Eine Kolumne von Dr. Frank EisenblÀtter
Es ist wieder mal an der Zeit, FĂŒhrungskrĂ€fte mit der Nase in etwas hineinzustoĂen. Ich weiĂ, âMan macht das nichtâ, âDas funktioniert beim Erziehen von Hunden auch nichtâ, âHunde machen trotzdem ihr Malheur oder ihre Dummheitenâ. Und sie â die Hunde â merken erst im Nachhinein, dass sie gerade etwas Falsches taten. Ist die die Wohnung voller Flocken der Inneneinrichtung, dann schauen sie mit treuen Augen ganz traurig und ziehen den Schwanz ein. Nun der Bogen zum Verhalten von FĂŒhrungskrĂ€ften, wenn etwas ĂŒberhaupt nicht so lief, wie es eigentlich hĂ€tte laufen sollen: Ein Angehöriger der Feuerwehr kommt nicht mit den anderen aus dem Einsatz zurĂŒck.
An dieser Stelle geht es nicht um UnfĂ€lle oder die ungeheure Gefahr eines Dreitagebarts, der ganze Generationen von Feuerwehrwitwen erzeugte, sonst wĂŒrde er nicht immer wieder fĂŒr ein Sommerlochthema herhalten. Hier geht es alleine um den anderen Klassiker: Herzprobleme im Einsatzdienst.
Momentaufnahme Feuerwehr-TĂV
DĂŒrfen Herzprobleme ĂŒberhaupt vorkommen? Nicht beim AGT, der hat ja den Feuerwehr-TĂV G26.3. Der MUSS gesund sein. Niemals je und ĂŒberhaupt ist ein Auto nach einem bestandenen TĂV-Termin auseinandergefallen. Also kann das einem Menschen ebenso wenig passieren. Und wenn doch, dann hört der Fahrer das beim Auto vorher. Das Getriebe hakelt, hier und da ein rotes LĂ€mpchen, der eine oder andere Aussetzer bei Enddrehzahl, oder der Ălverbrauch steigt bedrohlich. Mit dem Menschen ist das ĂŒberhaupt nicht vergleichbar.
Trotzdem weiĂ jeder in seinem Inneren, dass der TĂV eine Momentaufnahme ist â beim Menschen geben wir Ărzte gleich drei Jahre Garantie. Erlaubt sich das jemand bei einem 40 Jahre alten Auto? Beim Menschen dagegen schon. Und in den kommenden drei Jahren nach G26.3 ist alles erlaubt, Rauchen, Trinken, immer rein in den Innenangriff, ob zwei Tage vorher noch voll wie 1000 Russen oder Zigaretten stangenweise aus Tschechien importiert und weggeraucht, was sollâs. Man ist nur einmal jung.
Unwissenheit schĂŒtzt nicht
Und da Unwissenheit vor Strafe schĂŒtzt, komme ich gleich mal mit den Fakten. Disclaimer: Ab hier bitte nicht weiterlesen, wenn die heile Welt von Zigaretten, Ăbergewicht und Anti-Sport erhalten bleiben soll.
Unsere Pumpe macht im Leben alles mit, was wir von ihr verlangen: Treppensteigen, schwer schleppen, hier und da auĂer Puste kommen. Alles kein Problem. Beim Mann zusĂ€tzlich das testosterongeladene, stressige Balzverhalten. Das alles macht die Pumpe mit dem Blut, das sie aus genau zwei Herzkranzarterien bezieht. Mehr nicht! Ich habe es doppelt nachgeprĂŒft. Mehr ist da nicht.
Die rechte Kranzarterie hat sogar noch den Schreibtischjob abbekommen. Sie muss lediglich das ârechte Herzâ versorgen, also die PapierdĂŒnne rechte Kammer, welche das Blut durch das Niederdruckgebiet der Lunge pumpen muss. Keine Muskeln als Widerstand, weiches Gewebe, kurze Strecken, quasi die stadtverwaltungsverbeamtete Arterie.
Die linke Kranzarterie ist dagegen der Waldarbeiter, sie versorgt die hart arbeitende linke Herzkammer. So ein Waldarbeiter, zwölf Monate im Jahr immer drauĂen, immer schwer am Schleppen und von der linken Kranzarterie versorgt, muss diese linke Kammer gegen jeden Muskelwiderstand arbeiten. Wer hart arbeitet, bekommt Unterarme und Oberschenkel. Und wer gesund lebt, kann gut alt damit werden. Wir alle kennen solche Waldarbeiter. Auch im hohen Alter strotzend vor gesunder Kraft und drahtig muskulös.
