Rezension von de Vries‘ Einsatz von Hohlstrahlrohren

Buchcover de Vries - Einsatz von Hohlstrahlrohren

De Vries behauptet nicht, er misst nach und widerlegt! Wer den Namen des Autors auf dem Buchcover liest, dem sollte klar sein, dass keine eingängige, dafür eine wissenschaftlich solide Abhandlung vorliegt. Genau das gilt für die aktuelle Publikation „Einsatz von Hohlstrahlrohren“ aus der Reihe Fachwissen Feuerwehr, dessen Wert de Vries für alle Feuerwehrangehörigen mit der in der Überschrift genannten Feststellung im Vorwort beschließt: „diese Broschüre [ist] eine lebenswichtige Ergänzung zur Feuerwehrgrundausbildung“ (S. 7).

Nutzen für jeden Anwender

Als Zielgruppe benennt er alle, die mit Hohlstrahlrohren direkt oder indirekt arbeiten, vom Einheitsführer, über den Maschinisten bis hin zum unmittelbaren Anwender. Hauptamtlich aktive Feuerwehrangehörige schließt er explizit mit ein. Zu groß ist bei allen Anwendern das Unwissen über die technisch-hydraulischen Grundlagen, sodass alle Feuerwehrangehörigen zu schulen sind, denn nur das richtige Handhaben garantiere den Löscherfolg.

Der Inhalt gliedert sich in die drei Kapitel „Einführung“ (Geschichte, Normung), „Technik der Hohlstrahlrohre“ und „Anwendung von Hohlstrahlrohren“.

Kein HSR ohne Europa

Obwohl weit über 100 Jahre alt und in Deutschland (historisch) nicht unbekannt, vermisst de Vries eine dem Gerät angemessene Ausbildung und Auseinandersetzung, was ihn aus dem historischen Kontext heraus zu süffisant-kritischen Bemerkungen veranlasst – selbst in der DDR war man (mal wieder) feuerwehrtechnisch weiter. Übrigens: „Ohne ‚Europa‘ hätte es für deutsche Feuerwehren ernsthafte Schutzkleidung und die flächendeckende Einführung von Hohlstrahlrohren und anderer moderner Armaturen erst sehr viel später gegeben – wenn überhaupt“ (S. 6).

Technische Grundlagen

Neben den hydraulisch-technischen Grundlagen erklärt de Vries die fünf grundsätzlichen Typen des HSR, legt die Funktionsweise wie Vor- und Nachteile dar. Abhängig vom HSR-Typ ist das sorgfältige Abstimmen zwischen dem vorgehenden Trupp und dem Maschinisten erforderlich. „Vorteile eines Typs oder einer Bauart (eines Hohlstrahlrohrs) werden immer durch bestimmte Nachteile ‚erkauft‘. Wahr bleibt aber immer die Erkenntnis, dass das teuerste Strahlrohr wertlos ist in der Hand des ungeübten Anwenders“ (S. 34). De Vries erklärt anschaulich, was an der Austrittsöffnung des HSR passiert, warum das so ist, weshalb ein HSR als Schaumstrahlrohr im Erstzugriff taugt und was passiert, wenn unterschiedliche Strahlrohre am Verteiler hängen.

Viel Wissenswertes

Ferner gibt de Vries Hinweis zum Handhaben des HSR in der Praxis, zum Einbinden, zur Ergonomie, zum Beschaffen und Beproben. Er schreibt deutlich, dass die Diskussion über Für und Wider des Pistolengriffs unnötig sei, weil selbst Berufsfeuerwehren den extremen Innenangriff, der von Gegnern des Griffs konstruiert wird, selten erleben. Interessant die Feststellung, dass gemäß UVV das HSR wegen des Volumenstromes mit drei Feuerwehrangehörigen zu halten sei (S. 92). Kritisch steht er zu so genannten „Scheinnormen“, wie im Kontext des Einsatzes in elektrischen Anlagen, die nicht praxistauglich seien.

Status Quo hinterfragen

De Vries legt erneut eindrucksvoll dar, dass vieles von dem, was in Feuerwehrkreisen gelehrt wird, teilweise auf fragwürdigen Annahmen beruht und einer inhaltlichen Anpassung bedarf – seine Aussagen führt er teils auf eigene Versuche zurück.[i] Seine süffisant-kritischen Bemerkungen – man ist geneigt, es als Glossen zu bezeichnen – machen deutlich, dass Erproben und später intensives Ausbilden das A und O des Feuerwesens sind und Ausbildung keineswegs durch Technik zu ersetzen ist.

Damit hat er Recht und die Aussagen sind legitim, aber gerade der komplexe Inhalt der Publikation provoziert die Frage, was ein freiwilliger Feuerwehrangehöriger noch alles wissen muss oder aufnehmen kann? Die Wissensvermittlung ist gegenwärtig schwierig und die Grenzen der Aufnahmefähigkeit sind angesichts neuer Vorschriften und Unterweisungen erreicht. Versucht man jetzt einem freiwilligen Feuerwehrangehörigen noch Themen wie z. B. die taktische Löschintensität zu vermitteln, wird das keiner im Einsatz mehr wissen. Selbst das Mantra des ständigen Wiederholens, des Learning by Doing wird nur bedingt funktionieren, denn es muss zu vieles aus- und fortgebildet werden, als dass sich Routine durch regelmäßiges Handhaben einstellt. Feuerwehr wird stetig professioneller, das ist gut so, nur ob sich das mit dem Ehrenamt umsetzen lässt, ist eine andere Frage. Dennoch, für HSR-Anwender gilt: Lesebefehl!

Bibliografische Daten

Holger de Vries: Einsatz von Hohlstrahlrohren. Ausbildung und Praxis – Funktionsweise – Hydraulik – Normung – Anforderungen – Funktionskategorie – Kennlinien – Ergonomie – Unfallverhütung. Aus der Reihe Fachwissen Feuerwehr. Landsberg am Lech: ecomed Sicherheit 2017. 108 S., Softcover, 14,8 x 19,0 cm, ISBN 978-3-609-69643-0, EUR 12,99.-

Externe Links

Fußnoten

[i] Beispiel für das Widerlegen der Ausbildungsempfehlungen und Ausbildungsbedingungen anhand der Statistik bzw. der Physik / Realität: „In der ‚Containerlöschtheorie‘ gibt es die These, dass die Einsatzkräfte das ‚thermische Gleichgewicht‘ im Brandraum nicht stören dürfen. Die These ist vom Ansatz her falsch, da das Feuer ohne Störung des thermischen Gleichgewichts (wenn es so etwas gibt) einfach weiterbrennen würde, bis kein Brennstoff mehr vorhanden ist. Die Feuerwehr wird aber gerufen, um das thermische Gleichgewicht zu stören und es sogar möglichst völlig durcheinander zu bringen, das nennt man ‚löschen‘.“ Ebenfalls für kompletten Unfug hält er das bei Feuerwehrvorführungen beliebte Einfangen einer Gasflamme – de Vries beschreibt dann aber auch das korrekte Vorgehen in einer solchen Lage.