Eine Kolumne von Stefan Cimander

Inbetriebnahme des ersten automobilen Feuerlöschzuges der Welt fand am 19. Februar 1902 an der damaligen Feuerwache II in der Nordstadt von Hannover statt. Bild: Wikimedia Commons/Public Domain (Link)

1901 wurde auf der „Internationalen Ausstellung für Feuerschutz und Feuerrettungswesen“ das erste, mit Benzin betriebene Feuerwehrfahrzeug vorgestellt – und fand keine Beachtung. Die Besucher drängten sich stattdessen um den „Elektromobilen Löschzug“ der Berufsfeuerwehr Hannover. Benzinautomobile galten als zu unausgereift, störanfällig und überhaupt, „mit Benzin zum Feuer zu fahren“1 hielten die Zeitgenossen für äußerst gewagt. Dem elektrischen Antrieb maßen die Feuerwehroffiziere die Zukunft bei, zumindest einige, denn auch damals stritt man sich im Feuerwehrwesen heftig, sogar besonders heftig und selten auf Basis objektiver Bewertungen.

Weshalb dieser Exkurs in den Beginn der Zeit der Motorisierung der Feuerwehren? Nun, wir erleben gegenwärtig den Beginn eines Umbruchs, einen Umbruch, der den Verbrennungsmotor auch in konservativen Kreisen in Frage stellt. Binnen weniger Jahre hat sich die Technologie für elektrisch getriebene Fahrzeuge so weit entwickelt, dass der flächendeckende Einsatz dieser Technologie möglich ist bzw. bereits in die Tat umgesetzt wird. Setzte sich nach dem Großen Krieg (1914-1918) der Benzinantrieb endgültig durch und feierte der Dieselantrieb durch kriegswirtschaftliche Überlegungen ab den 1930er Jahren seinen Durchbruch, geriet der „elektromobile Antrieb“ in der Breite nahezu in Vergessenheit. Feinstaub, Stickoxide, Kohlendioxid, der Verbrennungsmotor, er produziert aktuell eher negative Schlagzeilen. Die Zukunft gehört wohl dem elektrischen Antrieb, eine Prognose, die man auch um die vorletzte Jahrhundertwende aussprach – gerade für das sich in der Motorisierung befindliche Feuerwehrwesen. „Der Elektromotor ist in seiner heutigen, vollkommenen Gestalt das Ideal der Motoren; die Regelmäßigkeit seiner Bewegungen und seine wunderbare Geschmeidigkeit genügen, um diesen Ausdruck zu rechtfertigen. […] Der wunde Punkt ist der Akkumulator.“2 bemerkte ein Zeitgenosse 1901. Und heute? Sicherlich kann man dem auch in der Gegenwart zustimmen. Städte wie New York oder Chicago fördern den elektrischen Antrieb offensiv3 und die Niederlande beschlossen ab 2025 das Verkaufsverbot des Verbrennungsmotors. Und was passiert in Deutschland, dem Land der Autoindustrie? Man debattiert zaghaft, um es mal so zu formulieren, man wird sich aber dem Trend mittelfristig nicht widersetzen können. Politisch ist das Thema, trotz kritisch-konstruktiver Fragen zum Thema Umweltbilanz4 nahezu beschlossene Sache.

Die Frage, ob auch die Feuerwehr in naher Zeit elektrisch fahren wird, sie zu stellen, ist legitim, denn irgendwann in naher Zukunft, dann, wenn Diesel und Benzin als Antrieb in Europa ein Auslaufmodell werden, wird sich das Mutterland des Automobils nicht wie das gallische Dorf in einer bekannten französischen Comicserie verhalten können.

Könnte die Feuerwehr denn überhaupt elektrisch fahren? Feuerwehrfahrzeuge legen in der Regel nur kurze Strecken zurück und würden nicht einfach liegen bleiben, weil der Akku leer ist – die Reichweite aktueller Fahrzeuge liegt zwischen 200 und 600 Kilometer. Das Problem, das bspw. Baden-Württembergs Landesvater Kretschmann hat, nämlich dass er nicht jede Ecke seines Autolands mit einer Akkuladung erreichen könnte,5 stellt sich für die Hilfsorganisationen im normalen Einsatzbetrieb also eher weniger. Da Feuerwehrfahrzeuge nach dem Einsatz meist wieder im Stall stehen, sollte das Aufladen der Akkus aus infrastruktureller Perspektive keine Schwierigkeit sein. Auch das Argument, das bisher nur von Elektro-PKW die Rede ist, stellt sich spätestens seit der öffentlichkeitswirksamen Vorstellung des Elektro-LKW von Tesla nicht mehr6 – gleichwohl andere Hersteller bereits längst verkaufsfertige Lösungen vorzuweisen haben. Gerade im Markt der Transporter, ein Segment, das sich auch in den Feuerwehren findet, tut sich hinsichtlich der Umstellung auf den Elektroantrieb so einiges. Die großen Paket- und Postdienstleister forcieren hier und auch in den USA den Umstieg auf emissionsfreie Antriebe7 und auch verschiedene Stadtwerke entdecken den elektrisch angetriebenen (Oberleitungs-)Bus wieder;8 selbst die Polizei in Niedersachsen testet Elektrodienstfahrzeuge.9

In der BF München werden die Fahrzeuge für Dienstfahrten komplett elektrisch10 und in vielen anderen Gemeinden testet man Elektroautos für die Feuerwehr, meist für logistische Aufgaben oder außerhalb des Einsatzdienstes;11 London und Los Angeles setzen die Fahrzeuge sogar im Einsatzdienst ein – sagt zumindest das Marketing eines süddeutschen Autokonzerns.12 War das „Benzinautomobile Kraftfahrzeug“ um 1900 bei der Feuerwehr meist als Dienstwagen für den Chef im Einsatz, während der Löschzug elektrisch fuhr, ist es nun umgekehrt: Der Löschzug fährt mit Explosionsmotor und die Dienstwägen werden elektrisch. Übrigens testete die BF Essen schon 1994 die Tauglichkeit des elektrischen Antriebs für die Feuerwehr.13 Allerdings handelt es sich bei diesen Beispielen nicht um Lastkraftwagen. Wäre ein Elektro-LKW für die Feuerwehr überhaupt umsetzbar, schließlich gibt es bereits kommerzielle Lösungen?

