Am Montag, den 30.7. veranstalten wir – das ist das @fire-Team 3-71 „Bayern“  – einen Interessententreff im Gerätehaus der FF Poing (1900, Friedensstraße 1, 85586 Poing).

Grob gesagt widmet sich @fire zwei Themen: Vegetationsbrandbekämpfung (Wildland Firefighting) und USAR (Urban Search and Rescue). Einsatzgebiet ist dabei das Ausland, aber im Alltag haben wir natürlich auch hierzulande viele Berührungspunkte mit der Feuerwehr.

Während Vegetationsbrandbekämpfung (vielleicht) eher in aller Munde ist, sieht man bei USAR öfters ein großes Fragezeichen über die Köpfe schweben. Ich werde versuchen, das kurz und knapp zu erläutern, und darstellen wo die Relevanz zur Feuerwehr besteht.

Zunächst einmal: worum geht es bei USAR?

Personensuche in Haiti

Hauptszenario ist Erdbeben. Es gibt weitere „relevante“ Naturkatastrophen, beispielsweise Tsunamis, Unwetter, aber Fokus liegt ganz klar auf Erdbeben.

Das Retten bzw. Bergen von Verschütteten ist ein Standardvorgehen, das im Prinzip gleich ist, ob in Port-au-Prince oder Hamm (letzte Woche erst). In unseren Breitengraden explodieren Häuser ab und an.

Explodierte Einzelhäuser sind durchaus Feuerwehrsache, weil sie am Einsatzort zuerst eintriftt, und auch noch die Einsatzleitung behält, wenn das Technische Hilfswerk angefordert wird.

Klar, das THW ist viel eher auf solche Szenarien ausgerichtet, aber die Erstmassnahmen obliegen der Feuerwehr. Gerade Rüstwagen führen einiges an geeignetes Gerät mit, um loslegen zu können bis die Blauen vor Ort sind.

An dieser Stelle sei auf die fünf Phasen der Bergung hingewiesen, die zwar auch eine Feuerwehr drauf haben sollte, aber…naja. Anderes Thema.

@fire hat nullkommanix mit „heimischen“ Einstürzen zu tun, ausser ein Mitglied gerät zufällig mit seiner Feuerwehr in so einen Einsatz.

Auf dem Weg ins Einsatzgebiet

@fire wird dann tätig, wenn es ins Ausland geht. Klassisches Beispiel war unser Einsatz in Haiti im Januar 2010. In 2011 waren wir dreimal auf Standby (Tsunami in Japan, Erdbeben in Mexico und in der Türkei). Wenn es ins Ausland geht, hat man keine Fahrzeuge und muss sich somit mit dem mitgeführten Gerät beschränken. Man muss bis zu 10 Tage völlig autark agieren können. Am wichtigsten jedoch: man arbeitet nach Vorgaben der UN, doch dazu später mehr.

Punkt 1: Das Handwerk

Aus meiner Sicht der wichtigste Beweggrund, hier aktiv zu werden. Es geht vor Allem um technische Hilfeleistung, Verwendung von mitgeführten und vor Ort vorgefundenen Materialien. Ganz oben auf der Liste: Improvisation. Ein kleiner Auszug aus den Disziplinen, die einen Search / Rescue Technician ausmachen:

Search / Suche

Mittels SearchCam kommuniziert die Ärztin mit dem Eingeschlossenen

Um eine Person zu retten, muss man sie finden. Dies erfolgt in folgenden Schritten: Befragung von Bewohnern und Nachbarn („wieviele Personen“? „Grundriss der Wohnung?“).

Dann die biologische Ortung. Das ist ein anderes Wort für Trümmerhunde (keine Flächen- oder sonstige Hunde, das ist eine spezielle Ausbildung). Die können herausfinden, ob hier jemand liegt, und zwar über eine große Fläche in recht kurzer Zeit.

Schliesslich erfolgt die technische Ortung mittels Geofon, Endoskop oder Bioradar.

Suche ist eine Kunst für sich und wird vom Search Team durchgeführt, angeführt von einem erfahrenen Search Officer.

Rope / Seil

Seilbahn

Wesentlich mehr als nur Absturzsicherung. Wir müssen Menschen aus Tiefen oder aus Höhen holen, aber auch Lasten horizontal bewegen. Wir bauen Flaschenzüge, Hebesysteme und vieles Mehr. Schon mal ein Loch im 2.OG seitlich in eine Hauswand gehauen? Seil (englisch: Rope) ist vermutlich die anspruchsvollste Disziplin innerhalb der technischen Hilfeleistung.

