Forscher vermuten Aufstieg von Magma

Gemessene DLF-Erdbeben. Grafik: Hensch et al. 2018. (Link) (Siehe FN 7) CC by 4.0

Schlagzeilen wie „Forscher schlagen Alarm – Droht der Eifel eine Vulkan-Katastrophe?“[1] oder „Wird hundertprozentig ausbrechen“: Vulkan in Deutschland füllt sich mit Magma“[2] deuten darauf hin, dass die Eifel bei Weitem nicht so langweilig erscheint, wie anzunehmen ist. Ein Vulkan mitten in Deutschland? Ätna, Vesuv und all die anderen Feuerspucker sind doch weit weg und auf einmal soll ein Vulkan mitten in Deutschland kurz vor dem Ausbruch stehen? Ereilt uns also bald ein ähnliches Schicksal wie einst Pompeji?

Keine Panik! Reißerische Überschriften stehen selten im Zusammenhang mit Fakten. In weniger auf Klickbaits ausgerichteten Onlinemedien ist dagegen eher Folgendes zu lesen: „Laacher See: Eifelvulkan ist noch aktiv“[3], „Potsdamer Forscher erkunden Magma-Aktivität unter Eifel-See“[4], „Unter dem Laacher See in der Eifel steigt Magma auf“[5] oder „Magmakammer unter Vulkansee füllt sich“[6].

Lebenszeichen eines Vulkans

Aktuell erhält der Laacher See, ein sogenannter Calderasee in der Vulkaneifel nahe Bad Neuenahr-Ahrweiler in Rheinland-Pfalz, mediale Aufmerksamkeit, ausgelöst durch Messungen des Deutschen Geoforschungszentrums Potsdam (GFZ) und des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT). Die entsprechende Pressemeldung des GFZ lautet in wissenschaftlich nüchternem Ton: „Tiefe Erdbeben weisen auf Aufstieg magmatischer Fluide unter dem Laacher See hin“[7]

Die Forscher von GFZ und KIT stellten mit ihren 2013 installierten DLF-Messgeräten[8] niederfrequente Erdbeben (1 – 10Hz) in einer Tiefe von zehn bis über 40 Kilometer Tiefe fest. Diese Erdbeben können durch Magmabewegungen verursacht sein. DLF-Erdbeben stellen jedoch keine unmittelbaren Vorläufersignale bevorstehender vulkanischer Aktivität dar. Das Magma füllt vermutlich die vor Jahrtausenden entleerte Magmakammer. Die Messungen weisen auf die Existenz bestehender Magmakammern hin. Ein aktiver Vulkan ist anhand hochfrequenter Erdbebenschwärme, die den Aufstieg von Magma in die flache Erdkruste anzeigen, erkennbar. Weitere Indikatoren wie Hebungen der Erdoberfläche sind in der Eifel nicht zu erkennen. Trotzdem fordern die Forscher eine gründlichere Überwachung und Neubewertung der vulkanischen Gefährdung der Eifel.

Perspektivische Darstellung der tektonischen Erdbeben (Kreise) und DLF-Erdbeben (Sterne) in der Osteifel. Die Tiefen der DLF-Erdbebengruppen sind farblich kodiert, 8-14 km dunkelrot, 19-26 km rot, 31-37 km orange und 40-43 km gelb. Im Vergleich dazu werden tektonische Erdbeben nur oberhalb einer maximalen Tiefe von 15 km beobachtet. Grafik: GFZ Potsdam / Erdbebendienst Südwest (Link)

So stark wie 500 Hiroshimabomben

Auch wenn es in Deutschland nicht permanent rumpelt und dampft, wie z. B. am Ätna, ist der letzte Ausbruch eines Vulkans geologisch gesehen nicht lange her: In der Vulkaneifel fand der letzte Ausbruch vor etwa 12.900 Jahren statt. Damals lagen Teile Nordeuropas noch unter einer Eisschicht und einige Jahrhunderte später beginnt anthropologisch gesehen die Jungsteinzeit. Der Ausbruch war etwa sechsmal so stark wie der Ausbruch des Mount St. Helens 1980 und erreichte auf dem Vulkanexplosivitätsindex die Stufe 6 (von 8). Das entspricht etwa 500 Hiroshimabomben. Die Eruption schleuderte 16 Kubikkilometer Material aus der einbrechenden Caldera des Vulkans. Die Ausbruchstrümmer blockierten zeitweise den Rhein und lösten beim Bruch der Blockade einen verheerenden Tsunami aus. Die Aschewolken zogen bis nach Schweden und Norditalien.[9]