Diese âandere Gruppeâ Waldarbeiter kennen wir auch â die hatten irgendwann RĂŒcken! âIch habe RĂŒckenâ bedeutet beim Herzen, dass das benötigte Blutangebot nicht ausreicht. Manchmal direkt im Einsatz und der Motor setzt aus. Das haben wir alle schon einmal gelesen/erlebt/berichtet bekommen. Ich wiederhole: Zwei kleine BlutgefĂ€Ăe bestimmen unser Leben!
Achtet auf die Warnzeichen
Und da will ich uns alle mit der Nase reinstoĂen. Auf, dass wir winseln. Ihr wollt ein Vorwarnzeichen der Natur mitfĂŒhlen? O.k., mit einem kann ich dienen:
Habt ihr euch schon einmal im Leben so richtig verausgabt? Wer bis zur körperlichen Erschöpfungsgrenze trainiert, kennt das Herzklopfen, wenn man atemlos aufgab oder sein Ziel erreichte. Da kann einiges an Blutdruck entstehen und in den Kopf hĂ€mmern. Gewichtheber schaffen locker ĂŒber 200 mm Hg Druckaufbau in der linken Herzkammer. Auch beim weniger auf Kraft trainierten Menschen entstehen hohe DrĂŒcke, die wahrnehmbar sind. Daran stirbt man nicht â oder nur extrem selten. Manchmal platzt hier und da ein GefÀà in den Augen, bisweilen im Gehirn, wer sich langsam an die Grenzen herantastet, unterliegt jedoch kaum solchen Gefahren.
In Ruhe, mitten in der Nacht, vor dem Einschlafen, bei beruflichem Stress oder wenn man im Einsatz bloà den Hydranten oder die TS8 betreut, dann sollte das Herz nicht plötzlich bis in den Hals klopfen und die Blutdruckmanschette nicht explodieren. Das ist nicht normal, DAS ist ein Warnzeichen!
Ein weiteres Warnzeichen: Normal ist, wenn man beim Einschlafen ab und zu seinen eigenen Puls im Kissen hören kann, Poch, Poch, Poch. Bestenfalls beim Einatmen mit etwas schnellerer Frequenz, beim Ausatmen etwas langsamer. Hier ist alles im Bereich ânormalâ anzusiedeln.
Dagegen sollten Serien von schnellen SchlĂ€gen, Ăberschlagen des Pulses in Ruhe aufhorchen lassen. Herzrhythmusstörungen sind nicht gut, sind nicht normal. Auf US-PrĂ€sidentenniveau etwas stĂ€rker betont: Nichts mit tippie toppie.
Zu guter Letzt noch einen Schritt weiter an den Brunnenrand, kurz bevor das Kind fĂ€llt: Brustschmerzen unter Belastung sind nie normal! FĂŒr alle aus der âJa aberâ Fraktion: Muskelverspannungen mit Brustschmerzen treten mitunter nach einem Training auf, Stunden spĂ€ter, einen Tag spĂ€ter. Wer allerdings beim schnellen oder schweren Schleppen/Arbeiten/starker Belastung merkt, wie es in der Brust schmerzt, dem gehört das Siegel âRisikopatientâ auf die Stirn gebrannt.
NatĂŒrlich habe ich immer den einen oder anderen bei mir in der Unfallchirurgie mit dem âeingeklemmtenâ Brustwirbelnerv als Patient. (Da klemmt nichts ein, sonst wĂŒrde es lĂ€ngst einen Entklemmungsdistraktor geben). Als Arzt mache ich den Teufel und tue Belastungsbrustschmerzen als orthopĂ€disch ab, bevor sie nicht komplett in der kardiologischen MĂŒhle abgeklĂ€rt sind. Und selbst dann filtert die Kardiologie nicht alle Herzkranken heraus. Ich behaupte sogar, dass Brustschmerzen NIE in der Unfallchirurgie oder OrthopĂ€die behandelt werden sollten. Das ist ein Spiel mit dem Feuer. Tolles Wortspiel, das passt genau in den Weblog.
