Drei Feuerwehrleute vor einer Flammenwand

Das Feuer der Leidenschaft? Das Engagement in einer Hilfsorganisation hat vieles mit diesem Idiom gemein, jedoch muss ein Feuer wiederholt neu entfacht werden. Bild: Feuerwehr Weblog

Jeder, der ehrenamtlich in einer Hilfsorganisation tätig ist, unabhängig, ob in der Feuerwehr, in einem der Sanitätsdienste oder im Technischen Hilfswerk, hat im Laufe seiner Dienstzeit („Zeitraum des Engagements“ klingt emotionaler), persönliche „Hochs“ und „Tiefs“, ausgelöst durch verschiedenste Ursachen. Diese können beruflicher, familiärer, gesundheitlicher, ideologischer, mentaler, zwischenmenschlicher, soziologischer oder organisationsinterner Natur sein. Während das Engagement während einer „Phase des Hochs“ selten hinterfragt oder in Frage gestellt wird, drehen sich in der „Phase des Tiefs“ die Gedanken häufig um die Frage, ob oder in welcher Form die ehrenamtliche Teilhabe in der Organisation noch Sinn ergibt. Anders formuliert, soll man weitermachen oder nicht. Nicht Resilienz im soziologischen, sondern im psychologischen Sinne steht daher im Vordergrund der nachfolgenden Gedanken.

Zugegeben, die Fragestellung gibt eigentlich eine egoistische Einstellung wieder, denn es gibt andere Menschen, die darauf angewiesen sind, dass ihnen geholfen wird, egal ob es ein Mensch in einem brennenden Gebäude auf Rettung wartet; ein Kind, das zu ersticken droht; oder ein ganzes Dorf, dessen Überflutung durch Hochwasser bevorsteht. Würde jeder sein Ego, sein persönliches Befinden, seine Laune über das Ehrenamt stellen, würde das System der auf dem Ehrenamt basierenden Hilfe in Deutschland zusammenbrechen. Zum Glück sind wir innerlich nicht alle uniform, sodass die Summe der Hochs und Tiefs der einzelnen Angehörigen ein stabiles Mittel ergibt, sodass die Funktionen des Systems „Rettung“ erhalten bleiben. Der Verlust einzelner Helfer wiegt in der Regel nicht so schwer, als wenn ganze Abteilungen oder Ortsgruppen den Dienst quittieren. Während Letzteres in der Regel auf strukturelle und organisationsübergreifende Schwierigkeiten hindeutet, soll an dieser Stelle das Individuum, der einzelne, mit sich hadernde Helfer im Fokus stehen bleiben.

Die Frage, ob man sein eigenes Wohl in einer Phase der Reflexion – Phase des Tiefs – über das Wohl der Hilfesuchenden stellen darf, ist artifiziell und zugleich polemisch, gleichwohl legitim. Umgekehrt gefragt, was bringt mir ein Helfer, der aufgrund seiner persönlichen Situation nicht bei der Sache ist und unkonzentriert arbeitet? Führt das eventuell nicht zu Fehlern? Zu (noch mehr) schlechter Stimmung in der Gruppe? Hier kommt die Resilienz der Gruppe zum Tragen: der Ausfall einzelner oder weniger Helfer kann kompensiert werden, ohne dass es zu einer Einschränkung der Funktionsfähigkeit der Hilfsorganisation kommt.

Heißt das etwa, dass der einzelne Helfer egal ist? Ist jeder ersetzbar? Zählt bloß die Masse? Ein Denken, das in der Arbeitswelt (und sogar in mancher Hilfsorganisation) weitverbreitet ist, und dort vielleicht als Druckmittel kurzfristig von Nutzen sein mag, langfristig schadet dieses Handeln der Motivation. Menschen sind nun mal keine (human) Ressources. Und gerade die Motivation ist die wesentliche Triebkraft des Ehrenamtes. Resilienz hin oder her, die Schlagkraft der Gruppe entsteht dadurch, dass sie mehr als die Summe ihrer Teile ist. Und der motivierte Helfer ist der Schlüssel hierzu.

Motivation entsteht auf viele Arten: schieres Interesse an der Organisation, Faible für Technik, Arbeit mit Menschen oder schlicht und einfach die Faszination „Blaulicht“. Die Frage ist doch, wie kann die Organisation mich weiter motivieren und wie kann ich mich selbst weiter motivieren? Motivation hat mit Handeln zu tun, dem Streben nach einem Ziel. Bleiben wir bei den intrinsischen Faktoren, bei einem Selbst. Mit der Zeit sollte man sich innerhalb der Organisation neue Ziele setzen, insbesondere dann, wenn alte Ziele erreicht wurden oder nicht erreichbar sind. Hat man kein Ziel, verliert man die Lust. Ein Ziel kann das Anstreben einer Führungsfunktion sein, der Versuch Änderungen innerhalb der Organisation zu erreichen oder sich in eine bestimmte Richtung weiterbilden zu dürfen.

