Eine Kolumne von Dr. Frank EisenblÀtter
So in etwa Ă€uĂern sich viele im Rettungsdienst und der Feuerwehr, wenn beide sich im vertraulichen GesprĂ€ch auf das Thema Kommunikation mit den im Notarztdienst tĂ€tigen Ărzten beziehen. Oder kĂŒrzer gefragt: Können die eigentlich Deutsch? Wollen die nicht oder können die nicht?
Es wĂ€re einfach und billig, schon hier einen Schlussstrich zu ziehen und zu sagen: âNö, das sind die Zugewanderten mit SprachmĂ€ngeln.â Doch dieses Problem wĂŒrde ich hier sicher nicht ansprechen, wĂŒrde ich nicht noch eine viel tiefere Problematik sehen:
Leider geschieht diese Zusammenkunft immer in zeitkritischen Momenten, z. B. dann, wenn Rot und Weià gemeinsam um Leben und Gesundheit eines Menschen kÀmpfen. WÀre es nur ein reines Sprachproblem, könnte man die NotÀrzte auf Sprachkurs schicken, die Installation einer Deutsch-Lern-App empfehlen und auf den Erfolg der digitalen Sprachschule setzen. Ein Sprachkundenachweis, wie z. B. den Rechtschreibtest beim Aufnahmetest zur BF, setzt man beim Medizinstudium nicht voraus. So erhÀlt auch der Friese in Franken seine Chance, ohne bereits beim Diktat durchzufallen, weil alle Konsonanten weich klingen.
Was aber weiĂ der Arzt eigentlich ĂŒber die Feuerwehr?
Der 80 Stunden umfassende Kurs gemÀà des Curriculums der BundesĂ€rztekammer zur Erlangung der Berechtigung zur PrĂŒfung zur Zusatzbezeichnung Notfallmedizin[1] ist der einzige Teil in der Ă€rztlichen Ausbildung bis zur NotarzttĂ€tigkeit, in welchem ein direkter Kontakt zur Feuerwehr besteht. Im theoretischen Unterricht findet sich ein Teil THL mit dem Fallbeispiel âPolytraumaâ. 60 Minuten Unterricht veranschlagt, 5 Unterpunkte, jeder davon 12 Minuten, dann hat Punkt 34.3 mit âOrganisation des Einsatzes / Kooperation (technische Rettung)â 4 Minuten. Da wird’s schon eng. Zum Kursende bleiben dann noch einige praktische PflichtĂŒbungen:
In 120 Minuten sollen praktisch alle technischen Rettungsmöglichkeiten demonstriert werden: Also Fahrzeuge und GerĂ€te zur THL, Zugangsöffnungen, Demontage, SicherungsmaĂnahmen bei Chemie und Gefahrgut, Atemschutz, Chemieschutzanzug, aber auch EINSATZLEITWAGEN und KOMMUNIKATIONSMITTEL. Die Lernzielbeschreibung dieser praktischen Ăbung aus dem oben genannten Curriculum lautet: â (âŠ) damit sich die Lehrgangsteilnehmer im gemeinsamen Einsatz adĂ€quat verhalten können.â Klingt zwischen den Zeilen ein bisschen wie âdamit sie im Einsatz nicht so viel Verwirrung stiftenâ.
SpĂ€testens, wenn der Notarztkurs sich dem Ende nĂ€hert und fĂŒr die teilnehmenden Ărzte im praktischen Teil (120 Minuten) fleiĂig Pkw zerspant werden, Kolleginnen schwitzend und keuchend mit CSA oder Pressluftflaschen und Hupf schweres GerĂ€t schleppen, mĂŒsste eigentlich das Thema âWie kommen wir am Einsatzort ins GesprĂ€ch?â schon fest in den Köpfen sitzen.
Die RealitĂ€t schlĂ€gt den meisten doch erst mit der flachen Hand ins Gesicht, wenn es zu spĂ€t ist. Hat der Jungmediziner das schĂŒtzende Nest der Klinik verlassen, dann ist nĂ€mlich nicht die erfahrene BF vor Ort, die schon mehrere 1.000 Studenten zu wissenden Ărzten im Bereich THL begleitet hat, oder gar erfahrene Notfallmediziner in den Reihen der Feuerwehr.