Die Blutzufuhr gerÀt ins Stocken
Was soll ĂŒberhaupt dieser Hype um dieses ganze Untersuchen und das EKG bei der G26.3? SchnellerklĂ€rung EKG: Herzmuskelzelle bekommt Blut, produziert Energie, diese Energie (hier: Spannung) misst das EKG. Ist nichts als ein Voltmeter, das Spannungsschwankungen aufmalt. Verlange ich bei der Ergometrie viel Arbeit von der Zelle, verĂ€ndert sich bei schlechter Blutzufuhr der Spannungsausschlag. Hoffentlich ist die Untersuchung dann zu Ende. Die Herzkranzarterien lassen in so einem Fall zu wenig Blut zu den Herzmuskelzellen durch. Sie beginnen, zu ersticken.
Die Arterie ist nĂ€mlich kein starres Rohr, sondern ein elastisches GefĂ€Ă, welches sich je nach Stress zusammenzieht oder entspannt ist. Da kann es schon mal sein, dass AGT-Schulze seine G26.3 auf dem Ergometer gut hinbekam. Er ist mit 50 Jahren herzkrank geworden, muss mit 51 Jahren schlieĂlich weniger leisten, als die gesĂŒndere 25jĂ€hrige Kameradin. Er fĂ€hrt also immer noch die EinsĂ€tze fĂŒr Ă50.
Deutsche Feuerwehr Logik: Je wahrscheinlicher im Alter eine Erkrankung ist, desto weniger intensiv wird danach gesucht. Dankenswerterweise ist wenigstens die G26.3 jetzt jĂ€hrlich. DafĂŒr sollten die Rettungstrupps die GerĂ€tschaften den ĂŒber 50 jĂ€hrigen AtemschutzgerĂ€tetrĂ€gern bis an die Rauchgrenze bringen, um den Menschen unter der Maske zu schonen.
Und dieses elastische arterielle Rohr verstopft der Durchschnittsdeutsche (also FA-Schulze) langsam von innen.
- Mit âschlechtenâ Fetten durch schlechtes Essen. Fleisch kostet gefĂŒhlt weniger als GemĂŒse. Lebensmittelkonzerne kochen fĂŒr uns, frieren es ein oder frittieren es direkt schmackhaft vor unseren Geschmacksorganen und Augen.
- Der hohe Zuckeranteil in Fertigessen in Kombination mit Transfetten â Zack! Wieder diese Fettplaques an das KranzgefĂ€Ă.
- Zigarettenrauch inhaliert â Zack! Wieder eine allgemeine EntzĂŒndungsreaktion im Körper. Und natĂŒrlich auch in den KranzgefĂ€Ăen mit ihren gut 3 mm Durchmesser.
Schön, dass diese dĂŒnnen GefĂ€Ăe so elastisch sind, von glatten Muskeln versorgt hĂ€ngen sie eher schlaff herum. Und der Innendurchmesser der verfetteten KranzgefĂ€Ăe ist noch völlig ausreichend, um im Normalfall genug Blut durchzulassen. Ein EKG zeigt dann einen tollen Spannungsfluss.
Blöd nur, wenn aus irgendeinem Grund genau diese eine Sache passiert, die weitaus mehr Adrenalin als sonst in den Körper bring: NĂ€chtlicher Alarm, Stress im Einsatz, plötzlich GruppenfĂŒhrer auf dem LF statt Maschinist. Und das Adrenalin macht genau das, was es mit den Arterien machen soll: Es lĂ€sst die Kranzarterien sich zusammenziehen. Aus grenzwertig eng wird dann symptomatisch eng. Jetzt flieĂt nicht mehr genug Blut hindurch, und es kommt nicht mehr genug Blut am Ende an.
Mit Vollgas gegen die Wand
Und aus schneller Herzfrequenz und hohem Sauerstoffverbrauch beim Laufen, Anstrengung beim Tragen von schwerem GerĂ€t, ĂbersĂ€uerung der Muskeln und damit des Blutes, ergibt sich zusĂ€tzlich eine ganz beschissene Situation: Die Unterversorgung mit Blut kann ein Kammerflimmern auslösen. Noch mal â Zack! Direkt in den Stillstand. Nicht erst noch Brustschmerzen oder filmreife Szenen und Atemnot mit opernreifer Szenerie. Diverse solche Videos des plötzlichen Herztodes gibt das Internet preis â ein Tipp fĂŒr alle, die nicht nur âgesundes Kochenâ im Internet suchen wollen.