Wenn man fast sein ganzes Leben, von der Jugendorganisation an, nichts anderes gemacht hat, als sich in seiner Organisation zu engagieren, nichts anderes kennt, als diese eine Organisation, führt das Verlassen dieser Organisation in einer Phase des Tiefs zu einer großen Leere, unabhängig von der eigentlichen Ursache des Tiefs. Anders ausgedrückt, die Schnellschussreaktion, alles hinzuschmeißen, führt womöglich zu noch schlechterer Stimmung in anderen Lebensbereichen.

Was kann man selbst tun? Wie kann man vorbeugen? Eine Möglichkeit ist sich innerhalb seiner Organisation parallel an anderer Stelle zu engagieren, in der man im Übrigen andere Angehörige seiner eigenen Organisation kennenlernt, mit denen man im Alltagsbetrieb weniger in Berührung kommt. In der Feuerwehr mit ihren vielen Spezialeinheiten ist das mit Sicherheit weniger kompliziert, als anderweitig . Vorteil wäre, hat man in der einen Einheit ein Stimmungstief, gleicht sich das mit dem Stimmungshoch der anderen Einheit aus. Andere Leute, andere Sichtweisen, andere Tätigkeiten, neue Ziele. Ist die Ursache indes extrinsisch, liegt folglich innerhalb der Organisation, hilft das natürlich nur bedingt.

Eine alternative Möglichkeit wäre sich außerhalb seiner Organisation zu engagieren, also etwas komplett anderes zu machen. Sei es das Engagement im Sanitätsdienst, bei der Wasserrettung oder dem THW. Freilich ist man noch immer beim gleichen Schlag Mensch (als dem mit dem Blaulicht- und Helfersyndrom) und damit zwangsläufig in ähnlichen Strukturen, mit gleicher Denke und ähnlichen die Motivation hemmenden Faktoren. Reden wir womöglich über einen Abwärtssog, aus dem man nicht mehr entrinnen kann? Mitnichten!

Eine Frage muss sich jeder selbst stellen, nämlich die, ob man sich zusätzlich außerhalb des Blaulichtbereichs ein Engagement oder Mitgliedschaft vorstellen kann: Sportverein, Turnverein, Schwimmklub, Fotoclub, es gibt viele Möglichkeiten, auf andere Leute zu treffen, seine kontroversen Erfahrungen wettzumachen und dies als Chance zu nutzen, seine Ursprungsorganisation aufs Neue schätzen zu lernen. Ein Perspektivwechsel, anderen Hobbys nochmals den Vorzug geben, kann ungemein hilfreich sein, um sich selbst darüber klarzuwerden, wie wichtig einem bestimmte Verpflichtungen sind, wo man steht und vor allem, was man will.

Ist das alles nicht möglich, bleibt selbstverständlich die Beurlaubung als Option, sei es kurz- oder mittelfristig, ein paar Wochen oder ein paar Monate – oder Jahre. Bloß besteht die Gefahr, dass die Organisation den Helfer komplett verliert, weil er merkt, dass ihm nichts entgeht, und damit aus der Beurlaubung der Austritt (in der Feuerwehr natürlich „Antrag auf Entlassung“) wird. Bleibt man dagegen in Kontakt, besteht die Möglichkeit neue Ziele zu definieren, sei es durch Anstoß von außen oder durch den Kontakt mit Personen aus anderen Organisationen, deren Ideen man übernimmt.

Warum schreibe ich nicht über das Thema Führung als untrennbar mit der Motivation verbundener Aspekt? Meine implizite Ausgangsthese war für mich die Frage, was ich selbst bewirken kann, um das Feuer der Leidenschaft neu zu entfachen, unabhängig von extrinsischen Faktoren. „Frage nicht, was Deine Organisation für Dich tun kann, sondern was kannst Du für Deine Organisation tun“, um ein Zitat Kennedys abzuwandeln.

Weshalb schreibe ich dies? Ich selbst bin in exakt dieser Situation und hinterfrage den Sinn des Engagements in der Freiwilligen Feuerwehr – Freiwillig an dieser Stelle bewusst groß geschrieben. Jahrelang wurden alle Hobbys der Feuerwehr untergeordnet und es gab Beruf, Beziehung, Feuerwehr. Die Beziehung hat sich vor längerer Zeit in Familie verwandelt und führte dazu, dass Feuerwehr aus Zeitgründen kontinuierlich ins Hintertreffen geriet und auf ein Minimum reduziert wurde. Dann kam das Tief und meine Suche, wie ich mich mittels intrinsischer Faktoren erneut motivieren könnte, denn nachdem ein bisher extrinsischer, die Motivation nicht gerade fördernder Faktor entfallen ist, zeigte sich, dass das wahre Motivationsproblem in mir selbst liegt.