. GruppenfĂŒhrer, Angriffstrupp und DLK-FĂŒhrer schnappen sich den armen Menschen so dermaßen schnell, dass ich mich an den genauen Ablauf gar nicht mehr erinnern kann. Ich werde an die Seite gedrĂŒckt und sehe nur noch, wie jemand von denen das immer noch glimmende KleidungsstĂŒck abzupft. Langsam fallen die verbrannten Fetzen auf den Boden. Wo ich ĂŒbrigens auch sitze weil ich an die Seite unsanft an die Seite geschubst worden bin: Feuerwehrleute kennen nur 2 Arten von Menschen: Opfer und Hindernisse. Ich war hier das Hindernis. Neben all dem alptraumhaften Horror und meiner Hilflosigkeit (so kam mir das zumindest vor) in den letzten 30 Sekunden hörte ich das Klappern von PA an TreppenhauswĂ€nden, kurzen knappen Anweisungen (hier rum, da höher, halt das) bis unten am Hauseingang „RTW hierhin“ zuhören war. Und angesichts der Geschwindigkeit und Zielstrebigkeit „meiner Jungs“ kam auch ganz kurz ein anderes, sehr positives GefĂŒhl hoch: Was ne geile Truppe. Die besten Jungs (und MĂ€dels) der Welt.

Ich brauchte danach ein paar Minuten bis ich wieder ganz klar war. Die Kollegen hatten echt Sorgen um mich, wie ich da wohl ein wenig neben mir hustend neben dem LF stand und mir die Haut von meinen HĂ€nden knibbelte. Nicht meine Haut ĂŒbrigens.

Das Feuer an sich war Routine und schnell aus. Der Patient wurde von NEF, 2 RTW Besatzungen und 2 Notfallsanis vom Löschzug versorgt. Alles was ging. Erstversorgung im örtlichen Krankenhaus, Weiterflug zum Verbrennungszentrum. Trotzdem nach ein paar Stunden tot.  80-90% KOF. Einige von euch kennen das: Schwerstverbrannte gehen dir entgegen und reden mit dir, aber du siehst sie an und denkst insgeheim: Der ist tot. 

Ich spreche den PolizeifĂŒhrer wegen dem quer gestellten Streifenwagen an. „Ja, der Kollege war schon bei mir und hat sich beschwert dass du ihn Volldepp genannt hast.“ „Ja, Ă€h, sorry..“  „Nix sorry. Der Volldepp. Das macht der nie wieder, das regel‘ ich. AnfĂ€nger, musste entschuldigen..“  Kleine Siege.

Der hĂ€rteste Kritik kommt immer von einem selbst – wenn man zur Ruhe gekommen bin. Die Liste der Dinge, die ich hĂ€tte besser machen können ist lang. HĂ€ttste man besser Handschuhe angezogen. WĂ€rste man besser beim Patienten geblieben. HĂ€tte man nicht irgendwas besser machen könne. Aber die Erfahrungen der vielen Jahre sagen auch: Der arme Mensch war vermutlich schon todgeweht als wir losgefahren sind und nichts auf der Welt hĂ€tte ihn retten können. Und dann stelle ich fest, dass es da auch neues GefĂŒhl gibt: Ich will so einen Scheiß eigentlich nicht mehr sehen oder erleben. Das habe ich noch nie gedacht – bisher konnte es nie heiß genug, nie schlimm genug oder katastrophal genug sein. Ich werde wohl alt.

Dieses GefĂŒhl hat sich dann auch tapfer fĂŒr 5 Minuten gehalten bevor es sich auflöste. Quatsch. Das ist mein Job. Fuck it, lets go again. Das ist genau das was ich immer wollte und immer noch will. Nie langweilig.  Höhen und Tiefen. Sehr oft dem Tod ins Gesicht sehen und ihn beim Verlieren wenigstens anknurren. Ab und zu ein Leben retten und dieses HochgefĂŒhl danach sehr sehr sorgfĂ€ltig aufzubewahren. Die Jungs und MĂ€dels sehen wie sie mit der Aufgabe reifen, Talent und GefĂŒhl fĂŒr ihre Aufgabe entwickeln und letztlich scheißegut in dem werden was sie tun. 

Das ist mein Leben. Das ist unser Leben.