Forscher vermuten seit Jahren, dass ein Vulkanausbruch in der Eifel nicht unwahrscheinlich, aber eher in Hunderten oder Tausenden von Jahren zu erwarten ist – geologisch gesehen bald, anthropologisch gesehen irgendwann in einer fernen Zeit. Diese Vermutung erhärtete sich mit dieser Untersuchung.

Calderasee mit interessanter Geschichte

Vor einigen Jahren bekam der Laacher See schon einmal Aufmerksamkeit. Wie heute überschlug sich so manches Medium mit Meldungen über die bevorstehende Apokalypse. Das war 2006. Auslöser war der Wissenschaftsroman „Die Flucht der Ameisen – Eine geokalyptische Vision““ von Ulrich C. Schreiber. Der Geologe Schreiber beschreibt in seinem Roman ein Szenario, das so weit nicht hergeholt ist, nämlich ein Vulkanausbruch in der Eifel. Auch aus Sicht des Katastrophenschutzes ist das Buch durchaus interessant, beschreibt er doch die Folgen eines Ausbruchs. Angelehnt an die Vermutungen Schreibers entstand 2009 mit „Vulkan“ ein Katastrophenfilm, der sich jedoch mehr auf menschliche Konflikte konzentriert und wissenschaftliche Aspekte, im Gegensatz zu Schreibers Buch, außen vor lässt.[10]

Ich gebe meine damalige Rezension[11] überarbeitet wieder.

Von Ameisen und Vulkanen

Durch Zufall stößt der Geologe Gerhard Böhm bei Untersuchungen im Westerwald und der Eifel auf geologische Strukturen, die auf einen bevorstehenden Vulkanausbruch hindeuten. Vulkanismus ist in dieser Region nichts ungewöhnliches, denn der letzte Ausbruch liegt gerade einmal 12.900 Jahre zurück. Böhm beobachtet ferner, wie sich Ameisenhügel entlang bestimmter Verwerfungslinien häufen. Er will das Phänomen untersuchen, sein Antrag auf Forschungsförderung wird jedoch abgelehnt. Dann kommt es, wie es kommen musste:

„Es war genau um 00:15 Uhr, bei sternenklarem Himmel. Die Abschüsse der Raketen erreichten gerade ihren Höhepunkt, als eine heftige Erdbebenwelle, die den Boden erzittern ließ, durch die Stadt rollte. Sie war deutlich spürbar, selbst für jene, die dem Alkohol übermäßig zugesprochen hatten. Und die Richtung, aus der sie kam, bemerkten die schwankenden Körper ebenfalls: aus Nordwesten.“ [Auszug aus „Die Flucht der Ameisen“]

Überflutungen in der Eifel. Bild: Ullrich C. Schreiber

Was nun folgt, ist Chaos: Die Lavamassen fließen in Richtung Rhein und versperren den Flusslauf. Das Wasser fließt nicht mehr ab und staut sich. Große Teile des Rheintals werden überflutet und liegen Hunderte Meter unter dem Seepegel. In Koblenz, Neuwied, Frankfurt, Mainz und vielen anderen Ortschaften heißt es Land unter. Für die Hilfsorganisationen beginnt nun der schwierige Teil, denn Hunderttausende Bewohner müssen gerettet werden.

In Schreibers geht das Evakuieren fast reibungslos und es stehen genügend Helfer bereit. Dass das in der Realität leider nicht so ist, brauche ich nicht auszuführen. An dieser Stelle auf die Probleme einzugehen, die die Hilfsorganisationen bei einer Flächenevakuierung haben, wäre nicht falsch gewesen.