In der kalten Wirklichkeit des deutschen Feuerwehrwesens haben die jungen Kolleginnen und Kollegen die âDorfwehrâ zu fĂŒrchten. Die, die nun auch endlich nach Beschaffung eines Wunderwuzzis in den THL Olymp aufgestiegen ist: Mit Weber, Winde und Werfer in Vorhalte lauernd, vor Ort verharrend, 16 Tonnen HLF in Erwartung des GlĂŒckseligkeit bringenden Druiden, um mit schnellen angeleiteten Schnitten den Patienten von seinem Leid der Einklemmung zu befreien. In diesem Fall nehmen wir einen Pkw an, welcher nicht der Meinung ist, seine Insassen sofort wieder in die Umgebung zu entlassen. Oder es den Insassen verboten wurde.
So lange nur unschuldige Unfallfahrzeuge dabei den Totalschaden nehmen, sei es verschmerzt. Wenn durch das Aufeinandertreffen von zweiseitigem Erfahrungsmangel auch Patienten Schaden nehmen, dann ist das inakzeptabel.
Wie könnten wir denn in meiner rosaroten Welt der guten Kommunikation das Problem besser lösen?
Bloà durch das Sprechen einer gemeinsamen Sprache gelangen weder Notarzt noch THL-Wehr effizient an die benötigten Informationen. Es geht auch darum, augenblicklich zu wissen, mit wem man sprechen muss und was die benötigten GesprÀchsinhalte sind.
Ich habe das schon an anderer Stelle erwĂ€hnt, werde aber nicht mĂŒde, die Wichtigkeit von standardisierten GesprĂ€chsablĂ€ufen in Anlehnung an das englische SBAR-Schema[2] zu betonen:
- Beide Seiten mĂŒssen sich finden und vorstellen, d. h. mit Namen und vor allem âFunktionâ! Diese sollte natĂŒrlich fĂŒr den feuerwehrunerfahrenen Mediziner verstĂ€ndlich sein. Beispiele? âGruppenfĂŒhrer auf dem 2. HLFâ bedeutet was fĂŒr den Notarzt? Waren da nicht auch Schachbrettmusterwesten mit vielen anderen tollen Funktionen, wie VerbandsfĂŒhrer, Wehrleiter, Kommandant? Irgendjemand muss dem Mediziner an der Seite stehen und von dort nicht weichen. DAS ist die Person, mit der kommuniziert wird.
- Diese oben genannte Person der Feuerwehr bekommt nun eine schwierige Aufgabe: Sie muss die vorgefundene Lage erklĂ€ren und mit ihren vorhandenen Mitteln die Möglichkeiten vorschlagen. Wenn der Kranplatz nicht verdichtet ist, kann man als Arzt 1000x âKranâ schreien. Um solchen Grotesken vorzubeugen: Richtig die Möglichkeiten aufzĂ€hlen, bei zeitkritischen EinsĂ€tzen verstĂ€ndlicherweise auch mit den zu erwartenden Rettungszeiten. Man stelle sich vor, der Arzt wĂŒrde seine bekannten Rettungsmethoden abfragen, der Gegenpart von Feuerwehrseite antwortet jedoch immer nur ânoch nicht da / habe ich nicht / muss erst bestellt werden / âŠâ. Bei so vielen Neins wĂ€hlt der Arzt noch am Ende die âNotrufnummerâ des THW. Steuert die Feuerwehr jedoch das GesprĂ€ch und beide tauschen sich nur ĂŒber vorhandene Möglichkeiten aus, verkĂŒrzt dies den Aufwand enorm.Schwierigkeit: Die Feuerwehrseite braucht A) ein Lagebild und B) gewisse medizinische Grundkenntnisse, um zu erkennen, wie zeitkritisch der Einsatz wohl gerade wird. Wenn bei der ersten Sichtung der Notarzt sagt: âMuss sofort rausâ ist der Drops gelutscht und die zeitlichen Grenzen abgesteckt.Noch mal zu A): Die Lage muss natĂŒrlich auch erkundet werden, bei ersteintreffender Feuerwehr kein Problem â bei nachrĂŒckender Feuerwehr ein groĂer Stressfaktor fĂŒr den Kommunikationspartner der Feuerwehrseite. Umso wichtiger, dass jemand auf Feuerwehrseite weiĂ, mit was er in den Einsatz kommt, welche Mittel noch rollen und mit schnellem Blick die Situation erfassen kann. Gleichzeitig ist er aber weder mit der Organisation des Aufbaus, noch mit Befehlsgabe beschĂ€ftigt.
