Eine Kolumne zum Thema (Feuerwehr-)Familie

Ganz langsam erholen wir uns von den zurückliegenden Feiertagen zum Ende eines jeden Jahres. Neben der jahreszeitlich bedingten Völlerei, die man natürlich nicht alleine, sondern mit den Teilen der Familie, die man das Jahr über eher weniger sieht, verbrachte, verwendeten viele ehrenamtliche Helfer der nicht-polizeilichen Gefahrenabwehr einen beträchtlichen Teil ihrer Freizeit mit einem jahreszeitlich bedingtem, erhöhtem Einsatzaufkommens. Anders ausgedrückt forderten zwei Familien das Zugegensein ein. Der Dezember, als Fokus des Aufeinandertreffens der zwei Vereinigungen, eignet sich deshalb ganz gut, um den Gegensatz, die Probleme und die Zwänge zu zeigen, die sich ergeben, wenn man beiden gerecht werden will. Bewusst spreche ich hier vom Ehrenamt, denn das Hauptamt, wie es der Name schon sagt, ist eben keine Freizeit, auch wenn hier Überstunden, unbezahlte Mehrarbeit etc. anfallen. Bitte nicht falsch verstehen, aber Dienstplan ist geplant, und es lässt sich abschätzen, an welchen Tagen frei ist. Der Funkalarmempfänger hält sich leider nicht an Pläne, insbesondere die zum Ende des Jahres geplanten diversen Feierlichkeiten und Zusammenkünfte mit Familie und Freunden können dann zu einer Form des Spießrutenlaufes werden.

Gemütlich sitzt man beisammen, genießt das Essen, redet über das Jahr oder schwelgt in Erinnerungen, da piept es und die andere Familie fordert die Anwesenheit ein. So ärgerlich das situative Aufeinandertreffen ist, in den meisten Fällen hat sicherlich jeder Anwesende Verständnis dafür, dass man „kurz“ verschwindet. Klar – zumindest für mich –, wenn auch nur geringe Mengen von einer organischen Verbindung mit einer oder mehreren Hydroxylgruppen inkorporiert ist, dann bleibe ich sitzen und „feiere“ weiter. Nun, ist das Leben eine Hühnerleiter, man verzeihe mir den saloppen Ausdruck, aber so eindeutige Situationen treten selten auf. Es piept, wenn gerade die 90-jährige Oma zu Besuch ist; es piept, wenn man einen todkranken Angehörigen im Krankenhaus besucht; es piept, wenn man mit dem kranken Kind zu Hause ist; es piept, wenn man auf die eigenen, kleinen Kinder aufpassen muss; es piept, wenn weit entfernt wohnende Verwandtschaft/Freunde zu Besuch sind; es piept, wenn man seine Familie nach langer Dienstreise oder langen Arbeitstagen mal wieder mehr als fünf Minuten zu Gesicht bekommt; …

Rechtlich ist es eindeutig: Die Alarmierung ist eine Anordnung zum Dienst, der Folge zu leisten ist, sofern kein höherrangiges Recht verletzt wird, muss man der Vollständigkeit halber hinzufügen. Das heißt, als ehrenamtlicher Helfer gerate ich schnell in eine moralische Zwangssituation, die je nach Konstellation noch potenziert ist. Auf die Zuspitzung gewisser Umstände verzichte ich an dieser Stelle, aber jeder weiß, was ich meine. Auf der einen Seite will man anderen zur Hilfe eilen, wie es der Verstand sagt; auf der anderen Seite will man bei der Familie/Angehörigen bleiben, wie es das Herz sagt. Auflösen kann man das natürlich immer mit dem Verweise auf die rechtliche Situation oder das Alarmierungsstichwort, aber auf die Dauer führt das im persönlichen Umfeld durchaus zu Spannungen, bis hin zur Frage, „Wir oder die Feuerwehr?“

Andererseits meckert die andere Familie, die mit den roten Fahrzeugen, ebenfalls, wenn man selten zu den Einsätzen erscheint. Mit dem Verweis auf den ungünstigen Zeitpunkt und die persönlich-moralische Zwangssituation kommt man da selten weiter, denn aus eigener Erfahrung weiß ich, dass die Kameraden diese Begründung nicht akzeptieren (übrigens die Führung auch nicht), selbst dann, wenn man höherrangiges Recht verletzten müsste – was in meinem Fall häufig eintritt, Stichwort Kinderbetreuung.

Wie man es dreht und wendet: In einer Brust können keine zwei Herzen schlagen, genauso wenig, wie man zwei gleichberechtigt nebeneinanderstehende Familie haben kann. Was bedeutet diese Feststellung nun für mich persönlich, oder auch verallgemeinert? Zunächst bleibt zu hoffen, dass immer ausreichend ungebundene Kameraden verfügbar sind (keine Kinder, nicht verheiratet, …), um anderen zu helfen. Persönlich muss man sich entscheiden, was einem wichtiger ist, man muss seinen eigenen Ehrgeiz kontrollieren, und diesen Schritt mit „der“ Familie besprechen, sprich, man muss der Führung, aber auch den eigenen Kameraden mitteilen, dass man aus verschiedenen Gründen kürzertreten muss. Um die Grautöne in die Dichotomie zurückzubringen: Man bleibt dabei, irgendwie. Gänzlich auflösen lässt sich das Problem nämlich nur, wenn man eine der beiden Familien verlässt. Aber will man das wirklich.

Off Topic

Ich habe es mir zur Aufgabe gemacht, jeden ersten Dienstag im Monat eine Kolumne im Feuerwehr Weblog zu veröffentlichen. Begonnen habe ich dies mit dem Beitrag „Abwechslung. Anstrengung. Alles andere als ein Hobby“ am 6. September. Gerne dürfen auch unsere Leser ein Thema aufgreifen und uns den Text zusenden, gleichzeitig versuche ich (namhafte) Feuerwehrangehörige oder der Feuerwehr nahe stehenden Personen hierfür zu gewinnen. Da wir ein privates, nicht-kommerzielles Medium sind, bleiben als Belohnung nur der Ruhm, die Anerkennung und die Meinungsfreiheit. Überlegt es euch.

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