Lifting, Rigging, Shifting / Heben, „Verspannen“, Bewegen

Rescue Specialist Camp

Lasten müssen gesichert, gehoben oder versetzt werden.  Hierzu muss man wissen, wieviel Gewicht gehoben wird, ob es sicher ist, wie es sich während des Hebens verhält, wie man richtig ansetzt und vieles mehr. Dabei kommen alle möglichen Geräte zum Einsatz, von Hebekissen über manuelle Hydraulikgeräte bis hin zu Greifzug, auch müssen beispielsweise Betonanker gesetzt werden, um vernünftige Anschlagpunkte zu erhalten.

Shoring / Abstützung

Stützbock

Holzbearbeitung vom Feinsten. Mit Hammer und Säge umgehen können, stellt aber auch höchste Ansprüche an Hirn!

Es geht auch nicht nur um Raumfachwerke oder ähnliches, sondern man muss wissen welche „Figur“ wo zu setzen ist – und zwar so, dass das Ganze auch noch hält.

Das „Lesen“ von beschädigten Gebäudestrukturen ist kritisch, um die Sicherheit eines Einsatzes bewerten zu können. Hier kommt übrlicherweise der Baufachberater zum Zug, der den Einsatzleiter bei der Planung einer Abstützung unterstützt.

Trench / Tiefbauunfall

Nehmen wir ein Beispiel: wir wollen in den Keller eines eingestürzten Hauses. Geht aber nur durch die Aussenwand des Kellers. Fazit? Ausgraben und sicher verbauen.

Breaking and Breaching / (Durch)brüche

Betondurchbruch mit der Hilti

„Concrete is Evil“ so ein Motto. In vielen Einsatzgebieten ist Beton der wichtigste Baustoff, und typischerweise liegen Eingeschlossene hinter meterdicken Decken oder Wänden – da muss man durch.

Doch ob Kernbohrung, Durch- oder Abbruch, das ist nicht nur anspruchsvoll, sondern auch kräftezehrend.

Punkt 2: Auslandsspezifisches Handwerk

Der Titel stimmt nicht ganz, denn diese Dinge müssen natürlich auch im heimischen Einsatz beherrscht werden. Im Ausland jedoch sind sie ungleich relevanter:

Kommunikation / Tech

Stabsarbeit

Im Ausland arbeiten wir primär mit 2m bzw. VHF-Funk, vereinzelt auch UHF. Im Gegensatz zur Feuerwehr müssen die Geräte unter Umständen auch vor Ort programmiert werden.

Ganz was anderes sind jedoch beispielsweise das Setzen eines 2m-Relais oder die Nutzung eines Satelliten-Telefons. Übrigens funktionieren nicht alle Anbieter weltweit lückenlos.

Auch spannend ist dann das Einrichten eines lokalen IT-Netzwerks vor Ort im Einsatzzelt. Dinge müssen dokumentiert werden, es muss kommuniziert werden (mit der UNO, mit dem Stab, intern, usw.). Dafür bedarf es einer Infrastruktur, die auch Stabsarbeit vor Ort ermöglicht.

Orientierung

Arbeiten im UTM-Koordinatensystem

GPS und Kartenkunde sind das A und O! Einsatzorte und Bereitstellungräume benennen, Rückmeldungen, Erkundungen uvm. beruhen auf diese Fähigkeiten. Der Umgang mit GPS ist Grundvoraussetzung.

Daran angelehnt ist auch das Mapping: mittels Karten, Open Street Map oder Google Earth (oder was auch immer zur Verfügung steht) können Lagekarten, Skizzen uvm. erstellt werden.

Geocacher willkommen.

Logistik

Logistiker bei der Arbeit

Eigentlich völlig verkehrt, die Logistik lediglich hier unterzubringen. Mit ihr fällt und steht der Einsatz.

Es geht los bei der Dokumentation der einzelnen Teammitglieder (hat auch wirklich jeder einen gültigen Impfpass dabei?) und Gerät, Zolldeklarationen, über das Besorgen von Treibstoff und Transportmittel und unendlich vieles mehr. Die meisten Teammitglieder sind ersetzbar, ein guter Logistiker nicht.

Der Auslandseinsatz

Ab hier wird’s auslandsrelevant, und die größten Unterschiede zur „normalen“ Hilfeleistung treten zutage. Das wären unter Anderem:

INSARAG

Reception Centre

Das OSOCC ist der UN-Stab vor Ort

@fire ist eines von drei deutschen Teams, die Mitglied der INSARAG sind. Die anderen sind die SEEBA (THW) und I.S.A.R. Germany.

Grob erklärt ist die INSARAG eine Art Rahmenwerk seitens der Vereinten Nationen, die die Arbeit der internationalen Rettungsteams harmonisieren soll und ganz spezifische Ansprüche an die Teams stellt. Die Guidelines sind hier als PDF zum Downloaden.