Schreiber reist ökologische Probleme an, die durch überflutete Industrieanlagen und Kernkraftwerke entstehen, leider geht er nicht genauer darauf ein. Bestes Beispiel dafür ist die im Buch beschriebene Überflutung des ehemaligen AKW Mülheim-Kärlich. Aufgrund des Auftriebes hebt die Kuppel ab und schwimmt auf dem entstandenen riesigen See. Schreiber betrachtet das Vorkommnis voyeuristisch: Böhm und seine Frau fotografieren die Szenerie, suchen ein Filmteam und finden es faszinierend, dies gesehen zu haben. Statt einen Ausflug in Richtung Boulevard zu machen, hätte Schreiber die Problematik überfluteter AKWs ausführlicher behandeln sollen.

Die Erzählung ist insgesamt kurz. Die Charaktere sind oberflächlich. Die Dialoge – egal ob nun im Krisenstab oder private Gespräche – wirken sehr hölzern. Hier wünscht man sich als Leser eine ausführlichere und packendere Erzählweise. Man muss nicht gleich so ausführlich schreiben wie Frank Schätzing in „Der Schwarm“, aus Sicht katastrophenschutzaffiner Leser hätte man sicherlich mehr erwartet.

Überflutungen im Rheintal. Eingezeichnet sind die Atomkraftwerke, größere Städte und der Vulkan. Bild. Ulrich C. Schreiber

Als unpassend empfand ich den Exkurs über den Fund eines alten Goldschatzes – vermeintlich dem Schatz der Nibelungen. Das kann man erwähnen, aber Schreiber beginnt damit eigentlich eine Geschichte in der Geschichte. Plötzlich ist der Vulkan weit weg und es geht nur noch um das Bergen des Goldschatzes.

Selbst aus der Wissenschaft kommt Kritik. Entomologen – Insektenforscher – unterstellen dem Buch Unwissenschaftlichkeit. Ihr konkreter Vorwurf an Schreiber ist, dass er Vermutungen über das Siedlungsgebiet von Ameisen in seinem Buch zu Fakten erklärt. Dabei unterschlagen die Kritiker, dass Schreiber selbst dies im Buch als „Vermutung“ bezeichnet. Ein anderer Grund könnte einfacher sein: Neid. Wer in der Wissenschaft ein populäres Werk verfasst (egal ob wissenschaftlich oder Roman) ist einer besonderen Kritik ausgesetzt. Natürlich könnten die Insektenforscher mit ihrer Kritik einen „verbotenen“ Eingriff in ihre Wissenschaft durch einen Geologen beklagen.

Trotz aller Kritik, der Ansatz des Buches ist interessant. Hat man es einmal in der Hand, will man es nicht wieder hergeben. Schade nur, dass der Autor dieses spannende und in der Tat nicht unmögliche Szenario so kurz erzählt. Schreiber erklärt dem Laien wichtige Aspekte der Geologie und des Vulkanismus.

Georg C. Schreiber: Die Flucht der Ameisen. ISBN 3-926126-54-X. 2006. 360 Seiten

Fußnoten

[1] „Forscher schlagen Alarm – Droht der Eifel eine Vulkan-Katastrophe?“ in lokalo.de vom 09.01.2019, zuletzt abgerufen am 10.01.2019. http://lokalo.de/artikel/166380/forscher-schlagen-alarm-droht-der-eifel-eine-vulkan-katastrophe/

[2] „Wird hundertprozentig ausbrechen“: Vulkan in Deutschland füllt sich mit Magma!“ in tag24.de vom 09.01.2019, zuletzt abgerufen am 10.01.2019 https://www.tag24.de/nachrichten/glees-laacher-see-vulkan-ausbruch-warnung-mgma-erde-eifel-erdbeben-wissenschaftler-926374

[3] Nadja Podbregar „Laacher See: Eifelvulkan ist noch aktiv“ in scinexx.de vom 08.01.2019, zuletzt abgerufen am 10.01.2019 https://www.scinexx.de/news/geowissen/laacher-see-eifelvulkan-ist-noch-aktiv/

[4] Jan Kixmüller „Potsdamer Forscher erkunden Magma-Aktivität unter Eifel-See“ in Potsdamer Neueste Nachrichten Online vom 09.01.2019, zuletzt abgerufen am 10.01.2019 https://www.pnn.de/wissenschaft/hinweise-fuer-aufsteigendes-magma-potsdamer-forscher-erkunden-magma-aktivitaet-unter-eifel-see/23842038.html