Bei Vollgas ohne funktionierende Kraftstoffpumpe oder einer mit schwarzer Schlacke verdreckten Ălpumpe bleibt das Auto stehen, der Motor geht aus. Beim Menschen hat der Ausfall unseres Motors fatale Folgen. Die gut informierte FĂŒhrungskraft weiĂ um die Schwierigkeiten, einen Iveco Magirus aus den 1980er Jahren am Leben zu erhalten â das ist allerdings eine Maschine! Beim Thema Mensch ist das noch viel komplexer und keinen Deut leichter. Ich persönlich will das Risiko eines Herzstillstandes im Einsatz nicht eingehen, zu oft habe ich das Problem auch bei jungen Menschen erlebt.
Aufgabe fĂŒr die FĂŒhrungskraft
Jeder in seiner Position als FĂŒhrungskraft muss immer wieder darauf hinwirken, dass gerade die Leute, die in den Innenangriff gehen, auch wirklich den körperlichen AnsprĂŒchen genĂŒgen. Schweres Schleppen, Laufen, Einsatzstress muss immer wieder auf die RisikotrĂ€ger einprasseln.
âIch habe so wenige AGTâ kann kein Argument sein, zusĂ€tzlich noch den Rettungstrupp zu riskieren. In den Social Networks teilen alle meine Feuerwehrfreunde regelmĂ€Ăig irgendwelche Wunderwuzzi-Fahrzeugbilder, und klar, ein Unimog mit Palfinger Kran hat was. (Respekt Starnberger See!). Aber nicht einer zeigte bisher Bilder vom Sportraum aus der Feuerwehr. Ich wĂŒrde wetten, dass deutschlandweit die Fahrzeugbeschaffungsenergie im VerhĂ€ltnis zu Aufwand fĂŒr âmehr Sport in der Gruppe“ hundertmal gröĂer ist.
Also macht den nĂ€chsten Schritt! Das alkoholfreie Bier ist auch angekommen. Jetzt mit den Raucherzonen noch weiter weg vom Feuerwehrhaus, LeMans-Start in die Ăbung mit 50 m laufen zum LF. Lasst euch was einfallen, um die rauszupicken, die sich sonst irgendwann an die Brust fassen oder jetzt schon unter Belastung einfach nicht gut aussehen. Wer dabei ein Leben rettet, der darf sich genau so stolz auf die Schulter klopfen wie jemand, der als Ersthelfer erfolgreich reanimierte.
PS: Komme mir keiner damit, dass Ăl auf Schwedisch Bier heiĂt. Und Motoren brĂ€uchten ja Ăl. Steigender Ălverbrauch ist ein Warnzeichen!!! Gerade wenn das Fahrzeug neu im Fuhrpark ist und man es noch nicht kennt. Mit hohem Ălverbrauch landet man frĂŒher oder spĂ€ter bei den alten ausgemusterten ĂlsĂ€ufern im Förderverein und wird bestenfalls nur bei Feierlichkeiten herausgeholt.
PPS: Manche haben auch GlĂŒck, dann sind die plötzlichen Brustschmerzen im Einsatz nur ein Herzinfarkt und die Herzmuskelzellen erleiden âMuskelkaterâ oder ein paar sterben ab. Wird das bemerkt, weitet der geĂŒbte Kardiologe im Krankenhaus dieses KranzgefÀà mit einem kleinen Katheter und stellt den Blutfluss wieder her. Mit einer kleinen Kugelschreiberfeder (Stent) hĂ€lt man die 3 mm der Kranzarterie offen. Bis sich Fette wieder ⊠siehe oben.
Ăber den Autor
Dr. Frank EisenblÀtter, Jahrgang 1971, ist Arzt und Notfallmediziner mit Leidenschaft. Begonnen in der Blaulichtfamilie 1992 als Rettungshelfer im Zivildienst, vor dem Studium die Ausbildung zum Rettungsassistenten gemacht. Seit 2007 auch als Aktiver in der Feuerwehr und Feuerwehrarzt. Zuletzt 7 Jahre bei Göteborg in Schweden gelebt, dort die letzten Jahre im Trauma Team der UniversitÀtsklinik unfallchirurgisch gearbeitet. Seit Sommer 2017 wieder in Deutschland.