INSARAG-Teams verpflichten sich, nach deren Vorgaben zu arbeiten – so soll auch Katastrophentourismus verhindert werden.

Beispielsweise müssen Teams nicht nur technische Anforderungen erfüllen, sondern auch Personal für den UN-Stab (So genanntes OSOCC und RDC) abstellen können.

Notfalls müssen erst eintreffende Teams den Stab selbst stellen, falls keine anderen UN-Behörden vor Ort sind.

Komponenten

Medical Field Post nimmt seine Arbeit auf

Zuhause von verschiedenen Organisationen gestellt, ist das im Ausland eine einzige Einheit: nicht nur technische Komponente, sondern auch biologische (Hunde) und medizinische. Verletzte müssen ja nicht nur herausgezogen werden, sondern auch versorgt, unter Umständen richtig lange Zeit bis sie „abgegeben“ werden können. So führen wir auch Rettungsdienstpersonal – auch als Confined Space Medic in Doppelrolle – und Ärzte mit, um dieser Rolle gerecht zu werden.

Autark arbeiten

Ein Team nach INSARAG muss eine bestimmte Zeit ganz alleine arbeiten können. „Ganz alleine“ bedeutet: darf nicht anderen Teams oder der UN zur Last werden. Verpflegung, oder aber das eigene Gerätehaus (hier heisst das BoO, oder Base of Operations) muss alles komplett selbst gestellt werden.

Dies gilt dann auch für die einzelnen Teammitglieder: rückt man aus, hat man auch nur eine Chance, richtig zu packen!

Stress

Ein Auslandseinsatz ist stressig. Man ist 10 Tage zusammengeworfen, wenig Schlaf, wechselnde Rollen…und unter Umständen emotionale Belastung durch die vielen Opfer einer Katastrophe. Das erfordert nicht nur physische, sondern auch sehr viel psychische Fitness und Teamgeist. Heissdüsen sind hier ganz und gar fehl am Platz.

Safety and Security / Sicherheit

Security in Haiti

Geht es ins Ausland, wird man plötzlich mit völlig anderen Kulturen und möglicherweise mit einer völlig anderen Sicherheitslage konfrontiert. Aus diesem Grund ist der so genannte ID Lehrgang absolute Pflicht. ID steht für International Deployment, in dem so Dinge wir Hygiene, Orientierung und einige andere lebenswichtige Dinge vermittelt werden. Wie weit darf ein PKW-Fenster offen gelassen werden? Welcher Abstand ist zum Vordermann an einer Ampel zu halten?

Im Rahmen der Ausbildung werden Teilnehmer mit authentischen, stressigen Situationen konfrontiert. Wie verhält man sich an einem Militärcheckpoint?

Anfahrt auf einen simulierten militärischen Checkpoint. Wie verhalte ich mich richtig?

Stab zuhause

Kein Einsatz ohne Stab zuhause. Flüge und Transport organisieren, Kontakt mit den nationalen Behörden, anderen Organisationen oder mit den Angehörigen des teams halten, Wetter- und Lagekarten produzieren und vieles mehr verlangt einiges an Fähigkeiten ab.

Fazit

Wie man sieht, ist das Ganze nicht ganz ohne Anspruch und nicht ganz wenig Materie.

Auf der praktischen Seite kann man sich extrem sinnvolle Fähigkeiten aneignen, die nicht nur in der Feuerwehr von Vorteil sind, sondern auch in allen möglichen Lebenslagen. Gewisse Grundlagen müssen alle drauf haben. Inwieweit man sich dann spezialisiert, welches Themengebiet man intensiver verfolgt, bleibt dem Einzelnen überlassen. Wichtig ist, ein harmonisches Team aufstellen zu können.

Wem das Thema übrigens zu 100% taugt, ist beim THW deutlich besser aufgehoben als bei der Feuerwehr.

Am ehesten überwiegt jedoch die Horizonterweiterung. Diese ist nicht nur fachlich, sondern gerade in einer USAR-Einheit, ob nun @fire oder andere: man trifft auf (fast 100%) durchgehend am Thema Interessierte und motivierte Leute. Schon mal mit Iren und Thailändern zusammen geübt?

Das ist etwas ganz anderes als in der Feuerwehr. Man muss für Anderes offen sein, bekommt aber so auch wertvollen Input und kann sich austauschen.

Wir freuen uns jedenfalls auf Euer Interesse. @fire Teams gibt’s bundesweit.

Kontakt könnt ihr hier aufnehmen. Wir sind natürlich auch auf Facebook vertreten: USAR und WFF.