[5] „Unter dem Laacher See in der Eifel steigt Magma auf“ in deutschlandfunk.de vom 09.01.2019, zuletzt abgerufen am 10.01.2019 https://www.deutschlandfunk.de/geologie-unter-dem-laacher-see-in-der-eifel-steigt-magma-auf.2850.de.html?drn:news_id=964419

[6] „Magmakammer unter Vulkansee füllt sich“ in Süddeutsche Zeitung Online vom Januar 2019, zuletzt abgerufen am 09.01.2019 https://www.sueddeutsche.de/wissen/eifel-vulkan-laacher-see-1.4279233

[7] „Tiefe Erdbeben weisen auf Aufstieg magmatischer Fluide unter dem Laacher See hin“ in Pressemitteilung des GIZ vom 07.01.2019, zuletzt abgerufen am 10.01.2019 https://www.gfz-potsdam.de/medien-kommunikation/meldungen/detailansicht/article/tiefe-erdbeben-weisen-auf-aufstieg-magmatischer-fluide-unter-dem-laacher-see-hin/; „Ungewöhnlich tiefe Erdbeben geben Hinweise auf Bewegungen magmatischer Fluide unter dem Laacher See (Eifel, Rheinland-Pfalz)“ in Erdbebendienst Südwest vom 07.01.2019, zuletzt abgerufen am 10.01.2019 http://www.lgb-rlp.de/aktuelles/detail/news/detail/News/ungewoehnlich-tiefe-erdbeben-geben-hinweise-auf-bewegungen-magmatischer-fluide-unter-dem-laacher-see.html Vgl. Martin Hensch et al. „Deep low-frequency earthquakes reveal ongoing magmatic recharge beneath Laacher See Volcano (Eifel, Germany)“ in Geophysical Journal International, ggy532, https://doi.org/10.1093/gji/ggy532 https://academic.oup.com/gji/advance-article/doi/10.1093/gji/ggy532/5257845

„Ungewöhnlich tiefe Erdbeben geben Hinweise auf Bewegungen magmatischer Fluide unter dem Laacher See (Eifel, Rheinland-Pfalz)“ in Erdbebendienst Südwest vom 07.01.2019, zuletzt abgerufen am 10.01.2019 http://www.lgb-rlp.de/aktuelles/detail/news/detail/News/ungewoehnlich-tiefe-erdbeben-geben-hinweise-auf-bewegungen-magmatischer-fluide-unter-dem-laacher-see.html Vgl. Martin Hensch et al. „Deep low-frequency earthquakes reveal ongoing magmatic recharge beneath Laacher See Volcano (Eifel, Germany)“ in Geophysical Journal International, ggy532, https://doi.org/10.1093/gji/ggy532 https://academic.oup.com/gji/advance-article/doi/10.1093/gji/ggy532/5257845

[8] DLF steht für „deep low-frequency“, d.h. es handelt sich um tiefe und tieffrequente Erdbeben. Tief bedeutet in diesem Zusammenhang zwischen 10 km und bis über 40 km Tiefe, also in der Erdkruste bzw. unterhalb von etwa 30 km Tiefe im oberen Erdmantel. Tieffrequent bedeutet, dass die dominanten Schwingfrequenzen zwischen 1 Hz und 10 Hz liegen und damit deutlich niedriger als bei tektonischen Erdbeben vergleichbarer Stärke. Zudem dauern die Schwingungen oft deutlich länger an, in der Eifel wurden einzelne DLF-Erdbeben von bis zu 30 Sekunden Dauer beobachtet (gegenüber oft nur Bruchteilen von Sekunden für tektonische Erdbeben). Aus: Erdbebendiesnt Südwest (FN 7)

[9] “Laacher_See” in Wikipedia, zuletzt abgerufen am 09.01.2019 https://de.wikipedia.org/wiki/Laacher_See

[10] “Vulkan (Film)” in Wikipedia, zuletzt abgerufen am 10.01.2019. https://de.wikipedia.org/wiki/Vulkan_(Film)

[11] “Von Ameisen und Vulkanen” in Feuerwehr Weblog vom 09.02.2007, zuletzt abgerufen am 09.01.2019 https://www.feuerwehr-weblog.de/2007/02/09/von-ameisen-und-vulkanen/

Update: In einer früheren Version dieses Artikels lautete der Titel „Ein Vulkan in der Pfalz“. Das war geographisch falsch und wurde berichtigt.