- Empfehlungen / Recommendations: Hat man sich auf das Vorgehen geeinigt, sollte tunlichst nicht der GesprĂ€chspartner der Feuerwehr im Einsatz verschwinden und der Druide muss das Rad neu erfinden. Jetzt heiĂt es, sinnbildlich eng umschlungen den Einsatz abzuwickeln. Insofern wĂ€ren wohl Einsatzleiter und erster GruppenfĂŒhrer nicht die besten Ansprechpartner.
Auch die Nachfragen von Medizinerseite, gesundheitliche LageĂ€nderungen und damit verbundene Abweichungen im vorherigen Ablaufpfad, all das wird vom Notarzt ĂBER seinen Feuerwehrpartner weiter gegeben. Dieser ist ein reiner Kommunikationspartner im Team, quasi ein Dolmetscher Medizin <-> Feuerwehr, aber mit voller Anerkennung auf Feuerwehrseite.
Mit meinen Erfahrungen als Notarzt in bereits 10 BundeslĂ€ndern kann ich sagen, dass es nicht leicht ist, seinen Ansprechpartner zu finden. Ich habe spaĂeshalber mal in einer der niedersĂ€chsischen Feuerwehrschulen nachgefragt â da wurde mir der Tipp gegeben, meinen Ansprechpartner gemÀà der Funktionsabzeichen am Helm zu finden. Ăhnlich der Aussage des Arztes: âWenn diese Bewegung weh tut, dann machen Sie sie einfach nicht.â
Gibt es Positivbeispiele?
Die Idealsituationen sind immer dann, wenn der Rettungsdienst heimatnahe arbeitet und gleichzeitig das Personal in beiden Fraktionen aktiv ist. D. h., wenn der Leiter der gerade aktiven Feuerwehr zusĂ€tzlich der NotfallsanitĂ€ter des NEF ist â dann lĂ€uft es. Auch die ganzen BF-Standorte mit Wechselschichten zwischen Schwarz und WeiĂ sind in der Regel problemlos. Da ist oftmals die THL feuerwehrseitig ein SelbstlĂ€ufer und mit Verwunderung wird dort reagiert, wenn mal klare und deutliche Ansagen von Ă€rztlicher Seite kommen.
Aber in der groĂen, bösen weiten Welt des Lebens da drauĂen, ohne ein festes Kommunikationsschema in der Hand, wird das Finden des richtigen Partners im stressigen Einsatz nicht leicht sein. Wahrscheinlicher ist, dass man auf Tinder oder Paarship einen Erfolg landet.
Womit wir wieder bei den kleinen, oben erwĂ€hnten Apps angekommen sind, die beim Erlernen einer neuen Sprache so hilfreich sein können ⊠und ich den glĂŒcklichen KĂ€ufern des Wunderwuzzis noch eine Beschaffung extra mit auf den Weg geben kann:
Zu Weihnachten eine Funktionsweste mit dem Aufdruck âNotarzversteherâ alternativ âAbschnittsleiter Kommunikation Medizinâ.
[1] Muster Kursbuch Notfallmedizin der BundesÀrztekammer: http://www.bundesaerztekammer.de/fileadmin/user_upload/downloads/MKBNotfallmedizin2014.pdf
[2] SBAR ErklÀrung auf Englisch: http://www.ihi.org/resources/Pages/Tools/sbartoolkit.aspx
Ăber den Autor
Dr. Frank EisenblÀtter, Jahrgang 1971, ist Arzt und Notfallmediziner mit Leidenschaft. Begonnen in der Blaulichtfamilie 1992 als Rettungshelfer im Zivildienst, vor dem Studium die Ausbildung zum Rettungsassistenten gemacht. Seit 2007 auch als Aktiver in der Feuerwehr und Feuerwehrarzt. Zuletzt 7 Jahre bei Göteborg in Schweden gelebt, dort die letzten Jahre im Trauma Team der UniversitÀtsklinik unfallchirurgisch gearbeitet. Seit Sommer 2017 wieder in Deutschland.