Interview mit Andreas Gattinger,
dem Autor von
„Führungshilfen für Feuerwehr-Einsatzleiter“

Wie bist Du auf die Idee gekommen, eine Sammlung mit Führungshilfen zu erstellen?

Die Idee für diese Sammlung entstand als Notbehelf, um bei Übungen bestimmte Mechanismen zu erklären. Die allererste „Taschenkarte“ war eine Skizze auf meinem DINA6 Notizblock, um die lose und feste Rolle sowie deren Kräfteverhältnisse einfach darzustellen. Direkt im Anschluss kamen noch „spezifische Gewichte von Materialien“ und eine Bildersammlung für Maßnahmen bei einem S-Bahn-Unfall dazu.

Ich ergänzte diese Loseblattsammlung während meines Gruppenführerlehrgangs um Merkregeln wie „GAMS“ und „AIRBAG“. Ab diesem Augenblick kamen immer mehr Themen zusammen.

Steckt hinter dem Pocket-Format Deiner Sammlung eine bestimmte Idee?

Ja, und zwar aus meinem Studium! Dort half mir ein Spickzettel – den ich natürlich nie verwendete –, beim Lernen, indem ich alles Wichtige auf einer Karteikarte zusammenfasste. Die Idee verfolge ich bis heute: Alles, was nicht auf eine Postkarte passt, ist es nicht wert darauf zu stehen. Auf diese Weise behalte ich nur das Wichtigste im Auge.

Hast Du Deine Sammlung oft benutzt?

Etwa 20–30 Mal, meistens bei Einsätzen, die etwas außerhalb des „Standards“ waren (z.B. ein Kaminbrand, ein paar Gefahrguteinsätze und ein Flächenbrand). Inzwischen benutze ich die Sammlung aber immer weniger, da ich aufgrund der vielen Recherchen und Korrekturen das meiste schon fast auswendig kann (wie übrigens damals bei den Spickzetteln).

Die Tabellen und Daten zum Nachschlagen nutze ich nach wie vor sehr regelmäßig, das hilft mir, im Einsatzstress den Kopf so frei wie möglich zu halten.

Sind diese „Einsätze außerhalb des Standards“ auch der Grund für die SER-Beispiele?

Ganz genau! Nach meinem Gruppenführerlehrgang beobachtete ich in meiner Feuerwehr mehrere Probleme, wie bspw. wenig Erfahrung, verhältnismäßig wenige Einsätze und zusätzlich gab es dann nachts noch besondere Einsätze. Anhand dieser Beispiele legte ich mir Lösungsvarianten für alles Mögliche zu Recht und durch das Erstellen, oder besser durch die Beschäftigung damit, fühlte ich mich viel besser vorbereitet. Das Wissen, meine Sammlung im Einsatz dabei zu haben, gab mir ein Gefühl der Sicherheit.

Wo hattest Du für Dich die Sammlung angesiedelt?

Hauptsächlich an zwei relativ „entspannten“ Punkten im Einsatz: Zum Einen auf der Anfahrt, dort dienten die Standard-Einsatz-Ratschläge zur Vorbereitung: „Was kann mich erwarten?“ oder „Welche Maßnahmen sind machbar?“; zum Anderen setzte ich die Sammlung nach der Chaosphase, den Erstmaßnahmen und erneut die SER als Checkliste ein oder ich schlug weiterführende Hintergrundinfos nach.

Andere Zeitpunkte im Einsatz halte ich in der Praxis für kaum anwendbar – am ehesten noch im Bereich der Stabsarbeit.

Hatte Deine Sammlung ursprünglich nur Bezug zu Deiner Feuerwehr?

Ja, nachdem ich die Sammlung für mich selbst geschrieben hatte, gab es natürlich einen starken Bezug zur eigenen Feuerwehr, den ich erst später verallgemeinerte. Deshalb habe ich auf einigen Seiten Flächen offen gelassen, in die jeder Benutzer eigene, spezielle Daten eintragen kann (z.B. Funkkanäle, Fahrzeuge, Hebegeräte, Hubarbeitsbühnen, …).

Wann hast Du die Sammlung zum ersten Mal jemand anderem gezeigt?

Das geschah erst in meinem auswärtigen Abschnitt bei der Berufsfeuerwehr Wiesbaden. Ein Kollege dort war sehr wissbegierig und meinte, er finde meinen Prototypen so großartig, dass er ihn kaufen würde.

Wie kam der Kontakt zum Verlag zustande?

Der gleiche Kollege riet mir, bei verschiedenen Verlagen anzufragen. Das funktionierte auf Anhieb bei meinem favorisierten Feuerwehrverlag. Ich habe den verantwortlichen Lektor für den Feuerwehrbereich im Internet gesucht, meine Idee vorgestellt und etwas aufgeregt auf eine Rückmeldung gewartet.

Wie hat der Verlag reagiert?

Bevor ich überhaupt nach alternativen Verlagen suchen konnte, wurde ich nach einem Entwurf gefragt, über den dann die Verlagsleitung entschied. Nach etwas Wartezeit kamen dann der freudige Anruf und der entsprechende Vertrag.