Der Elektro-LKW ist also kein bloßes Gerede mehr und lange wird es nicht dauern, bis auch in diesem Fahrzeugsegment die Hersteller wetteifern werden. Wir reden vermutlich nur um wenige Jahre und nicht mehr von Jahrzehnten. Das Fahrzeugangebot ist vorhanden – wird vorhanden sein – und die entsprechende Infrastruktur befindet sich im Aufbau, aber warum finden sich dann bei den Feuerwehren wenig bis keine Fahrzeuge dieser Art? Liegt es vielleicht daran, dass die Feuerwehr schon immer skeptisch war, was Neuerungen betraf, siehe hierzu die Vorbehalte gegen den Explosionsmotor zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Vielleicht, vielleicht auch nicht. Beliebtes Argument ist die fehlende Infrastruktur, doch auch Bertha Benz hatte 1888 bei ihrer Fahrt von Mannheim nach Pforzheim Schwierigkeiten auf eine Benzininfrastruktur zurückzugreifen. Es gibt weitere objektive Argumente gegen den Antrieb bzw. kritisch Nachfragen. Hierzu zählen Fragen nach der Wirtschaftlichkeit14, der Brand- und Crashsicherheit der Akkumulatoren15, der Einsatzbereitschaft, der Durchhaltefähigkeit, der Reichweite, der Höchstgeschwindigkeit, der Ladezeiten und überhaupt, was passiert bei einem Blackout? Kein Strom, keine aktive Ladestation und irgendwann steht damit auch das Feuerwehrfahrzeug still. Aber das alles sind keine Aspekte, die die Tauglichkeit für die Feuerwehr grundlegend in Frage stellen.

Statt eines rein elektrisch angetriebenen Fahrzeugs würde doch eine Kombination aus elektrischem Antrieb und Verbrennungsmotor eine ideale Lösung darstellen! Sozusagen das beste beider Welten. Diese Feststellung erkannte bereits 1900 der damalige Berliner Feuerwehrchef Reichel. Durchsetzen konnte sich der Antrieb aufgrund seiner Komplexität seinerzeit nicht. Hybridautos gelten ohnehin als Übergangstechnologie und sind objektiv betrachtet besser als ihr Ruf.16 Klar, für die Feuerwehr müssten erst grundlegende ergonomische und räumliche Aspekte geklärt werden, aber unmöglich – ein Wort das es im Wortschatz der Feuerwehr eigentlich nicht geben sollte.

Eine der wenigen erhaltenen Hybrid-Oldtimer: „Benzinelektrische Autospritze“ der Feuerwehr Freiburg. Das „Fahrzeug II“ wurde 1913 gebaut. Der benzingetriebene Motor hat 4 Zylinder und erzeugte 72 PS. Die Höchstgeschwindigkeit betrug 50 km/h. Archivbild (2005).

Die Feuerwehr wird sich mittelfristig dem Trend zu alternativen Antrieben nicht widersetzen können, weshalb sich die Feuerwehren schon jetzt, also bevor die neue Fahrzeuggeneration das Alter von 20 Jahren überschreitet, Gedanken über diesen Aspekt machen müssen. Denn die Welt des Jahres 2038 wird definitiv eine andere sein.

1 Manfred Gihl: Geschichte des deutschen Feuerwehrfahrzeugbaus. Bd. 1., Von den Anfängen bis 1940. Stuttgart : Kohlhammer 1997, S. 70.

2 H.W. Hellmann: Der elektrische Kraftwagen, Berlin 1901, S. 1-2, zitiert n. Manfred Gihl: Geschichte des deutschen Feuerwehrfahrzeugbaus. Bd. 1., Von den Anfängen bis 1940. Stuttgart : Kohlhammer 1997, S. 71. Vgl. auch LKW unter Strom – die Geschichte der Nutzfahrzeuge mit Elektroantrieb

7 DHL setzt auf den selbst entwickelten Streetscooter und will in den USA auch den Elekro-LKW von Tesla testen; Mercedes-Benz kooperiert mit Hermes und UPS lässt in den USA seine Fahrzeuge von Diesel auf Elektro umrüsten

11 Für Dienstfahrten – mit Option auf Einsatzdienste – beschaffte die Feuerwehr Reutlingen ein Elektrofahrzeug ; die Feuerwehr Krems in Niederösterreich beschaffte ein Elektrofahrzeug für logistische Aufgaben und auch der Landesfeuerwehrverband Vorarlberg beschaffte einen Dienstwagen

13 BRANDSCHUTZ, 9/1995, S. 609 laut Gihl, S. 76

14 Bremen musterte bspw. sein E-Autos aus, weil mit dem Wegfall von Fördermitteln konventionelle Antriebe günstiger sind (Link).