Rezension einer Magirus Biografie

Um meine Begeisterung für die Biografie „Der Feuerwehrpionier und Unternehmer Conrad Dietrich Magirus“ von Martin Nestler zu verdeutlichen, muss ich ausholen und auf meine Schreibtätigkeit in der jüngeren Vergangenheit zurückkommen.

Als ich im März 2009 von der Messe „Retro Classics“ heimkehrte, machte ich mir Gedanken, wie ich die Teilaustellung über Magirus gut zu Papier bringen könnte. Ich nahm mir vor, nicht in eine an Spam erinnernde Orgie an Aufzählungen von technischen Leistungen zu verfallen. Über Magirus haben bis heute viele Autoren geschrieben. Die Anzahl an Publikationen ist, im Kontrast zu Carl Metz, schwer zu überblicken. Quantität sagt nichts über Qualität aus. Innerhalb der Publikationen ist eine Tendenz festzustellen: Magirus als Person und Magirus als Unternehmen finden – wie ich an anderer Stelle schrieb – keine ausreichende Differenzierung. Im Zentrum des Interesses steht, sieht man von Magirus’ Anfängen ab, die Technikgeschichte.

Aus diesem Grund wollte ich in dem beabsichtigten Artikel den Blickpunkt mehr auf die Person C. D. Magirus richten. Dieses Vorhaben misslang aus zwei Gründen: Mir fehlten auf die Schnelle verfügbare und belastbare Quellen und die Beschaffung derselben wäre zeitraubend gewesen. (Meine Stundenblumen gehen seit geraumer Zeit unisono zur Neige).

Mein Ansinnen blieb Idee und geriet in Vergessenheit. Umso mehr gefreut hat es mich, als ich im vergangenen Jahr die Publikation „Der Feuerwehrpionier und Unternehmer Conrad Dietrich Magirus“ von Martin Nestler entdeckte. Sie versprach, das zu beleuchten, was ich vordem im Sinn hatte, aber nie umsetzte.

Martin Nestler betont in der Einleitung, dass er den Fokus auf die Person C. D. Magirus richten will. Um es vorwegzunehmen, diesem Anspruch wird er gerecht. Auch wenn er nicht in jedem Kapitel unbekannte Fakten präsentiert, erzählt er viele Facetten der Magirus’schen Vita tiefgründiger und schreibt informatives zum historischen Hintergrund.

Mit besonderem Eifer habe ich das Kapitel über die Turner und die Genese der Pompier-Aktivitäten der Turnerschaft gelesen. Bisher ist wenig über die Entstehung der freiwilligen Feuerwehr aus der Turnerbewegung heraus festgehalten.

Die Besonderheit der Ulmer Turner im Zeitalter der 48iger-Revolution als Grundlage für das bürgerschaftliche Engagement ohne obrigkeitsstaatliche Vorbehalte, ist eine der spannendsten Episoden, die Nestler hervorhebt.

Nestler weist nach, dass C. D. Magirus flunkerte, als er das Feuerlöschwesen gegen Ende der 1840iger Jahre als durch die Turner geprägt und dominiert charakterisierte. Ebenfalls belegt er, dass der Aufbau der Ulmer Feuerwehr nicht, wie von C. D. Magirus später behauptet, geradlinig verlief. Mit der Rettungs-Compagnie und der Freiwilligen Feuerwehr bestanden bis 1853 zwei Organisationen nebeneinander. In der Geschichtsschreibung ebenso vernachlässigt ist die Tatsache, dass die Ulmer Feuerwehr ab 1860 erneut die Umwandlung in eine Pflichtfeuerwehr erfuhr. Ursächlich war das mangelnde Interesse der Bürger, allerdings geschah das nicht nur in Ulm, andere Städte mussten die Feuerwehrpflicht ebenfalls wieder aufrollen.

Den Beginn von Magirus als Unternehmen schildert Nestler unter der Prämisse eines zwischen Idealismus und notwendigem Broterwerb hin und her gerissenen Menschen. Sein geschicktes Selbstmarketing (bis hin zur Lüge), war mehr seinem Geschäftssinn geschuldet. Überhaupt arbeitet Nestler heraus, dass Magirus seine Interessen durchzusetzen wusste – und Konflikten nicht aus dem Weg ging. Er ging z.B. patentrechtlich gegen Konkurrenten vor.

Was ich zunächst als wenig interessant einstufte, beim Lesen aber revidierte, war das Kapitel über das vielfältige gesellschaftliche und politische Engagement von Magirus. Dieses vermochte er vorteilhaft für seine unternehmerischen Interessen einzusetzen.

Magirus verstand es sein gesellschaftliches, politisches und unternehmerisches Engagement geschickt zu verquicken. Beim Lesen der Biografie entsteht eine differenzierte und weniger sakralisierte Darstellung von Magirus: Er war Idealist und gleichzeitig Unternehmer. Er handelte zum Wohle der Ulmer Bürger, setzte seine Interessen dennoch gegen heftigen Widerstand durch.

Ich empfinde es als Bereicherung, endlich eine von der Technikgeschichte Magirus’scher Prägung losgelöste Publikation in den Händen zu haben, welche die Person C. D. Magirus in den Mittelpunkt stellt.

Aus der Perspektive eines Historikers vermisse ich, neben Fußnoten, genaue Quellenangaben, eine ausführliche Bibliografie. Man mag mir diese wissenschaftliche Versessenheit verzeihen, ich bin mir der Zielgruppe des Buches mehr als deutlich bewusst. Sprachlich ist das Buch an einigen Stellen holprig, gleichwohl lesbar.

Eingangs formulierte Nestler, dass er C. D. Magirus nicht glorifizieren wolle. Das tut er auch.

Dieser Text erschien am 08. März 2012 in englischer Sprache unter dem Titel “Inventor, founder, fire fighter: A small biography about Magirus“ im privaten Weblog des Rezensenten.

Martin Nestler: Der Feuerwehrpionier und Unternehmer Conrad Dietrich Magirus. Erfurt: Sutton 2011. 95 S., Ill. ISBN 978-3-86680-896-6; EUR 14.95 (DE), EAN 9783866808966.