Welche Änderungen wollte der Verlag haben?

Nach der Vertragsunterzeichnung begann für mich der größte Teil der Arbeit. Alle Informationen mussten erneut verifiziert, alle Quellen gesichtet, das Layout gestaltet und alle standortspezifischen Eigenheiten so umgeschrieben werden, dass diese für die gesamte Bundesrepublik gelten. Außerdem sollte es Platz für Handeintragungen geben.

Besonders aufwendig war es, die Quellenhinweise für alle nicht allgemeingültigen oder mehrfach veröffentlichten Zahlen, Daten und Fakten zu finden, zu kontrollieren und hinzufügen. Das war gar nicht so einfach, wie es klingt. So gab es z.B. die Frage, ob die „GAMS“-Regel allgemeingültig ist, und wo sich eine zweite Veröffentlichung hierzu findet. Das waren natürlich Schwierigkeiten, die man mit einer eigenen Sammlung nicht hat. (Die „GAMS“-Regel ist im Übrigen allgemeingültig, da sie in einer FwDV genannt wird).

In dieser Phase konnte ich durch die Recherchen und Anmerkungen der Lektoren noch unwahrscheinlich viel dazu lernen.

Welchen Umfang hatten die Korrekturen und Ergänzungen der zweiten Auflage?

Trotz Korrekturlesens, man mag es kaum glauben, hatten sich einige kleinere Fehler in die erste Auflage eingeschlichen. Einen Teil davon habe ich selbst entdeckt, die meisten Hinweise kamen dagegen von den Lesern. Einige Verbesserungsvorschläge (z.B. eine größere Schrift im Inhaltsverzeichnis, Platz für eigene Notizen und am häufigsten bemängelt, wasserfestes Papier) nahm der Verlag auf. Zusätzliche Seiten (Fassadenbrand, Bundeswehr) fanden ebenso Eingang wie stark überarbeitete Inhalte (Verkehrsunfälle, Lüftereinsatz und Schaum). Für eine (hoffentlich erscheinende) dritte Auflage habe ich immer ein Notizbuch dabei, in dem ich Ideen notiere.

Wie wichtig ist Dir die Mitarbeit der Feuerwehr-Community?

Sehr wichtig! Auf diese Weise kann ich stets etwas hinzulernen. Ich habe das Buch aus der Praxis für die Praxis geschrieben und genauso will ich es weiterführen. Das bedeutet, dass ich nur das aufnehme, was auch wirklich Relevanz hat.

In meinem Buch habe ich eine E-Mail-Adresse angegeben, über die Leser Fehler und Verbesserungsvorschläge zuschicken dürfen. Auf diesem Weg erreichten mich übrigens auch ein Teil der oben genannten Verbesserungshinweise.

Wie hat Deine Feuerwehr reagiert?

Viele Kollegen kamen auf mich zu und haben mich zu der Idee und der Umsetzung beglückwünscht. Zugleich finde ich es sehr erfreulich, wenn ich jemanden in einem Lehrgang mit „meinem“ Buch etwas nachschlagen sehe.

Viel besser ist es freilich, wenn mir jemand berichtet, dass er bei einem Einsatz die „Führungshilfen“ erfolgreich angewendet hat. Überdies liegt auf jedem Fahrzeug meiner freiwilligen Feuerwehr im Handschuhfach ein Exemplar der „Führungshilfen“ und bei den meisten Gruppenführern steckt es in der Einsatzjacke.

Zahlt sich das Buch für Dich finanziell aus?

Einen Bestseller habe ich mit den „Führungshilfen“ leider nicht geschrieben, ein bisschen zahlt es sich dennoch aus. Nachdem das Buch ursprünglich nicht zum Verkauf gedacht war und der Grundstock bereits existierte, ist das Stunden-Gewinn-Verhältnis nicht ganz so schlecht. Trotzdem wäre eine Aushilfstätigkeit, z.B. Bücher in einem Buchladen einräumen um ein vielfaches lukrativer!

Auch wenn es etwas übertrieben klingt: Ich freue mich sehr, dass mein Buch und die Idee dahinter bei vielen im Einsatz dabei sind, und dass der Eine oder Andere vielleicht in einer brenzligen Situation darauf zurückgreift. Letzteres wäre übrigens eine wirklich tolle Rückmeldung, über die ich mich sehr freuen würde!

Andreas stelle Dich kurz vor.

Ich bin Dipl.-Ing. (FH) für Feinwerk- und Mikrotechnik mit Schwerpunkt Medizintechnik und arbeite gegenwärtig alsBrandoberinspektor an der Feuerwehrschule der Branddirektion München im Fachbereich Führung und fahre zusätzlich Einsatzdienst als Zugführer. Genetisch bedingt bin ich durch meinen Vater zur freiwilligen Feuerwehr München, Abteilung Michaeliburg gekommen und dort seit 17 Jahren aktives Mitglied.

Vielen Dank Andreas Gattinger für das Interview, das Stefan Cimander für www.feuerwehr-weblog.org führte.

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